# taz.de -- Rechte Netzwerke in Burschenschaften: „Die Brandmauer wird system… | |
> Burschenschaften bilden ein Scharnier von rechten zu rechtsextremen | |
> Kräften, sagt Experte Simon Brost. Das zeigt auch der Fall Peter Kurth. | |
Bild: Stramm rechts: Ein Berliner Gothia-Burschenschafter trägt Hosenträger u… | |
taz: Herr Brost, aus dem Verbindungshaus der Burschenschaft Gothia in | |
Berlin-Zehlendorf kannte Ex-CDU-Finanzsenator Peter Kurth ein kürzlich | |
festgenommenes Mitglied der „[1][Sächsischen Separatisten]“ – dem er | |
[2][Geld für ein rechtsextremes Hausprojekt in Sachsen geliehen] hatte. | |
Waren Sie überrascht, als Sie von dieser Verflechtung gehört haben? | |
Simon Brost: Nein. Zum einen gab es über Peter Kurth bereits zuvor | |
[3][Berichte, die dessen vielfältige Verbindungen in die Neue Rechte | |
offengelegt haben]. Zum anderen zeigt dieses Beispiel ein weiteres Mal, was | |
die Attraktivität von Burschenschaften für rechte politische Milieus | |
ausmacht: Wir haben es mit einem Lebensbund zu tun, der nach außen | |
verschwiegen und nach innen autoritär auftritt, aber in dem man einander | |
unterstützt und der so ein wichtiges politisches Netzwerk darstellt. | |
taz: Wie funktioniert so ein Netzwerk? Rund um die aktive Burschenschaft | |
Gothia gibt es noch eine Schülerverbindung, die „Iuvenis Gothia“, und den | |
Altherrenverband für ehemalige Burschenschaftler. | |
Brost: Die Gothia bemüht sich sehr stark darum, Nachwuchs zu gewinnen. | |
Dafür dient die Schülerverbindung, sie soll künftige Mitglieder an die | |
Burschenschaft heranführen. Die sogenannten Aktivitas – das sind die | |
studierenden Mitglieder der Burschenschaft – sind verantwortlich für den | |
Betrieb des Hauses in Zehlendorf sowie die Veranstaltungen dort und haben | |
den Anspruch, Präsenz am Campus zu zeigen. Die Alten Herren stellen den | |
finanziellen Rahmen bereit, vermitteln Karrieren und sind diejenigen, die | |
an relevanten Stellen sitzen und die Arbeit der Burschenschaft fördern | |
können. | |
taz: Ist die Gothia der zentrale Akteur der Berliner Burschenschaftsszene? | |
Brost: Die Gothia ist in dem Milieu in Berlin der am deutlichsten sichtbare | |
und auch der dominante Akteur – und auch die einzige Burschenschaft, die | |
vereinzelt an den Universitäten auftritt und auf Studierende zugeht. Es | |
gibt noch weitere Burschenschaften, die aber nur äußerst selten öffentlich | |
in Erscheinung treten. | |
taz: Wie weit rechts steht die Gothia? | |
Brost: Die Gothia ist aus bürgerlichen Westberliner rechtskonservativen | |
Milieus entstanden und bis heute in diesen verankert. Sie nimmt eine | |
Scharnierfunktion zwischen dem rechtskonservativen Rand der Unionsparteien | |
und weiter rechts stehenden außerparlamentarischen Kräften ein. Seit | |
einigen Jahren beobachten wir bei der Gothia und anderen Burschenschaften, | |
dass sie zu den wichtigsten Vorfeldorganisationen der Neuen Rechten | |
geworden sind, also von der [4][Identitären Bewegung], der AfD und ihrer | |
Jugendorganisation. | |
taz: Worin zeigt sich diese Scharnierfunktion von rechts nach ganz rechts? | |
Brost: Burschenschaften sind Orte, an denen die sogenannte Brandmauer | |
systematisch durchbrochen wird. Konservative Vertreter demokratischer | |
Parteien stellen die gemeinsamen Aktivitäten in der Burschenschaft mitunter | |
über die parteipolitische Abgrenzung zum Rechtsextremismus. Deshalb | |
existieren dort – selten nachweisbare, aber dennoch bestehende – informelle | |
Verbindungen. | |
taz: Aber dafür muss es doch auch ideologische Überschneidungen geben. | |
Brost: Früher, nach dem Zweiten Weltkrieg, waren das zum Beispiel | |
geschichtsrevisionistische Ansichten, etwa in Bezug auf die | |
Oder-Neiße-Grenze. Heute sind das oftmals zumindest teilweise geteilte | |
Gesellschaftsentwürfe und [5][politische Positionen – etwa beim Thema | |
Geschlecht]. Vielfältige Lebensentwürfe und feministische Errungenschaften | |
werden als Bedrohung für die eigene gesellschaftliche Stellung empfunden. | |
Dieses bestimmte Männlichkeitsbild ist ein verbindendes Element, das über | |
den programmatischen Linien der Parteien steht, in denen die | |
Burschenschaftler aktiv sind. | |
taz: Das zeigt sich bei den ehemaligen „Gothen“: Darunter sind Berliner | |
CDU-Politiker, aber auch zahlreiche aktive AfD-Mitglieder. Mischt die CDU | |
in einer Vorfeldorganisation der Neuen Rechten mit? | |
Brost: Mit Blick auf die Vereinsstrukturen lässt sich feststellen, dass in | |
der Gothia CDU-Mitglieder zumindest bis in die jüngste Vergangenheit eine | |
wichtige Rolle gespielt haben – und das gerade auch in der Zeit, in der | |
sich die Burschenschaft zur AfD und zur Neuen Rechten hin orientiert hat. | |
Man kann hier sicherlich kritisch nachfragen, ob die Abgrenzung innerhalb | |
der CDU von diesen Mitgliedern ausreichend erfolgt – und zwar nicht erst, | |
wenn das in der Öffentlichkeit skandalisiert wird. | |
taz: Wie sieht das mit der Identifikation aus: Steht die Burschenschaft | |
immer an erster Stelle – und folgt erst dann etwa die Partei? | |
Brost: Die Identifikation ist, soweit wir das beurteilen können, sehr | |
stark. Es gibt Beispiele in der Vergangenheit, wo Personen vor die Wahl | |
gestellt wurden zwischen einer politischen Karriere und ihrer | |
Mitgliedschaft in der Burschenschaft als Lebensbund – [6][und sich dann für | |
die Burschenschaft entschieden haben]. Doch damit diese Entscheidungen erst | |
gar nicht getroffen werden müssen, sind viele Mitglieder tunlichst darauf | |
bedacht, dass die Netzwerke und das gemeinsame Agieren im Verborgenen | |
bleiben. | |
taz: Welche Rolle spielen Burschenschaften wie die Gothia beim Aufstieg von | |
AfD und der extremen Rechten in Berlin? | |
Brost: Das Gothenhaus in Zehlendorf ist als Wohn- und Veranstaltungsort in | |
den vergangenen Jahren zu einem [7][wichtigen Kristallisationspunkt | |
neurechter Infrastruktur] in Berlin geworden. Schon früh wurden dort die | |
Türen geöffnet für Veranstaltungen aus dem AfD-Milieu. Insgesamt sind | |
Burschenschaften Strukturen, die schon lange vor der AfD bestanden und auf | |
welche die AfD nun zurückgreifen kann. | |
taz: Nehmen Politik und Sicherheitsbehörden die Gefahr, die von diesen | |
Netzwerken ausgeht, ernst genug? | |
Brost: Burschenschaften konnten jahrzehntelang unbeobachtet auf ihre | |
politischen Ziele hinarbeiten. Zu lange wurde dort nicht ausreichend | |
hingeschaut. Das hat sich erst durch investigative Recherchen einzelner | |
Medien geändert. Die Sicherheitsbehörden lassen sich zu der Frage, wie | |
genau sie die Netzwerke der Neuen Rechten beobachten, allerdings bis heute | |
nicht gerne in die Karten schauen. | |
14 Nov 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Festnahmen-von-Neonazis-in-Sachsen/!6046702 | |
[2] /Ex-Senator-finanziert-Rechtsextreme/!6049011 | |
[3] /Nazi-Netzwerk-um-Peter-Kurth/!5984682 | |
[4] /Identitaere-Bewegung/!t5207749 | |
[5] /Bildungsreferentin-ueber-Antifeminismus/!6011584 | |
[6] /Berliner-CDU-Mann-in-Burschenschaft/!5074123 | |
[7] /Identitaere-Bewegung-und-die-AfD/!5416603 | |
## AUTOREN | |
Hanno Fleckenstein | |
## TAGS | |
Schwerpunkt AfD | |
Schwerpunkt AfD in Berlin | |
Burschenschaft | |
CDU Berlin | |
Deutsche Burschenschaft | |
Rechtsextremismus | |
Neue Rechte | |
GNS | |
Performance | |
Emanzipation | |
Deutsche Burschenschaft | |
Rechtsextremismus | |
Fördergelder | |
Schwerpunkt Bundestagswahl 2025 | |
Burschenschaft | |
Schwerpunkt Rechter Terror | |
AfD-Verbot | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Theaterschaffende über Verbindungen: „Ich kann die Anziehungskraft nachvollz… | |
Das Kollektiv „Institut für Kontrolle und Exzess“ hat zu | |
Studentenverbindungen recherchiert. Daraus entstand das Stück „saufen | |
fechten heidelberg“. | |
Rechtsdrift der Union: Merz auf dem Sprung über die Brandmauer | |
Kanzlerkandidat Friedrich Merz verschärft deutlich seine Rhetorik in der | |
Migrationspolitik. Setzt er auf die Stimmen der AfD? | |
Antifa-Aktion gegen Burschenschaft: Mauer gegen rechts mal praktisch | |
Antifaschist:innen haben die Hannoversche Burschenschaft | |
Ghibellinia-Leipzig eingezäunt. Einige warfen Farbkugeln auf die Villa. | |
Unterwanderung der Bauernproteste: Alles, was rechts ist | |
Die Behörden verharmlosen rechtsextreme Tendenzen bei den Bauernprotesten | |
des vergangenen Winters. Es naht die erste große Demo der Saison. | |
Zivilgesellschaft leidet unter Ampel-Aus: Auf Kosten der Demokratie | |
Die Ampel-Regierung ist geplatzt, ein neuer Haushalt auch. Nun müssen viele | |
zivilgesellschaftliche Projekte um ihre Existenz fürchten – mal wieder. | |
Parteiprogramme für die Neuwahl: Auf die Plätze, fertig, Wahlkampf! | |
Am 23. Februar wird der Bundestag neu gewählt. Worauf setzen die Parteien | |
im Wahlkampf? | |
Burschenschaft Gothia: Zentraler Akteur der extremen Rechten | |
Die Verbindung der Burschenschaft Gothia reichen bis ins | |
rechtsterroristische Lager. Es ist höchste Zeit, sie als Sicherheitsrisiko | |
ernst zu nehmen. | |
Ex-Senator finanziert Rechtsextreme: Peter Kurth gab 100.000€ für Projekt vo… | |
Die terrorverdächtigen „Sächsischen Separatisten“ wollten in Grimma einen | |
Szenetreff aufbauen. Der Finanzier: Peter Kurth, einst Berliner | |
CDU-Senator. | |
Rechtsextreme „Sächsische Separatisten“: Mit Terror und Trompeten | |
Acht junge Männer werden unter Terrorverdacht festgenommen, darunter drei | |
AfD-Funktionäre aus Sachsen. Hat niemand etwas mitbekommen? Eine | |
Spurensuche in Grimma. |