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# taz.de -- taz-Korrespondenten blicken auf die USA: Was bedeutet die US-Wahl f…
> In den globalen Brennpunkten könnte die Wahl zwischen Trump und Harris
> Kriege entscheiden. Manche erwarten von den USA aber gar nichts. Ein
> Überblick.
Bild: Harris und Trump verewigt von einem Kunstlehrer in Mumbai
Israel: Mehr Vertrauen in Trump
Dass Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu auf einen Sieg Trumps
hofft, ist ein offenes Geheimnis. Auch rund zwei Drittel der israelischen
Bevölkerung wünschen sich laut einer aktuellen Umfrage des Senders Kanal 12
den Republikaner als nächsten US-Präsidenten. Für Harris würde nicht einmal
jeder Fünfte stimmen. Nur 20 Prozent der Israelis glauben, dass Harris für
die Sicherheit Israels gut wäre, gegenüber 58 Prozent für Trump.
Was sich Netanjahu von Trump erwartet, ist klar: freie Hand in Gaza und im
Libanon. Trumps erste Amtszeit war bereits von diplomatischen Tabubrüchen
zugunsten Israels geprägt: [1][Er verlegte die US-Botschaft nach
Jerusalem], erkannte die völkerrechtswidrige israelische [2][Annexion der
Golan-Höhen an] und nahm eine aggressive Haltung gegenüber Iran ein.
Trumps ehemaliger Nationale Sicherheitsberater John Bolton warnte jetzt
aber, dass die Unterstützung aus Trumps erster Amtszeit nicht für die
zweite garantiert sei. Trump sei nicht berechenbar, habe
„Wahnvorstellungen“ und „keinen Schimmer, was er im Nahen Osten tun soll�…
Die Unterstützung Israels seitens des scheidenden selbsternannten Zionisten
Joe Biden oder einer Nachfolgerin Harris hingegen ist zwar zuverlässig,
aber mit Mahnungen verbunden: humanitäre Hilfe zulassen, die Bevölkerung
von Gaza schützen, sich gegenüber Iran zurückhalten. Gegenwärtig läuft
eine Frist, die humanitäre Lage in Gaza zu verbessern oder die
US-Waffenlieferungen zur Debatte zu stellen.
Manche in Israel fürchten, dass eine Präsidentin Harris dem zunehmend
israelkritischen Flügel der Demokraten folgen könnte. Ein signifikanter
Teil der arabischstämmigen US-Bürger werfen Harris und Biden die
Unterstützung eines Völkermords in Gaza vor und rufen zur Stimmabgabe für
die Demokratin auf.
In entscheidenden Swing States mit einer signifikanten arabischstämmigen
Bevölkerungsgruppe wie Michigan, wo wenige Tausend Stimmen den Ausschlag
geben könnte, könnte dies Harris sogar um einen Wahlsieg bringen. Felix
Wellisch, Jerusalem
Arabische Länder: Ob Trump oder Harris ist egal
Mit einer Mischung aus Hoffnung und Gleichmut schauen viele Menschen in
arabischen Ländern auf die US-Präsidentschaftswahlen. Die Bilder der
[3][leidenden Zivilisten in Gaza und im Libanon] prägen seit über einem
Jahr den politischen Diskurs. Nun wird in Talkshows diskutiert, ob Kamala
Harris oder eher Donald Trump die Netanjahu-Regierung zu einem
Waffenstillstand zwingen könne.
Harris hatte als erste US-Politikerin ein Ende des Gaza-Krieges gefordert.
Doch als Vizepräsidentin wird sie für die weitgehende Zerstörung Gazas
mitverantwortlich gemacht.
Donald Trump wirbt um Wähler mit Wurzeln in der Region mit seiner
unorthodoxen Diplomatie. Der herzliche Empfang des Ehepaars Netanjahu bei
den Trumps in Mar-a-Lago im Juli zeigte, wo die Sympathien liegen. Mit dem
Satz „Tun Sie, was Sie müssen“ soll Trump vor den israelischen Angriffen
auf Iran im Oktober seine Solidarität bekundet haben. In seinem letzten
Telefonat mit Benjamin Netanjahu machte Trump laut Times of Israel eine
klare Ansage: „Ich will, dass der Krieg in Gaza vor der Ablegung meines
Amtseides beendet ist.“
In Gesprächen mit Trump-Beratern fällt auffällig oft der Begriff
„umstrittene“ statt „besetzte“ Gebiete. „Trump könnte die Ausweitung…
Siedlungen anerkennen, im Gegenzug für ein Ende des Krieges“, warnt ein
Berater der Palästinensischen Autonomieverwaltung in Ramallah gegenüber der
taz.
In den Golfstaaten und in Nordafrika findet die Wahl weit weniger
Beachtung. Der Prozess der Abnabelung vom Westen ist fortgeschritten, auch
die Zeit islamistischer Gruppen ist vorbei. Ein kaltschnäuziger
Pragmatismus hat Einzug gehalten.
In Tunesien, wo die Solidarität mit Hamas und Hisbollah Staatsräson ist,
startet demnächst eine Militärübung mit der US-Armee, zeitgleich wird im
Hafen Bizerte erstmals ein russisches Kriegsschiff einlaufen. „Ob Trump
oder Harris, ist uns eigentlich egal“, sagt der tunesische Analyst Mohamed
Hamad. „Die westlichen Doppelstandards haben den Glauben an den Westen
beendet.“
„Die USA werden nicht mehr nur als Verbündeter Israels gesehen“, sagt
Makram Rabah, der an der amerikanischen Universität in Beirut Geschichte
lehrt. „Sondern als die treibende Kraft hinter der tödlichen Feuerwalze,
mit der Netanjahu Großisrael durchsetzen will.“
Doch Rabah steht wie viele Libanesen und Palästinenser auch Hisbollah und
Hamas kritisch gegenüber. „Die arabische Straße hofft vage darauf, dass
nach dem Ende des Wahlkampfes sowohl die iranische Hegemonie als auch die
israelische Besatzung Palästinas beendet wird.“ Mirco Keilberth, Tunis
Ukraine: Selenskyj geht in Deckung
In der Ukraine ist es kein Geheimnis, dass man eine Präsidentin Kamala
Harris einem Präsidenten Donald Trump vorziehen würde. Doch diese Präferenz
wird nicht offen ausgesprochen – der Fehler von 2016, als nahezu die
gesamte politische Elite für Hillary Clinton Partei ergriff, bleibt in
Erinnerung. Nach Trumps Sieg löschten viele rasch ihre Clinton-freundlichen
Posts.
Diesmal will sich niemand mit den Republikanern überwerfen. Die waren
verstimmt, als Präsident [4][Wolodymyr Selenskyj bei seinem jüngsten
USA-Besuch] eine Waffenfabrik besuchte und ausschließlich Politiker der
Demokraten ihn begleiteten.
„Harris ist eine erfahrene Politikerin. Sie versteht ihr Handwerk. Trump
mag ein guter Geschäftsmann sein, aber das macht ihn nicht automatisch zu
einem guten Politiker. Ich bin für Harris, sie ist berechenbar“, meint
Journalistin Nastena.
Berufssoldat Stanislaw sieht das etwas anders: „Trump ist wenigstens
ehrlich. Er sagt ‚America first‘. Die Demokraten denken das auch, aber sie
tun so, als stünden sie hinter uns. An der Front bekommen wir vom Westen
veraltete Waffen, die er selbst nicht mehr will. Der Westen ist auf der
Seite des Westens, seine Interessen bleiben die gleichen, unabhängig davon,
wer gewählt wird. Ich glaube daher nicht, dass diese Wahl viel für uns
ändern wird.“
Zu den wenigen öffentlichen Persönlichkeiten, die sich offen für Trump
aussprechen, zählt Sergij Jagodsinskiy, Prorektor der Europäischen
Universität in Kyjiw. Trump sei ein guter Geschäftsmann, habe Charisma und
zeige Offenheit. Ihm gefällt es, dass Trump den ukrainischen Präsidenten in
seinem Haus empfangen habe und offen von seinem Wunsch nach Frieden in der
Ukraine spreche. „Trump trägt keine Maske, er ist authentisch“, sagt
Jagodsinskiy auf Youtube und fügt hinzu, dass er nicht glaube, dass Harris
Putin die Stirn bieten könne. Bernhard Clasen, Kyjiw
Russland: Putin spielt den Troll
In Russland tut man so, als sei der Wahlausgang völlig egal. Präsident
Wladimir Putin betont immer wieder, dass die USA in Russland immer nur den
„Feind“ sähen, bevor er ausholt, wofür die USA verantwortlich seien – in
den Augen Moskaus für alles Schlechte in der Welt.
Außenminister Sergei Lawrow sagt: „Im Großen und Ganzen ist es egal, wer
das Rennen macht. Das amerikanische Polit-Establishment, unabhängig von
seiner Parteizugehörigkeit, betrachtet Russland als Feind und existenzielle
Bedrohung.“
Die Signale aus Moskau sind absichtlich widersprüchlich. [5][Putins
rechtsextremer Vordenker Alexander Dugin] bezeichnet Harris immer wieder
als „unzurechnungsfähige Idiotin“, die dem Satan diene. Staatliche Medien
berichten gern diffamierend über sie.
Als Joe Biden sich aus dem Wahlkampf herauszog, stellte sich Putin
öffentlichkeitswirksam auf die Seite von Harris – um sie ins Lächerliche zu
ziehen. Bei der Plenarsitzung des Wirtschaftsforums in Wladiwostok im
September sagte der Kremlchef süffisant, diese habe so ein ansteckendes
Lachen. „Es geht ihr also gut. Und wenn es Frau Harris gut geht, dann wird
sie sich hoffentlich davor zurückhalten, gegen unser Land so viele
Sanktionen einzuführen wie Präsident Trump.“ Ein klassisches Trolling,
unangemessen und provozierend,
Der Kreml will sich öffentlich nicht festlegen, obwohl Trump der russischen
Führung durchaus imponiert, vor allem darin, wie er die Allianzen im Westen
aufmischt. Dass er den Krieg in der Ukraine innerhalb von 24 Stunden
beenden will, sehen die Russen als das an, was es ist: Prahlen. Die völlig
vermurkste Beziehung zu Washington nutzt Moskau für seine antiwestliche
Rhetorik und seine Politik, wonach nur das zählt, was der Kremlherrscher
sich in den Kopf gesetzt hat: die Weltordnung nach seinem Gutdünken
umzuformen. Inna Hartwich, Moskau
Chinas Kalkül und Taiwans Ängste
In Chinas offizieller Politik glauben die meisten, dass es sich bei der
Wahl zwischen Donald Trump und Kamala Harris lediglich um eine Wahl
zwischen Pest und Cholera handelt. Sowohl die Demokraten als auch die
Republikaner wollten China in seinem legitimen Aufstieg behindern, ist die
Auffassung im Regierungsviertel Zhongnanhai.
Spätestens seit März 2023 ist dies offizielle Staatsdoktrin. Da erhob Xi
Jinping den Vorwurf: „Die westlichen Länder, angeführt von den Vereinigten
Staaten, haben eine umfassende Eindämmung und Unterdrückung unseres Landes
betrieben, was unsere Entwicklung in nie dagewesener Weise behindert hat“.
In seiner ersten Präsidentschaft riss Trump einen [6][Handelskrieg gegen
die Chinesen] vom Zaun. Joe Biden führte den Kurs konsequent fort, setzte
jedoch auf Tech-Sanktionen. Zudem hat er massiven Druck auf seine
Verbündeten ausgeübt, insbesondere Taiwan und Südkorea, keine sensible
Technologie mehr an Peking zu exportieren.
Diese Politik würde Kamala Harris grundsätzlich fortführen. Was die
Demokratin aus chinesischer Sicht als Pluspunkt verbuchen kann: Sie wäre
vorhersehbarer, da sie die diplomatischen Konventionen einhält und für
Kontinuität steht.
Trump hingegen ist unberechenbar. Und doch bietet er für Peking
gleichzeitig eine historische Chance. Schließlich hat er in diesem
Wahlkampf bereits für Irritationen im Indo-Pazifik gesorgt. So behauptete
er etwa Mitte Oktober, dass er Südkorea dazu zwingen würde, künftig
jährlich zehn Milliarden Dollar für die US-Militärpräsenz im Land zu
zahlen. Im nächsten Satz bezeichnete er Südkorea als „Geldmaschine“.
Solche Aussagen sind für Peking diplomatisches Gold. Trump erweist damit
nicht nur den westlichen Werten einen Bärendienst, sondern desillusioniert
auch die chinesische Bevölkerung selbst stärker, als es die Staatsmedien
mit ihrer plumpen Propaganda könnten.
Trump hat auch Taiwan damit gedroht, die militärische Unterstützung seitens
der USA herunterzufahren. Er verlangt, dass die Taiwaner 10 Prozent ihres
BIP in ihre Verteidigung stecken und hat mehrfach die Ostasiaten
beschuldigt, die einst führende US-Halbleiter-Industrie „gestohlen“ zu
haben.
Es wäre also anzunehmen, dass die US-Alliierten in Ostasien mehrheitlich
auf der Seite Kamala Harris stünden. Doch in Südkorea wünschen sich
ausgerechnet Teile der linken Opposition lieber Trump im Weißen Haus. Er
war schließlich der erste US-Präsident, der einem nordkoreanischen
Machthaber zum Gipfeltreffen die Hand ausgestreckt hat. Selbst wenn die
Trump-Kim-Annäherung schon bald spektakulär scheiterte, so brachen doch
zumindest kurzzeitig die verhärteten Fronten in dem jahrzehntealten
Konflikt auf.
Gleichzeitig erfreut sich Trump wegen seines authentischen, selbstbewussten
und auch exzentrischen Auftretens durchaus großer Beliebtheit bei eher
apolitischen Chinesen. Diese feiern den Republikaner wie eine Comic-Figur.
Davon zeugen Internet-Memes und Trump-Souvenirs.
Das ist durchaus beachtlich, denn in den Fernsehnachrichten des
Staatsfernsehens wird über die Vereinigten Staaten grundsätzlich in
geradezu apokalyptischem Tonfall berichtet: chaotisch, gefährlich, im
Niedergang begriffen. Aber als etwa am 25. Oktober die nationalistische
Parteizeitung „Global Times“ wie praktisch jeden Tag einen
anti-amerikanischen Leitartikel veröffentlichte, reagierten die User vor
allem mit Häme.
„Ist das nicht ein merkwürdiges Phänomen? Die Reichen fliehen alle in die
USA, während die Armen sagen, dass Amerika böse ist“, lautete ein
Kommentar. Denn führende Propagandisten der Staatsmedien haben Häuser in
den USA erworben und lassen dort ihre Kinder studieren.
Lynn Song, Chef-Ökonom für die niederländische ING-Bank, kommt nach
etlichen Gesprächen mit Klienten in China zum Ergebnis, dass „sich die
Mehrheit der Befragten für Trump ausgesprochen“ habe. Von Trump wird eine
harte Wirtschaftspolitik erwartet, jedoch dürften die politischen
Restriktionen gegenüber China sanfter ausfallen, als unter Harris, die sich
stärker für Menschenrechtsthemen interessiert. Ihr Vizekandidat Tim Walz
hat sich in seiner politischen Laufbahn immer wieder stark für die
chinesische Demokratiebewegung eingesetzt. Fabian Kretschmer, Seoul
Balkan: Kommt mit Trump Großserbien?
Schaut man von der US-Botschaft in Sarajevo auf den gegenüberliegenden
Berghang, erinnert es ein bisschen an Berlin vor dem Mauerfall. Hie der
amerikanische Sektor, da der russische. Hüben die [7][Institutionen von
Bosnien und Herzegowina], drüben die der Teilrepublik Republika Srpska.
Die Grenze zwischen dem westlichen und dem östlichen Lager zieht sich durch
den gesamten Balkan und könnte mit dem Ausgang der Wahlen in den USA
gefährlich verschoben werden.
In Pro-Putin-Autokratien wie Serbien setzen starke Strömungen auf Donald
Trump. Denn dann würden Fesseln wegfallen, die den Durchbruch zu offen
nationalistisch-autokratischen Positionen heute noch begrenzen. Versucht
die jetzige US-Regierung immerhin noch, sich gegen die offene
Verherrlichung von Kriegsverbrechen zu positionieren, wären bei einem Sieg
Trumps Oppositionelle und sexuelle Minderheit physisch bedroht.
Schwelende Kriegsdrohungen könnten offen ausgesprochen werden. Serbien hat
in den letzten Jahren stark aufgerüstet. Und pünktlich zum US-Wahltag hat
die Republika Srpska gerade beschlossen, in ihrer Teilrepublik von Bosnien
und Herzegowina die Flagge und Hymne des Staates Serbien einzuführen. Das
ist ein Schritt in Richtung Großserbien.
Schon in seiner ersten Präsidentschaft trat Trump für einen
Gebietsaustausch zwischen Serbien und Kosovo ein, was die Veränderung von
Grenzen auf dem Balkan mit all den damit verbundenen Gefahren bedeuten
würde. Heute wäre das ungleich gefährlicher.
Würde Ungarns Orbán dann seine Finger vom rumänischen Transsilvanien
lassen? Würde die albanische Minderheit in Nordmazedonien den Anschluss an
Albanien verlangen? Würde Serbien Montenegro übernehmen?
Alle demokratischen Parteien und Strömungen hoffen somit auf Kamala Harris,
auch wenn ihre Position in vielen Fragen vage ist. Würde sie Kosovo
nachhaltig unterstützen? Wird sie an der Staatlichkeit von Bosnien und
Herzegowina festhalten oder neigt sie einer nationalistischen Aufteilung
des Landes zu?
Über allem schwebt der Ausgang des Krieges in der Ukraine. Ob die USA die
Ukraine weiter so unterstützen, dass sich das Land halten kann, wird sich
direkt auf die politische Geografie auf dem Balkan und damit auf ganz
Europa auswirken.
Von Europa erhoffen sich die liberal-demokratischen und
zivilgesellschaftlichen Kräfte kaum noch Impulse. Vor allem die
bosniakisch-muslimische Bevölkerung in Bosnien setzt sich im Gegensatz zu
kroatischen und serbischen Extremisten zwar immer noch für die Durchsetzung
europäischer Werte wie Rechtsstaatlichkeit ein, ist aber angesichts des
Gazakrieges innerlich zerrissen.
Auch bisher stabile prowestliche Staaten kippen scharf nach rechts. Ungarn
unter Viktor Orbán ist für manche Kräfte in Kroatien, Bulgarien und
anderswo in Osteuropa offenbar ein Vorbild. Unter Zoran Milanovic weigert
sich Kroatien, Soldaten für die Nato bereitzustellen. Nachdem es Orban
mehrfach gelungen ist, die EU erfolgreich zu erpressen, scheint die EU für
diese Leute nur noch ein Vehikel zu sein, um eigene Interessen
durchzusetzen. Erich Rathfelder, Sarajevo
Afrika: Investieren ja, einmischen nein
Kein afrikanischer Führer stellt sich öffentlich hinter Donald Trump oder
Kamala Harris, und Afrika kommt im US-Wahlkampf nicht vor. Aber wer die
US-Wahlen gewinnt, wird zweifellos einen Einfluss auf Afrika haben, da die
politischen und ökonomischen Verbindungen nach wie vor eng sind.
Das würde man nicht denken, wenn man das Weiße Haus und seine
Geringschätzung Afrikas beobachtet. Der letzte US-Präsident, der Afrika
besuchte, war Barack Obama 2015. Joe Biden wollte im Oktober nach Angola
kommen, der Besuch sollte die Bedeutung der afrikanischen Partner für die
USA und den Willen zu gemeinsamem Engagement unterstreichen, hieß es
damals. Dann sagte Biden die Reise wegen eines Wirbelsturms ab. Der Besuch
ist auf Dezember verschoben.
„Sollte Kamala Harris bis dahin die Wahl verloren haben, könnte dieser
Besuch unbedeutend werden“, sagt der angolanische Kommentator Maico Borba.
Sollte Harris aber Präsidentin werden, dürften US-Investitionen in Angola
zunehmen. Das Land steht im Zentrum der Rivalität zwischen USA und China.
Das milliardenschwere Investitionsprojekt „Lobito Corridor“ zum Bau von
[8][Eisenbahnlinien von Angolas Atlantiküste] zu den Bergbaugebieten der
Demokratischen Republik Kongo und Sambias ist das größte
US-Investitionsvorhaben in Afrika. Unter Trump gilt seine Fortführung als
unsicher.
„Für Kontinuität ist es wichtig, dass die aktuelle US-Regierung an der
Macht bleibt“, sagt Analyst Brian Jere in Sambia. Kamala Harris besuchte im
März und April 2023 Sambia, Tansania sowie Ghana, um US-Investitionen zu
fördern. Sie sagte Hilfe bei der Terrorbekämpfung in Westafrika zu sowie
Investitionen in Landwirtschaft und Kampf gegen den Klimawandel.
2022 hatte das US-Afrikakommando Africom bereits die Eröffnung einer
Zweigstelle an der US-Botschaft in Sambia angekündigt. Das hat Misstrauen
in einigen anderen Ländern des südlichen Afrika hervorgerufen, die Sambia
nun als Sicherheitsrisiko wahrnehmen.
Wichtig für viele Länder ist die Zukunft des African Growth and Opportunity
Act (Agoa), das den meisten afrikanischen Ländern zollfreien Zugang ihrer
Exporte zu den US-Märkten gewährleistet. 2025 läuft Agoa aus. Biden hat
sich für eine Verlängerung ausgesprochen, Harris dürfte das umsetzen. Bei
Trump wäre das nicht garantiert.
Südafrika als größte Volkswirtschaft ist für eine Verlängerung von Agoa. Es
nahm am 21. Agoa-Forum in Washington im Juli teil und erklärte das als
wichtig für die „Verstärkung der starken Wirtschaftsbeziehungen zwischen
Südafrika und den USA und unserem afrikanischen Kontinent“, wie
Handelsminister Parks Tau sagte.
Aber Südafrika ist auch ein Gegner der US-Außenpolitik, unterstützt
Palästina gegen Israel und neigt eher zu Russland als zur Ukraine.
Der Biden-Regierung wird zugutegehalten, einige Schäden zu reparieren, die
Trumps erste Präsidentschaft 2017-21 in Afrika hinterließ. 2018 wurde Trump
mit der Bezeichnung Afrikas als „shithole countries“ zitiert und er warf
Afrika vor, die Migrationskrise der USA zu verschärfen.
Sowohl Trump als auch Harris „befördern eine imperialistische Agenda“, sagt
der südafrikanische Kommentator Sifiso Mkhize. Er ist dafür, dass ganz
Afrika sich dem Brics-Bündnis anschließt. „Aber Ghana, die Elfenbeinküste
und Kenia sind auf US-Kurs.“
Und in Simbabwe kritisiert der regierungstreue Kommentator Danai Manyeruke,
die USA würden afrikanische Länder sanktionieren, weil sie LGBTIQA+-Rechte
nicht anerkennen. „China macht einfach Geschäfte, ohne uns zu drohen. Als
Afrikaner wissen wir, dass diese Wahl Afrika nichts bringen wird.“
Tintswalo Baloyi, Johannesburg
Lateinamerika: Rechtspopulismus und Klimapolitik
Kurz vor den US-Wahlen übt keiner in Lateinamerika so demonstrativ den
Schulterschluss mit Donald Trump wie [9][Argentiniens Präsident Javier
Milei]. „Sie waren ein großer Präsident, und ich hoffe, Sie werden es
wieder sein“, sagte er, als die beiden sich am Rande der Conservative
Political Action Conference (CPAC) in Washington im vergangenen Februar 90
Sekunden lang die Hände schüttelten.
Milei erwartet vor allem einen neuen Milliardenkredit vom Internationalen
Währungsfonds (IWF), ohne den er die bestehenden Devisenbeschränkungen
nicht aufheben kann. Dazu muss die US-Regierung zustimmen. Schließlich war
es Trump, der dem damaligen argentinischen Präsidenten Mauricio Macri einen
55-Milliarden-Dollar-Kredit des IWF ermöglichte.
In Stellung brachte sich Milei vergangene Woche, als er seine
Außenministerin feuerte. Diana Mondino hatte bei der UN-Generalversammlung
für die Aufhebung der US-Sanktionen gegen Kuba gestimmt, wie es Argentinien
immer tut, wenn dieses Thema dort zur Abstimmung steht. Aber das war Milei
offensichtlich nicht recht, denn damit stimmte Argentinien gegen die USA.
In Brasilien würde ein Sieg Trumps den Bolsonaristas Auftrieb geben.
Ex-Präsident Jair Bolsonaro scheint nur darauf zu warten, dass Trump wieder
ins Weiße Haus einzieht, damit er sich für die Präsidentschaftswahl 2026 in
Stellung bringen kann.
Präsident Lula da Silva hingegen setzt auf Kamala Harris, wenn auch nicht
offen. Der scheidende US-Präsident Joe Biden hatte ihm bei dem
Putschversuch gegen seinen Amtsantritt im Januar 2023 öffentlich
Unterstützung zugesichert und damit maßgeblich dazu beigetragen, dass sich
das brasilianische Militär ruhig verhielt. Eine Präsidentin Harris würde
sicher nicht anders handeln. Und sie wäre offen für Lulas Amazonasschutz-
und Klimapolitik, die mit Trump keine Basis hätte.
In Sachen Migration ist Mexiko als direkter Nachbar am meisten betroffen.
Trump hat bereits in seiner ersten Amtszeit die Migrations- und Asylpolitik
verschärft und im Wahlkampf weitere restriktive Maßnahmen angekündigt.
In Lateinamerika setzen daher viele ihre Hoffnungen auf eine mögliche
Präsidentin Harris und ein offeneres Verhältnis der nächsten US-Regierung
zur neuen mexikanischen Präsidentin Claudia Sheinbaum. Jürgen Vogt, Buenos
Aires
5 Nov 2024
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