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# taz.de -- Rechtsextreme „Sächsische Separatisten“: Mit Terror und Trompe…
> Acht junge Männer werden unter Terrorverdacht festgenommen, darunter drei
> AfD-Funktionäre aus Sachsen. Hat niemand etwas mitbekommen? Eine
> Spurensuche in Grimma.
Bild: Vorbei mit der Idylle: Beamte des BKA bei der Festnahme mutmaßlicher Rec…
Grimma und Berlin Gunther Brix steht in karierter Flanelljacke hinter
seinem Gartenzaun, Hände in den Hosentaschen. Es ist Donnerstag, zwei Tage
nachdem [1][ein Großaufgebot der Polizei im Nachbarort zwei von acht
mutmaßlichen Rechtsterroristen festgenommen hat]. Brix, der sich beim
örtlichen Heimatverein engagiert, blickt rüber auf die andere Straßenseite,
wo das Kriegerdenkmal steht, das an 23 Gefallene aus dem Grimmaer Ortsteil
Kleinbothen im Ersten Weltkrieg erinnert. Dort drüben, erzählt er, seien
die jungen Leute vor vier Jahren plötzlich aufgetaucht. Als Studenten
hätten sie sich vorgestellt, die historisch interessiert seien und solche
Denkmäler putzten. „Sie sind äußerst freundlich gewesen“, erinnert sich
Brix. „Wir fanden das klasse.“
Am Ende habe jemand vom Heimatverein sogar noch Geld für Farbe gespendet.
Danach habe er nie wieder Kontakt zu den dreien gehabt. Einer habe ihm
damals aber noch seine Telefonnummer gegeben: Er hieß Kurt Hättasch.
Jener Kurt Hättasch nun wurde am vergangenen Dienstag in einer
großangelegten Polizeiaktion im Auftrag der Bundesanwaltschaft
festgenommen – zusammen mit sieben weiteren Männern, im Alter zwischen 21
bis 25 Jahren. Sieben weitere Personen wurden ebenfalls durchsucht, die
Einsätze fanden auch in Polen und Österreich statt. Die Bundesanwaltschaft
wirft ihnen die Bildung oder Unterstützung einer rechtsextremen
Terrorgruppe vor, der „Sächsischen Separatisten (SS)“. Schon seit vier
Jahren sollen sie sich in paramilitärischen Trainings für einen „Tag X“
vorbereitet haben, einen Umsturz.
## Gruppe plante „ethnische Säuberungen“ in Sachsen
Mit Waffengewalt habe die Gruppe danach Gebiete in Sachsen erobern und
„ethnische Säuberungen“ durchführen wollen, so der Vorwurf. [2][In ihren
Chats soll der Anführer der Gruppe laut Medienberichten auch von einem
„Holocaust“ geredet haben], mit dem Ostdeutschland von Einwanderern
gesäubert werden müsse. Sie hatten sich bereits Ausrüstung besorgt:
Tarnanzüge, Gefechtshelme, Gasmasken und Schutzwesten. Nach
taz-Informationen wurden zudem bei mehreren Beschuldigten unregistrierte
scharfe Waffen gefunden. Die Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof haben
inzwischen alle Haftbefehle bestätigt.
Als die Polizei im Morgennebel bei Hättasch anrückte, in einem einsamen
Haus an einem schmalen Feldweg in einem Dorf bei Grimma, soll der
Mittzwanziger eine Waffe getragen haben, es fielen Schüsse. Hättasch wurde
am Kiefer verletzt und musste ins Krankenhaus.
Kurt Hättasch war nicht irgendwer. Der Metallbauer und Jäger war bislang
Fraktionschef der AfD im Grimmaer Stadtrat und auch im Vorstand des
Kreisverbands – und seit Ende Oktober Schatzmeister der Parteijugend in
Sachsen, der Jungen Alternative. Zwei weitere Festgenommene, Kevin Richter
und Hans-Georg Pförtsch, waren ebenso Teil des AfD-Kreisverbands.
Hört man sich dieser Tage in Grimma um, will niemand etwas geahnt haben.
Bei der Aktion an dem Kriegerdenkmal war neben Hättasch damals auch Richter
dabei. Etwas Extremes habe er da nicht bemerkt, sagt Gunther Brix vom
Heimatverein. Auch André Rahmlow, der Leiter des Jugendblasorchesters, in
dem Hättasch und Richter viele Jahre Trompete und Flügelhorn spielten, sagt
der taz, er habe „null Anzeichen“ für Terrorpläne gesehen. [3][Die
Leipziger Volkszeitung berichtet 2019 von einem „gelungenen“
Neujahrskonzert]: „Die Moderation übernahm erneut Trompeter Kurt Hättasch,
der als roten Faden das Thema Familie wählte und für einige Schmunzler
sorgte.“ Gespielt wurden Rock-Klassiker, Volkslieder, Twist, Walzer und ein
Udo-Jürgens Medley. Hättasch und Richter seien zuletzt wegen ihrer Arbeit
auch kaum noch dabei gewesen, sagt Orchesterleiter Rahmlow.
Nachbarn vor Ort wollen ebenso nichts bemerkt haben. Ein „hochanständiger
Mann“ sei Hättasch gewesen und engagiert im Jagdverein, lobt ihn einer. Ein
anderer Nachbar berichtet über Richter, dieser sei unauffällig gewesen,
manchmal habe er ihn musizieren gehört. Und Ute Kabitzsch, derzeit
kommissarische Oberbürgermeisterin von Grimma, lässt mitteilen, die
Vorwürfe seien „unvorstellbar“. Sie sei „zutiefst erschüttert“.
Kann das sein? Dass eine Gruppe für einen Umsturz trainiert – und niemand
bekommt etwas mit?
Tobias Burdukat sieht das anders. Der Sozialarbeiter mit dem Rauschebart,
Anfang vierzig, sitzt am Donnerstag mit Laptop an einem Wohnzimmertisch im
Büro seines Vereins, unweit des Marktplatzes von Grimma. An den Wänden
prangen bunte Graffiti, im Hintergrund läuft Hardcore-Musik, an der
Schaufensterscheibe wird ein „Gutes Leben für alle“ gefordert. Burdukat
arbeitet seit vielen Jahren in der Stadt, trat auch schon mal für ein
linkes Bündnis als Bürgermeisterkandidat an, ohne Erfolg.
Vor knapp 10 Jahren war er als Sozialarbeiter an Hättasch geraten. Schon
damals gab es an dessen Gymnasium in Grimma, einem Vorzeige-Internat,
Anzeichen, dass Hättasch nach weit rechts abrutsche. Der damalige Teenager
galt als Einzelgänger. Auf Projekttagen habe er sich dann rassistisch und
menschenfeindlich geäußert, „eine Spur krasser als andere“, erinnert sich
Burdukat. Es habe Gespräche mit Hättasch, seiner Familie und der Schule
gegeben. Aber auch danach sei es auf dem Schulhof zu Konflikten gekommen,
tauchten Sticker der rechtsextremen Identitären auf. Der Stadtrat habe die
Vorfälle mitbekommen. Am Ende habe aber niemand reagiert, sagt Burdukat.
„Im Gegenteil wurden wir, die darauf hinwiesen, noch als Nestbeschmutzer
beschimpft.“
Hättasch tauchte offenbar immer weiter in die rechtsextreme Szene ein. 2018
hing an seinem Gymnasium, einer „Schule ohne Rassismus“, schließlich ein
Identitären-Banner mit der Aufschrift „Linken Lehrern in die Suppe
spucken“. Weil die Schule aus seiner Sicht nicht wirklich reagierte, zog
sich ein Pate des „Schule ohne Rassismus“-Programms zurück.
Wenig später begann eine Gruppe in der Stadt, Antifa-Graffitis zu
übermalen. Sie nannte sich „Bund Deutscher Maler“, BDM – wie die
NS-Vereinigung „Bund Deutscher Mädel“. Mit dabei: Kurt Hättasch und Kevin
Richter. Es war die Gruppe, die auch das Kriegerdenkmal in Kleinbothen
säuberte. Danach stellten sie davon ein Video ins Internet, unterlegt mit
der Ballade eines antisemitischen Lyrikers aus der NS-Zeit und dem Appell:
„Tut etwas für Deutschland!“
## Fiel die Radikalisierung in Grimma niemandem auf?
Das mit dem Video und dem BDM-Gruppennamen habe er nicht gewusst, sagt
Gunther Brix vom Heimatverein. „Sonst hätte ich da schon nachgefragt.“ Und
auch die Schulleitung teilt nur mit, dass Hättasch früher das Gymnasium
besuchte. Damals wie heute habe es viele Projekte und Angebote in den
einzelnen Klassen gegeben, auch eine „gute Schulsozialarbeit“. Inwiefern
diese bei Hättasch zum Einsatz kam, beantwortet die Schule nicht.
Hättasch und Richter machten weiter. Spätestens ab 2019 tauchten beide im
Umfeld der AfD auf – die in Sachsen inzwischen als gesichert rechtsextrem
eingestuft ist. Ein Video, das der AfD Kreisverband Landkreis Leipzig im
November jenes Jahres veröffentlichte, zeigt, wie die beiden eine
Parteiveranstaltung am Volkstrauertrag in Bad Lausick musikalisch
begleiten: Mit Trompete, Flügelhorn und Schiebermützen stehen sie vor einem
Notenständer und spielen das Lied „Vom Guten Kameraden“.
Hättasch band sich offenbar auch familiär an die rechtsextreme Szene: Nach
taz-Informationen ist seine Frau die Tochter von Thomas Sattelberg, dem
ehemaligen Anführers der [4][verbotenen Skinheads Sächsische Schweiz]
(„SSS“), einer brutalen neonazistischen Kameradschaft. [5][2019 reiste
Sattelberg mit seiner Tochter für einen Besuch in die Ukraine, um sich dort
mit rechtsextremen Asow-Vertreter*innen zu vernetzen].
Im Frühjahr 2022 tauchten Hättasch und seine Frau auch beim Institut für
Staatspolitik des neurechten Vordenkers Götz Kubitschek in Schnellroda auf,
heute ebenfalls als rechtsextrem eingestuft. [6][Im Mai desselben Jahres
ließen sich Hättasch sowie vier weitere der Festgenommenen, Hans-Georg
Pförtsch, Karl K., Jörg und Jörn S., dann mit Höcke fotografieren] – hint…
einem Banner der „Jungen Alternative“ (JA), mitten auf dem Marktplatz in
Grimma, wo der Thüringer AfD-Chef eine Kundgebung abhielt. Hättasch baute
damals einen Stand für die JA auf.
## Schon der Vater organisierte paramilitärische Trainings
Laut Bundesanwaltschaft soll sich Hättasch kurz darauf, im August 2022, den
„Separatisten“ angeschlossen haben. Gegründet haben soll diese indes schon
knapp zwei Jahre zuvor Jörg S. aus Brandis, einer Kleinstadt, keine 20
Kilometer von Grimma entfernt. Er und sein ebenfalls festgenommener Bruder
Jörn S. kommen aus einer einschlägigen Familie: Der Großvater war in
Österreich bei der FPÖ, [7][ihr Vater ist ein mehrfach verurteilter
Rechtsextremist. Er war sieben Jahre lang Zeitsoldat im Bundesheer] und in
den 1980er Jahren in der militanten Neonazi-Szene Österreichs aktiv. [8][Er
organisierte später paramilitärische Trainingslager] und dutzende
Wehrsportübungen für Neonazis, bei denen [9][laut Medienberichten auch
geübt wurde, Menschen mit den bloßen Händen zu töten].
In den 1990er Jahren zog es ihn nach Sachsen, wo er für Baufirmen tätig
ist. Zuletzt soll er bei den Legida-Protesten in Leipzig aktiv gewesen
sein. Auch bei zwei weiteren seiner Söhne gab es Durchsuchungen, sie wurden
aber nicht festgenommen.
Die Gruppe soll sich über den Messengerdienst Telegram organisiert haben.
Ihre Trainings führte sie etwa auf einem verlassenen Flugplatz bei Brandis
durch. Ganz ähnlich wie schon ihr Vater übten die Brüder S. und ihre
Kameraden laut Bundesanwaltschaft Häuserkampf, führten Nachtmärsche durch.
Auch soll die Gruppe zu Schießtrainings nach Tschechien und Polen gefahren
sein. In Grimma, gleich neben dem Bahnhof, bauten Gruppenmitglieder nach
taz-Informationen zudem ein dreistöckiges Haus, in dessen Erdgeschoss
früher ein Imbiss war, zu einem Treffort aus. Auch hier rückte die Polizei
am Dienstag an.
Was die Stadt davon mitbekam, will sie nicht beantworten. Man solle sich an
die Ermittlungsbehörden richten, erklärt ein Stadtsprecher. Der erste
Hinweis zu den mutmaßlichen Terrorplänen soll vom US-Geheimdienst FBI
gekommen sein, der einen Account in einem englischsprachigen Chat mit
radikalen Aussagen entdeckte. Deutschen Sicherheitsbehörden gelang es dann,
den Nutzer zu identifizieren: Jörg S. Ermittler observierten daraufhin die
Gruppe akribisch. Als es in Gesprächen dann ernster wurde, sich Waffen zu
beschaffen, schlug die Bundesanwaltschaft zu.
Mehrere der nun Festgenommenen müssten den deutschen Sicherheitsbehörden
eigentlich schon in anderen Zusammenhängen aufgefallen sein. Seit 2015
taucht etwa Hans-Georg Pförtsch auf diversen rechtsextremen Veranstaltungen
auf. Pförtsch hatte offenbar auch internationale Kontakte: Ein Foto zeigt
ihn mit drei Mitgliedern des schwedischen [10][„Nordic Resistance
Movement“, die das US-Außenministerium im Juni 2024 als Terrorgruppe
einstufte].
## Pförtsch mit Fahne von „Knockout 51“-Vorgänger
Wie das [11][Rechercheportal Jena/Saale-Holzland-Kreis] recherchierte, war
Pförtsch zudem wohl auch mindestens im Umfeld des rechtsextremen
Schlägertrupps „Knockout 51“ unterwegs: Fotos, die der taz vorliegen,
zeigen, wie er am 1. Mai 2018 in Erfurt auf einem Aufmarsch der NPD mit
einer Fahne des „Nationalen Aufbau Eisenach“ marschiert, einer der
Vorgängerorganisationen von „Knockout 51“. Ende Juni waren vier Männer
wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung zu Haftstrafen
verurteilt worden. [12][Sie sollen mit der Gruppe „Knockout 51“ Kampfsport
trainiert und am Ende auch vorgehabt haben, politische Gegner zu töten].
Erst im [13][September klagte die Bundesanwaltschaft drei weitere
Mitglieder von „Knockout 51“ an]. Die Linkenpolitikerin Katharina
König-Preuss hatte bereits 2020 nach [14][Thüringer Verbindungen zur
rechtsterroristischen Gruppe „Atomwaffen Division“ in den USA gefragt] –
einer Gruppe aus der sogenannten [15][„Siege“-Szene] also, zu denen laut
Bundesamt für Verfassungsschutz nun auch die Sächsischen Separatisten
Bezüge aufweisen sollen. Hätte man das alles früher wissen können?
Zwei Tage nach den Razzien zieht der Alltag wieder in Grimma ein. Im Café
neben dem Haus von Kevin Richter ist reger Betrieb. Nahe Hättaschs Haus, wo
dessen Frau und Kleinkind wohnen, rollt ein Traktor übers Feld. Nachbarn
wollen nichts zu den Festnahmen sagen oder zeigen sich teils fassungslos,
andere entrüstet. Was sollen das für Vorwürfe sein, schimpft einer. „Acht
Mann wollen die Welt einreißen? Früher wurden die Juden verfolgt, heute ist
es die AfD.“
Für Kerstin Köditz passen die Vorwürfe dagegen ins Bild. Die
Linkenpolitikerin sitzt am Donnerstag in ihrem kleinen Parteibüro in
Grimma, umzingelt von proppevollen Bücherregalen. „Es gibt hier in Sachsen
seit Jahren solche Gruppen, die sich vom Rechtsterror angezogen fühlen.
Festnahmen wie jetzt zeigen nur die Spitze des Eisbergs.“ Köditz kennt die
rechtsextreme Szene gut: Jahrzehntelang verfolgte sie als
Landtagsabgeordnete deren Aktivitäten. Der NSU lebte in Sachsen im
Untergrund, später folgten Rechtsterrorgruppen wie Sturm 34, die Gruppe
Freital, Revolution Chemnitz, in der Gegend um Grimma die „Terror Crew
Muldental“. Für Köditz hat das auch damit zu tun, dass sich viele Sachsen
nicht daran störten – oder solche Neonazis noch bestärkten.
## Rechte Verbindungen von der AfD bis zum III.Weg
Was die jetzt Festgenommenen indes von früheren Rechtsterrorgruppen
unterscheidet: Die „Separatisten“ sind jung und teils eher
bildungsbürgerlich orientiert, bewegen sich neben der AfD auch im
Burschenschaftsmilieu. Andere können, trotz ihres Alters, auf eine
beachtliche Demo-Karriere zurückblicken: Schon seit Jahren tauchen sie bei
Aufmärschen der AfD, der NPD oder des III. Wegs auf. Jörn S. soll diesen
Februar gar bis nach Budapest gefahren sein, zum „Tag der Ehre“, der seit
Jahren als europaweites Vernetzungstreffen der rechtsextremen Szene
fungiert.
Zumindest Hättasch kennt Köditz dabei auch ganz direkt: Er saß bis vor
Kurzem mit ihr im Stadtrat von Grimma, genauso wie Kevin Richter, der
Stellvertreter im Sozialausschuss war und im Beirat für Kultur, Jugend und
Sport. Eine „Chaostruppe“ sei die AfD-Fraktion in Grimma, sagt Köditz.
Hättasch habe nur eine Rede in der noch jungen Legislatur gehalten, über
ein Projekt für eine Mehrzweckhalle, sie war vorgeschrieben und
unverfänglich. Er habe sprechen können, sei wohl deshalb Fraktionschef
geworden, vermutet Köditz: „Es wirkte, als wolle die Partei ihn für Höheres
aufbauen.“ Tatsächlich war Hättasch seit Herbst auch Mitarbeiter des
AfD-Landtagsabgeordneten Alexander Wiesner, des JA-Landeschefs. Er soll
Hättasch inzwischen entlassen haben. Für die taz war er nicht zu erreichen.
## Würdigende Erwähnung durch Götz Kubitschek
Als Bekannten bezeichnet ihn der Neurechte Götz Kubitschek in einem
Blogbeitrag, als „Selbstversorgerseele, Typ Kamerad“. Schatzmeister der JA,
das werde man nicht, „wenn man nicht gründlich und akkurat wirtschaften
kann“. Es ist eine JA, deren sächsischer Verband als besonders radikal
gilt, der über einen „linksgrünen Multikulti-Messeralptraum“ ätzt oder e…
großangelegte „Remigration“ fordert. Zudem tauchte Hättasch mit Kevin
Richter auf Sonn- oder Winterwendfeiern auf, [16][etwa im Juni in
Strahwalde, inklusive Liedern der Hitlerjugend und Ehrung eines
SS-Standartenführers. Die taz machte es öffentlich]. Die AfD aber
nominierte Hättasch wenig später dennoch als stellvertretenden
Bürgermeister von Grimma – gewählt wurde er nicht.
Das ist nun die zweite große Frage: Wie radikal ist die AfD inszwischen?
Und welche Konsequenzen sollten die Terrorvorwürfe für die Partei haben?
André Rahmlow, der Orchesterleiter, sagt, das AfD-Engagement von Hättasch
und Richter sei natürlich bekannt gewesen. „Aber im Orchester haben sie
sich nie politisch gegeben. Und nur in der AfD zu sein ist noch kein
Ausschlussgrund.“ Nach den Festnahmen habe der Orchestervorstand die
Mitgliedschaft der beiden allerdings „auf Eis“ gelegt, betont Rahmlow.
Auch die Stadt prüft laut ihrer Interimsbürgermeisterin Kabitzsch nun
Konsequenzen für Hättasch und Richter im Stadtrat. Man verurteile
Rechtsextremismus, die Vorwürfe werfen einen „dunklen Schatten auf die
Arbeit des gesamten Stadtrats“, heißt es in einer Erklärung.
## Politiker und Abgeordnete fordern AfD-Verbot
Kerstin Köditz reicht das nicht. Sie fordert mehr Handeln gegen
Rechtsextremismus in der Stadt, in Schulen und Vereinen. „Sonst bleibt es
nur Lippenbekenntnis und geht darum, den eigenen Ruf zu retten.“ Dass die
Festgenommenen aus dem Umfeld der AfD kommen oder dort gar Funktionäre
waren, überrascht sie nicht. „Die AfD predigt Hass und irgendwann wollen
einige eben auch Taten sehen.“ Die Linkenpolitikerin fordert, nun
schnellstens ein AfD-Verbot in die Wege zu leiten. „Das ist überfällig.“
Köditz ist damit nicht allein. Schon seit Langem fordert auch der
sächsische CDU-Bundestagsabgeordnete Marco Wanderwitz, einst
Ostbeauftragter der Bundesregierung, ein AfD-Verbot. Inzwischen hat er
genügend Abgeordnete zusammen, um den Antrag im Bundestag einzubringen. Den
Fall der „Sächsischen Separatisten“ nennt er „heftig“. Dieser werfe
abermals ein bezeichnendes Licht auf die AfD. „Da kommen mutmaßlich
Rechtsterroristen aus der Mitte der AfD. Es sind Hass und Ideologie dieser
Partei, die sie antrieben.“
Der Fall zeige einmal mehr, wie wichtig es sei, die Verfassungswidrigkeit
und ein Verbot der AfD nun zügig durch das Bundesverfassungsgericht prüfen
zu lassen, sagt Wanderwitz. Auch wenn nun Neuwahlen bevorstehen, wolle man
den Verbotsantrag noch in der Restlegislatur im Bundestag einbringen,
betont Wanderwitz. „Wir werden das nun beschleunigt tun. Die AfD ist eine
ernste Gefahr für die Demokratie – das erlaubt keinen Aufschub.“
## AfD in Erklärungsnot
In der AfD ist man auch deshalb um Schadensbegrenzung bemüht.
AfD-Bundeschef Tino Chrupalla nannte die Vorwürfe noch am Dienstag
„schockierend“. Der sächsische Landesverband beschloss tags darauf, die
drei festgenommenen AfD-Männer aus der Partei zu werfen. Nach
taz-Informationen gibt es auch Stimmen im Landesverband, die eine schärfere
Abgrenzung von der gesamten sächsischen JA fordern. Andere dagegen halten
die Vorwürfe für überzogen.
Zu Letzteren gehört auch der Anwalt des Hauptbeschuldigten Jörg S., Martin
Kohlmann. Als Chef der Kleinpartei „Freie Sachsen“ ist er selbst ein
Rechtsextremist. Jörg S. war bei seiner Festnahme im polnischen Zgorzelec,
direkt neben Görlitz. In einem Video direkt danach nennt Kohlmann die
Beschuldigten „eine relativ harmlose Wandergruppe“, die „zur nächsten
Terrororganisation hochgepuscht werden soll“. Auch auf taz-Anfrage weist er
die Vorwürfe zurück: Eine Selbstbezeichnung als „Sächsische Separatisten“
habe es nie gegeben, auch keine Terrorpläne. „Es gab eine locker verbundene
Wandergruppe mit Hang zu Survivaltrainings samt entsprechender Ausrüstung,
die auch zweimal Paintball spielte.“ Sein Mandant werde einer Auslieferung
aus Polen nicht zustimmen.
Sozialarbeiter Tobias Burdukat wühlt der Fall auch Tage später noch auf. Es
hätte anders kommen können, ist er überzeugt. Es habe im Fall Kurt Hättasch
damals ein kurzes Zeitfenster gegeben, da hätte man noch intervenieren und
Hättasch davor bewahren können, in den Extremismus abzurutschen, sagt
Burdukat. „Aber das wurde nicht genutzt. Und dann kam offensichtlich die
Radikalisierung. Ich mache mir da auch selbst Vorwürfe.“ Hätten alle damals
konsequent reagiert und wären die diejenigen, die auf Radikalisierung
hinweisen, nicht beschimpft worden, wäre die Dynamik vielleicht zu stoppen
gewesen, sagt Burdukat. „Aber das ist, wie immer, das Problem hier: Es ist
nicht so, dass all das niemand bemerkt hätte. Es hat nur niemanden
gestört.“
Anmerkung: Wir haben den Text nach der Veröffentlichung um eine
Stellungnahme des Anwalts von Jörg S. ergänzt. Zudem haben wir eine Stelle
korrigiert: Mit der Fahne des „Nationalen Aufbau Eisenach“ war Hans-Georg
Pförtsch am 1. Mai 2018 in Erfurt (und nicht in Eisenach) unterwegs.
10 Nov 2024
## LINKS
[1] /Festnahmen-von-Neonazis-in-Sachsen/!6046702
[2] https://www.spiegel.de/panorama/justiz/mutmassliche-terrorgruppe-saechsisch…
[3] https://www.lvz.de/lokales/leipzig-lk/grimma/jugendblasorchester-grimma-sta…
[4] /Erinnerungsarbeit-in-Sachsen/!6019027
[5] https://dserver.bundestag.de/btd/19/263/1926359.pdf
[6] /Festgenommene-Saechsische-Separatisten/!6044321
[7] https://antifainfoblatt.de/aib60/rechte-gluecksritter-ostdeutschland
[8] https://antifainfoblatt.de/aib110/spurensuche-im-rechten-soeldner-milieu
[9] https://www.tips.at/PDF/2012/TNK_22.pdf
[10] https://www.state.gov/terrorist-designations-of-nordic-resistance-movement…
[11] https://rechercheportaljenashk.noblogs.org/
[12] /Prozess-dem-rechten-Kampfsport/!6029117
[13] /Rechter-Terror-in-Eisenach/!6037775
[14] https://haskala.de/2020/06/05/verbindungen-der-atomwaffen-division-nach-th…
[15] /Autor-ueber-die-US-Neonazi-Szene/!6033065
[16] /Rechtsextreme-Netzwerke-in-Sachsen/!6021990
## AUTOREN
Anne Fromm
Jean-Philipp Baeck
Konrad Litschko
Johannes Grunert
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