# taz.de -- Rechtsextreme „Sächsische Separatisten“: Mit Terror und Trompe… | |
> Acht junge Männer werden unter Terrorverdacht festgenommen, darunter drei | |
> AfD-Funktionäre aus Sachsen. Hat niemand etwas mitbekommen? Eine | |
> Spurensuche in Grimma. | |
Bild: Vorbei mit der Idylle: Beamte des BKA bei der Festnahme mutmaßlicher Rec… | |
Grimma und Berlin Gunther Brix steht in karierter Flanelljacke hinter | |
seinem Gartenzaun, Hände in den Hosentaschen. Es ist Donnerstag, zwei Tage | |
nachdem [1][ein Großaufgebot der Polizei im Nachbarort zwei von acht | |
mutmaßlichen Rechtsterroristen festgenommen hat]. Brix, der sich beim | |
örtlichen Heimatverein engagiert, blickt rüber auf die andere Straßenseite, | |
wo das Kriegerdenkmal steht, das an 23 Gefallene aus dem Grimmaer Ortsteil | |
Kleinbothen im Ersten Weltkrieg erinnert. Dort drüben, erzählt er, seien | |
die jungen Leute vor vier Jahren plötzlich aufgetaucht. Als Studenten | |
hätten sie sich vorgestellt, die historisch interessiert seien und solche | |
Denkmäler putzten. „Sie sind äußerst freundlich gewesen“, erinnert sich | |
Brix. „Wir fanden das klasse.“ | |
Am Ende habe jemand vom Heimatverein sogar noch Geld für Farbe gespendet. | |
Danach habe er nie wieder Kontakt zu den dreien gehabt. Einer habe ihm | |
damals aber noch seine Telefonnummer gegeben: Er hieß Kurt Hättasch. | |
Jener Kurt Hättasch nun wurde am vergangenen Dienstag in einer | |
großangelegten Polizeiaktion im Auftrag der Bundesanwaltschaft | |
festgenommen – zusammen mit sieben weiteren Männern, im Alter zwischen 21 | |
bis 25 Jahren. Sieben weitere Personen wurden ebenfalls durchsucht, die | |
Einsätze fanden auch in Polen und Österreich statt. Die Bundesanwaltschaft | |
wirft ihnen die Bildung oder Unterstützung einer rechtsextremen | |
Terrorgruppe vor, der „Sächsischen Separatisten (SS)“. Schon seit vier | |
Jahren sollen sie sich in paramilitärischen Trainings für einen „Tag X“ | |
vorbereitet haben, einen Umsturz. | |
## Gruppe plante „ethnische Säuberungen“ in Sachsen | |
Mit Waffengewalt habe die Gruppe danach Gebiete in Sachsen erobern und | |
„ethnische Säuberungen“ durchführen wollen, so der Vorwurf. [2][In ihren | |
Chats soll der Anführer der Gruppe laut Medienberichten auch von einem | |
„Holocaust“ geredet haben], mit dem Ostdeutschland von Einwanderern | |
gesäubert werden müsse. Sie hatten sich bereits Ausrüstung besorgt: | |
Tarnanzüge, Gefechtshelme, Gasmasken und Schutzwesten. Nach | |
taz-Informationen wurden zudem bei mehreren Beschuldigten unregistrierte | |
scharfe Waffen gefunden. Die Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof haben | |
inzwischen alle Haftbefehle bestätigt. | |
Als die Polizei im Morgennebel bei Hättasch anrückte, in einem einsamen | |
Haus an einem schmalen Feldweg in einem Dorf bei Grimma, soll der | |
Mittzwanziger eine Waffe getragen haben, es fielen Schüsse. Hättasch wurde | |
am Kiefer verletzt und musste ins Krankenhaus. | |
Kurt Hättasch war nicht irgendwer. Der Metallbauer und Jäger war bislang | |
Fraktionschef der AfD im Grimmaer Stadtrat und auch im Vorstand des | |
Kreisverbands – und seit Ende Oktober Schatzmeister der Parteijugend in | |
Sachsen, der Jungen Alternative. Zwei weitere Festgenommene, Kevin Richter | |
und Hans-Georg Pförtsch, waren ebenso Teil des AfD-Kreisverbands. | |
Hört man sich dieser Tage in Grimma um, will niemand etwas geahnt haben. | |
Bei der Aktion an dem Kriegerdenkmal war neben Hättasch damals auch Richter | |
dabei. Etwas Extremes habe er da nicht bemerkt, sagt Gunther Brix vom | |
Heimatverein. Auch André Rahmlow, der Leiter des Jugendblasorchesters, in | |
dem Hättasch und Richter viele Jahre Trompete und Flügelhorn spielten, sagt | |
der taz, er habe „null Anzeichen“ für Terrorpläne gesehen. [3][Die | |
Leipziger Volkszeitung berichtet 2019 von einem „gelungenen“ | |
Neujahrskonzert]: „Die Moderation übernahm erneut Trompeter Kurt Hättasch, | |
der als roten Faden das Thema Familie wählte und für einige Schmunzler | |
sorgte.“ Gespielt wurden Rock-Klassiker, Volkslieder, Twist, Walzer und ein | |
Udo-Jürgens Medley. Hättasch und Richter seien zuletzt wegen ihrer Arbeit | |
auch kaum noch dabei gewesen, sagt Orchesterleiter Rahmlow. | |
Nachbarn vor Ort wollen ebenso nichts bemerkt haben. Ein „hochanständiger | |
Mann“ sei Hättasch gewesen und engagiert im Jagdverein, lobt ihn einer. Ein | |
anderer Nachbar berichtet über Richter, dieser sei unauffällig gewesen, | |
manchmal habe er ihn musizieren gehört. Und Ute Kabitzsch, derzeit | |
kommissarische Oberbürgermeisterin von Grimma, lässt mitteilen, die | |
Vorwürfe seien „unvorstellbar“. Sie sei „zutiefst erschüttert“. | |
Kann das sein? Dass eine Gruppe für einen Umsturz trainiert – und niemand | |
bekommt etwas mit? | |
Tobias Burdukat sieht das anders. Der Sozialarbeiter mit dem Rauschebart, | |
Anfang vierzig, sitzt am Donnerstag mit Laptop an einem Wohnzimmertisch im | |
Büro seines Vereins, unweit des Marktplatzes von Grimma. An den Wänden | |
prangen bunte Graffiti, im Hintergrund läuft Hardcore-Musik, an der | |
Schaufensterscheibe wird ein „Gutes Leben für alle“ gefordert. Burdukat | |
arbeitet seit vielen Jahren in der Stadt, trat auch schon mal für ein | |
linkes Bündnis als Bürgermeisterkandidat an, ohne Erfolg. | |
Vor knapp 10 Jahren war er als Sozialarbeiter an Hättasch geraten. Schon | |
damals gab es an dessen Gymnasium in Grimma, einem Vorzeige-Internat, | |
Anzeichen, dass Hättasch nach weit rechts abrutsche. Der damalige Teenager | |
galt als Einzelgänger. Auf Projekttagen habe er sich dann rassistisch und | |
menschenfeindlich geäußert, „eine Spur krasser als andere“, erinnert sich | |
Burdukat. Es habe Gespräche mit Hättasch, seiner Familie und der Schule | |
gegeben. Aber auch danach sei es auf dem Schulhof zu Konflikten gekommen, | |
tauchten Sticker der rechtsextremen Identitären auf. Der Stadtrat habe die | |
Vorfälle mitbekommen. Am Ende habe aber niemand reagiert, sagt Burdukat. | |
„Im Gegenteil wurden wir, die darauf hinwiesen, noch als Nestbeschmutzer | |
beschimpft.“ | |
Hättasch tauchte offenbar immer weiter in die rechtsextreme Szene ein. 2018 | |
hing an seinem Gymnasium, einer „Schule ohne Rassismus“, schließlich ein | |
Identitären-Banner mit der Aufschrift „Linken Lehrern in die Suppe | |
spucken“. Weil die Schule aus seiner Sicht nicht wirklich reagierte, zog | |
sich ein Pate des „Schule ohne Rassismus“-Programms zurück. | |
Wenig später begann eine Gruppe in der Stadt, Antifa-Graffitis zu | |
übermalen. Sie nannte sich „Bund Deutscher Maler“, BDM – wie die | |
NS-Vereinigung „Bund Deutscher Mädel“. Mit dabei: Kurt Hättasch und Kevin | |
Richter. Es war die Gruppe, die auch das Kriegerdenkmal in Kleinbothen | |
säuberte. Danach stellten sie davon ein Video ins Internet, unterlegt mit | |
der Ballade eines antisemitischen Lyrikers aus der NS-Zeit und dem Appell: | |
„Tut etwas für Deutschland!“ | |
## Fiel die Radikalisierung in Grimma niemandem auf? | |
Das mit dem Video und dem BDM-Gruppennamen habe er nicht gewusst, sagt | |
Gunther Brix vom Heimatverein. „Sonst hätte ich da schon nachgefragt.“ Und | |
auch die Schulleitung teilt nur mit, dass Hättasch früher das Gymnasium | |
besuchte. Damals wie heute habe es viele Projekte und Angebote in den | |
einzelnen Klassen gegeben, auch eine „gute Schulsozialarbeit“. Inwiefern | |
diese bei Hättasch zum Einsatz kam, beantwortet die Schule nicht. | |
Hättasch und Richter machten weiter. Spätestens ab 2019 tauchten beide im | |
Umfeld der AfD auf – die in Sachsen inzwischen als gesichert rechtsextrem | |
eingestuft ist. Ein Video, das der AfD Kreisverband Landkreis Leipzig im | |
November jenes Jahres veröffentlichte, zeigt, wie die beiden eine | |
Parteiveranstaltung am Volkstrauertrag in Bad Lausick musikalisch | |
begleiten: Mit Trompete, Flügelhorn und Schiebermützen stehen sie vor einem | |
Notenständer und spielen das Lied „Vom Guten Kameraden“. | |
Hättasch band sich offenbar auch familiär an die rechtsextreme Szene: Nach | |
taz-Informationen ist seine Frau die Tochter von Thomas Sattelberg, dem | |
ehemaligen Anführers der [4][verbotenen Skinheads Sächsische Schweiz] | |
(„SSS“), einer brutalen neonazistischen Kameradschaft. [5][2019 reiste | |
Sattelberg mit seiner Tochter für einen Besuch in die Ukraine, um sich dort | |
mit rechtsextremen Asow-Vertreter*innen zu vernetzen]. | |
Im Frühjahr 2022 tauchten Hättasch und seine Frau auch beim Institut für | |
Staatspolitik des neurechten Vordenkers Götz Kubitschek in Schnellroda auf, | |
heute ebenfalls als rechtsextrem eingestuft. [6][Im Mai desselben Jahres | |
ließen sich Hättasch sowie vier weitere der Festgenommenen, Hans-Georg | |
Pförtsch, Karl K., Jörg und Jörn S., dann mit Höcke fotografieren] – hint… | |
einem Banner der „Jungen Alternative“ (JA), mitten auf dem Marktplatz in | |
Grimma, wo der Thüringer AfD-Chef eine Kundgebung abhielt. Hättasch baute | |
damals einen Stand für die JA auf. | |
## Schon der Vater organisierte paramilitärische Trainings | |
Laut Bundesanwaltschaft soll sich Hättasch kurz darauf, im August 2022, den | |
„Separatisten“ angeschlossen haben. Gegründet haben soll diese indes schon | |
knapp zwei Jahre zuvor Jörg S. aus Brandis, einer Kleinstadt, keine 20 | |
Kilometer von Grimma entfernt. Er und sein ebenfalls festgenommener Bruder | |
Jörn S. kommen aus einer einschlägigen Familie: Der Großvater war in | |
Österreich bei der FPÖ, [7][ihr Vater ist ein mehrfach verurteilter | |
Rechtsextremist. Er war sieben Jahre lang Zeitsoldat im Bundesheer] und in | |
den 1980er Jahren in der militanten Neonazi-Szene Österreichs aktiv. [8][Er | |
organisierte später paramilitärische Trainingslager] und dutzende | |
Wehrsportübungen für Neonazis, bei denen [9][laut Medienberichten auch | |
geübt wurde, Menschen mit den bloßen Händen zu töten]. | |
In den 1990er Jahren zog es ihn nach Sachsen, wo er für Baufirmen tätig | |
ist. Zuletzt soll er bei den Legida-Protesten in Leipzig aktiv gewesen | |
sein. Auch bei zwei weiteren seiner Söhne gab es Durchsuchungen, sie wurden | |
aber nicht festgenommen. | |
Die Gruppe soll sich über den Messengerdienst Telegram organisiert haben. | |
Ihre Trainings führte sie etwa auf einem verlassenen Flugplatz bei Brandis | |
durch. Ganz ähnlich wie schon ihr Vater übten die Brüder S. und ihre | |
Kameraden laut Bundesanwaltschaft Häuserkampf, führten Nachtmärsche durch. | |
Auch soll die Gruppe zu Schießtrainings nach Tschechien und Polen gefahren | |
sein. In Grimma, gleich neben dem Bahnhof, bauten Gruppenmitglieder nach | |
taz-Informationen zudem ein dreistöckiges Haus, in dessen Erdgeschoss | |
früher ein Imbiss war, zu einem Treffort aus. Auch hier rückte die Polizei | |
am Dienstag an. | |
Was die Stadt davon mitbekam, will sie nicht beantworten. Man solle sich an | |
die Ermittlungsbehörden richten, erklärt ein Stadtsprecher. Der erste | |
Hinweis zu den mutmaßlichen Terrorplänen soll vom US-Geheimdienst FBI | |
gekommen sein, der einen Account in einem englischsprachigen Chat mit | |
radikalen Aussagen entdeckte. Deutschen Sicherheitsbehörden gelang es dann, | |
den Nutzer zu identifizieren: Jörg S. Ermittler observierten daraufhin die | |
Gruppe akribisch. Als es in Gesprächen dann ernster wurde, sich Waffen zu | |
beschaffen, schlug die Bundesanwaltschaft zu. | |
Mehrere der nun Festgenommenen müssten den deutschen Sicherheitsbehörden | |
eigentlich schon in anderen Zusammenhängen aufgefallen sein. Seit 2015 | |
taucht etwa Hans-Georg Pförtsch auf diversen rechtsextremen Veranstaltungen | |
auf. Pförtsch hatte offenbar auch internationale Kontakte: Ein Foto zeigt | |
ihn mit drei Mitgliedern des schwedischen [10][„Nordic Resistance | |
Movement“, die das US-Außenministerium im Juni 2024 als Terrorgruppe | |
einstufte]. | |
## Pförtsch mit Fahne von „Knockout 51“-Vorgänger | |
Wie das [11][Rechercheportal Jena/Saale-Holzland-Kreis] recherchierte, war | |
Pförtsch zudem wohl auch mindestens im Umfeld des rechtsextremen | |
Schlägertrupps „Knockout 51“ unterwegs: Fotos, die der taz vorliegen, | |
zeigen, wie er am 1. Mai 2018 in Erfurt auf einem Aufmarsch der NPD mit | |
einer Fahne des „Nationalen Aufbau Eisenach“ marschiert, einer der | |
Vorgängerorganisationen von „Knockout 51“. Ende Juni waren vier Männer | |
wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung zu Haftstrafen | |
verurteilt worden. [12][Sie sollen mit der Gruppe „Knockout 51“ Kampfsport | |
trainiert und am Ende auch vorgehabt haben, politische Gegner zu töten]. | |
Erst im [13][September klagte die Bundesanwaltschaft drei weitere | |
Mitglieder von „Knockout 51“ an]. Die Linkenpolitikerin Katharina | |
König-Preuss hatte bereits 2020 nach [14][Thüringer Verbindungen zur | |
rechtsterroristischen Gruppe „Atomwaffen Division“ in den USA gefragt] – | |
einer Gruppe aus der sogenannten [15][„Siege“-Szene] also, zu denen laut | |
Bundesamt für Verfassungsschutz nun auch die Sächsischen Separatisten | |
Bezüge aufweisen sollen. Hätte man das alles früher wissen können? | |
Zwei Tage nach den Razzien zieht der Alltag wieder in Grimma ein. Im Café | |
neben dem Haus von Kevin Richter ist reger Betrieb. Nahe Hättaschs Haus, wo | |
dessen Frau und Kleinkind wohnen, rollt ein Traktor übers Feld. Nachbarn | |
wollen nichts zu den Festnahmen sagen oder zeigen sich teils fassungslos, | |
andere entrüstet. Was sollen das für Vorwürfe sein, schimpft einer. „Acht | |
Mann wollen die Welt einreißen? Früher wurden die Juden verfolgt, heute ist | |
es die AfD.“ | |
Für Kerstin Köditz passen die Vorwürfe dagegen ins Bild. Die | |
Linkenpolitikerin sitzt am Donnerstag in ihrem kleinen Parteibüro in | |
Grimma, umzingelt von proppevollen Bücherregalen. „Es gibt hier in Sachsen | |
seit Jahren solche Gruppen, die sich vom Rechtsterror angezogen fühlen. | |
Festnahmen wie jetzt zeigen nur die Spitze des Eisbergs.“ Köditz kennt die | |
rechtsextreme Szene gut: Jahrzehntelang verfolgte sie als | |
Landtagsabgeordnete deren Aktivitäten. Der NSU lebte in Sachsen im | |
Untergrund, später folgten Rechtsterrorgruppen wie Sturm 34, die Gruppe | |
Freital, Revolution Chemnitz, in der Gegend um Grimma die „Terror Crew | |
Muldental“. Für Köditz hat das auch damit zu tun, dass sich viele Sachsen | |
nicht daran störten – oder solche Neonazis noch bestärkten. | |
## Rechte Verbindungen von der AfD bis zum III.Weg | |
Was die jetzt Festgenommenen indes von früheren Rechtsterrorgruppen | |
unterscheidet: Die „Separatisten“ sind jung und teils eher | |
bildungsbürgerlich orientiert, bewegen sich neben der AfD auch im | |
Burschenschaftsmilieu. Andere können, trotz ihres Alters, auf eine | |
beachtliche Demo-Karriere zurückblicken: Schon seit Jahren tauchen sie bei | |
Aufmärschen der AfD, der NPD oder des III. Wegs auf. Jörn S. soll diesen | |
Februar gar bis nach Budapest gefahren sein, zum „Tag der Ehre“, der seit | |
Jahren als europaweites Vernetzungstreffen der rechtsextremen Szene | |
fungiert. | |
Zumindest Hättasch kennt Köditz dabei auch ganz direkt: Er saß bis vor | |
Kurzem mit ihr im Stadtrat von Grimma, genauso wie Kevin Richter, der | |
Stellvertreter im Sozialausschuss war und im Beirat für Kultur, Jugend und | |
Sport. Eine „Chaostruppe“ sei die AfD-Fraktion in Grimma, sagt Köditz. | |
Hättasch habe nur eine Rede in der noch jungen Legislatur gehalten, über | |
ein Projekt für eine Mehrzweckhalle, sie war vorgeschrieben und | |
unverfänglich. Er habe sprechen können, sei wohl deshalb Fraktionschef | |
geworden, vermutet Köditz: „Es wirkte, als wolle die Partei ihn für Höheres | |
aufbauen.“ Tatsächlich war Hättasch seit Herbst auch Mitarbeiter des | |
AfD-Landtagsabgeordneten Alexander Wiesner, des JA-Landeschefs. Er soll | |
Hättasch inzwischen entlassen haben. Für die taz war er nicht zu erreichen. | |
## Würdigende Erwähnung durch Götz Kubitschek | |
Als Bekannten bezeichnet ihn der Neurechte Götz Kubitschek in einem | |
Blogbeitrag, als „Selbstversorgerseele, Typ Kamerad“. Schatzmeister der JA, | |
das werde man nicht, „wenn man nicht gründlich und akkurat wirtschaften | |
kann“. Es ist eine JA, deren sächsischer Verband als besonders radikal | |
gilt, der über einen „linksgrünen Multikulti-Messeralptraum“ ätzt oder e… | |
großangelegte „Remigration“ fordert. Zudem tauchte Hättasch mit Kevin | |
Richter auf Sonn- oder Winterwendfeiern auf, [16][etwa im Juni in | |
Strahwalde, inklusive Liedern der Hitlerjugend und Ehrung eines | |
SS-Standartenführers. Die taz machte es öffentlich]. Die AfD aber | |
nominierte Hättasch wenig später dennoch als stellvertretenden | |
Bürgermeister von Grimma – gewählt wurde er nicht. | |
Das ist nun die zweite große Frage: Wie radikal ist die AfD inszwischen? | |
Und welche Konsequenzen sollten die Terrorvorwürfe für die Partei haben? | |
André Rahmlow, der Orchesterleiter, sagt, das AfD-Engagement von Hättasch | |
und Richter sei natürlich bekannt gewesen. „Aber im Orchester haben sie | |
sich nie politisch gegeben. Und nur in der AfD zu sein ist noch kein | |
Ausschlussgrund.“ Nach den Festnahmen habe der Orchestervorstand die | |
Mitgliedschaft der beiden allerdings „auf Eis“ gelegt, betont Rahmlow. | |
Auch die Stadt prüft laut ihrer Interimsbürgermeisterin Kabitzsch nun | |
Konsequenzen für Hättasch und Richter im Stadtrat. Man verurteile | |
Rechtsextremismus, die Vorwürfe werfen einen „dunklen Schatten auf die | |
Arbeit des gesamten Stadtrats“, heißt es in einer Erklärung. | |
## Politiker und Abgeordnete fordern AfD-Verbot | |
Kerstin Köditz reicht das nicht. Sie fordert mehr Handeln gegen | |
Rechtsextremismus in der Stadt, in Schulen und Vereinen. „Sonst bleibt es | |
nur Lippenbekenntnis und geht darum, den eigenen Ruf zu retten.“ Dass die | |
Festgenommenen aus dem Umfeld der AfD kommen oder dort gar Funktionäre | |
waren, überrascht sie nicht. „Die AfD predigt Hass und irgendwann wollen | |
einige eben auch Taten sehen.“ Die Linkenpolitikerin fordert, nun | |
schnellstens ein AfD-Verbot in die Wege zu leiten. „Das ist überfällig.“ | |
Köditz ist damit nicht allein. Schon seit Langem fordert auch der | |
sächsische CDU-Bundestagsabgeordnete Marco Wanderwitz, einst | |
Ostbeauftragter der Bundesregierung, ein AfD-Verbot. Inzwischen hat er | |
genügend Abgeordnete zusammen, um den Antrag im Bundestag einzubringen. Den | |
Fall der „Sächsischen Separatisten“ nennt er „heftig“. Dieser werfe | |
abermals ein bezeichnendes Licht auf die AfD. „Da kommen mutmaßlich | |
Rechtsterroristen aus der Mitte der AfD. Es sind Hass und Ideologie dieser | |
Partei, die sie antrieben.“ | |
Der Fall zeige einmal mehr, wie wichtig es sei, die Verfassungswidrigkeit | |
und ein Verbot der AfD nun zügig durch das Bundesverfassungsgericht prüfen | |
zu lassen, sagt Wanderwitz. Auch wenn nun Neuwahlen bevorstehen, wolle man | |
den Verbotsantrag noch in der Restlegislatur im Bundestag einbringen, | |
betont Wanderwitz. „Wir werden das nun beschleunigt tun. Die AfD ist eine | |
ernste Gefahr für die Demokratie – das erlaubt keinen Aufschub.“ | |
## AfD in Erklärungsnot | |
In der AfD ist man auch deshalb um Schadensbegrenzung bemüht. | |
AfD-Bundeschef Tino Chrupalla nannte die Vorwürfe noch am Dienstag | |
„schockierend“. Der sächsische Landesverband beschloss tags darauf, die | |
drei festgenommenen AfD-Männer aus der Partei zu werfen. Nach | |
taz-Informationen gibt es auch Stimmen im Landesverband, die eine schärfere | |
Abgrenzung von der gesamten sächsischen JA fordern. Andere dagegen halten | |
die Vorwürfe für überzogen. | |
Zu Letzteren gehört auch der Anwalt des Hauptbeschuldigten Jörg S., Martin | |
Kohlmann. Als Chef der Kleinpartei „Freie Sachsen“ ist er selbst ein | |
Rechtsextremist. Jörg S. war bei seiner Festnahme im polnischen Zgorzelec, | |
direkt neben Görlitz. In einem Video direkt danach nennt Kohlmann die | |
Beschuldigten „eine relativ harmlose Wandergruppe“, die „zur nächsten | |
Terrororganisation hochgepuscht werden soll“. Auch auf taz-Anfrage weist er | |
die Vorwürfe zurück: Eine Selbstbezeichnung als „Sächsische Separatisten“ | |
habe es nie gegeben, auch keine Terrorpläne. „Es gab eine locker verbundene | |
Wandergruppe mit Hang zu Survivaltrainings samt entsprechender Ausrüstung, | |
die auch zweimal Paintball spielte.“ Sein Mandant werde einer Auslieferung | |
aus Polen nicht zustimmen. | |
Sozialarbeiter Tobias Burdukat wühlt der Fall auch Tage später noch auf. Es | |
hätte anders kommen können, ist er überzeugt. Es habe im Fall Kurt Hättasch | |
damals ein kurzes Zeitfenster gegeben, da hätte man noch intervenieren und | |
Hättasch davor bewahren können, in den Extremismus abzurutschen, sagt | |
Burdukat. „Aber das wurde nicht genutzt. Und dann kam offensichtlich die | |
Radikalisierung. Ich mache mir da auch selbst Vorwürfe.“ Hätten alle damals | |
konsequent reagiert und wären die diejenigen, die auf Radikalisierung | |
hinweisen, nicht beschimpft worden, wäre die Dynamik vielleicht zu stoppen | |
gewesen, sagt Burdukat. „Aber das ist, wie immer, das Problem hier: Es ist | |
nicht so, dass all das niemand bemerkt hätte. Es hat nur niemanden | |
gestört.“ | |
Anmerkung: Wir haben den Text nach der Veröffentlichung um eine | |
Stellungnahme des Anwalts von Jörg S. ergänzt. Zudem haben wir eine Stelle | |
korrigiert: Mit der Fahne des „Nationalen Aufbau Eisenach“ war Hans-Georg | |
Pförtsch am 1. Mai 2018 in Erfurt (und nicht in Eisenach) unterwegs. | |
10 Nov 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Festnahmen-von-Neonazis-in-Sachsen/!6046702 | |
[2] https://www.spiegel.de/panorama/justiz/mutmassliche-terrorgruppe-saechsisch… | |
[3] https://www.lvz.de/lokales/leipzig-lk/grimma/jugendblasorchester-grimma-sta… | |
[4] /Erinnerungsarbeit-in-Sachsen/!6019027 | |
[5] https://dserver.bundestag.de/btd/19/263/1926359.pdf | |
[6] /Festgenommene-Saechsische-Separatisten/!6044321 | |
[7] https://antifainfoblatt.de/aib60/rechte-gluecksritter-ostdeutschland | |
[8] https://antifainfoblatt.de/aib110/spurensuche-im-rechten-soeldner-milieu | |
[9] https://www.tips.at/PDF/2012/TNK_22.pdf | |
[10] https://www.state.gov/terrorist-designations-of-nordic-resistance-movement… | |
[11] https://rechercheportaljenashk.noblogs.org/ | |
[12] /Prozess-dem-rechten-Kampfsport/!6029117 | |
[13] /Rechter-Terror-in-Eisenach/!6037775 | |
[14] https://haskala.de/2020/06/05/verbindungen-der-atomwaffen-division-nach-th… | |
[15] /Autor-ueber-die-US-Neonazi-Szene/!6033065 | |
[16] /Rechtsextreme-Netzwerke-in-Sachsen/!6021990 | |
## AUTOREN | |
Anne Fromm | |
Jean-Philipp Baeck | |
Konrad Litschko | |
Johannes Grunert | |
## TAGS | |
AfD-Verbot | |
Schwerpunkt AfD | |
Junge Alternative (AfD) | |
Schwerpunkt Rechter Terror | |
Der III. Weg | |
GNS | |
Lesestück Recherche und Reportage | |
Schwerpunkt AfD | |
AfD-Verbot | |
Schwerpunkt Femizide | |
Schwerpunkt AfD | |
Schwerpunkt Rechter Terror | |
Schwerpunkt AfD | |
Schwerpunkt Rechter Terror | |
Schwerpunkt Rechter Terror | |
Schwerpunkt Rechter Terror | |
Jugend vor den Ostwahlen | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
AfD-Richter Jens Maier: Rechtsextremist behält Staatsknete | |
2022 musste der völkische AfD-Richter Maier in den vorzeitigen Ruhestand. | |
Das Dienstgericht Leipzig entschied nun: Pensionsansprüche darf er | |
behalten. | |
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt: Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag | |
In Kürze soll im Bundestag der AfD-Verbotsantrag diskutiert werden. Nun | |
bekommen die Unterstützer*innen juristischen Rückenwind. | |
Rechtsanwältin über Gewalt gegen Frauen: „Die Täter werden ermutigt“ | |
Als Rechtsanwältin vertritt Christina Clemm Frauen, die Gewalt erlebt | |
haben. Sie weiß, was dagegen helfen würde. | |
Rechte Netzwerke in Burschenschaften: „Die Brandmauer wird systematisch durch… | |
Burschenschaften bilden ein Scharnier von rechten zu rechtsextremen | |
Kräften, sagt Experte Simon Brost. Das zeigt auch der Fall Peter Kurth. | |
Ex-Senator finanziert Rechtsextreme: Peter Kurth gab 100.000€ für Projekt vo… | |
Die terrorverdächtigen „Sächsischen Separatisten“ wollten in Grimma einen | |
Szenetreff aufbauen. Der Finanzier: Peter Kurth, einst Berliner | |
CDU-Senator. | |
Antrag soll noch diese Legislatur kommen: Grüne drücken bei AfD-Verbot auf di… | |
Trotz Neuwahl: Eine Gruppe Bundestagsabgeordneter will noch diese | |
Legislatur einen AfD-Verbotsantrag einbringen. Anderen Grünen geht das zu | |
schnell. | |
Festgenommene „Sächsische Separatisten“: Höcke posierte für Fotos mit mu… | |
Ein Foto zeigt Björn Höcke (AfD) mit mehreren der mutmaßlichen | |
Rechtsterroristen „Sächsische Separatisten“. Sie hatten auch Verbindungen | |
zum III. Weg. | |
Festnahmen von Neonazis in Sachsen: „Sächsische Separatisten“ mit Verbindu… | |
Seit 2020 sollen sich Rechtsextreme in Sachsen auf einen Umsturz | |
vorbereitet haben, darunter auch AfD-Leute. Nun wurden sie festgenommen. Es | |
fielen Schüsse. | |
Rechter Terror in Eisenach: Neonazis werden angeknockt | |
Die Bundesanwaltschaft klagt drei Neonazis an. Sie sind Teil der | |
Kampfsportgruppe „Knockout 51“, die einen Nazi-Kiez errichten und Linke | |
töten wollte. | |
Prozess dem rechten Kampfsport: Linke töten wollen aus Notwehr | |
Die extrem rechte Kampfsportgruppe Knockout 51 hat in Eisenach Angsträume | |
geschaffen. Trotz Urteilen gegen die führenden Köpfe bestehen sie weiter. |