| # taz.de -- taz-Korrespondenten blicken auf die USA: Was bedeutet die US-Wahl f… | |
| > In den globalen Brennpunkten könnte die Wahl zwischen Trump und Harris | |
| > Kriege entscheiden. Manche erwarten von den USA aber gar nichts. Ein | |
| > Überblick. | |
| Bild: Harris und Trump verewigt von einem Kunstlehrer in Mumbai | |
| Israel: Mehr Vertrauen in Trump | |
| Dass Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu auf einen Sieg Trumps | |
| hofft, ist ein offenes Geheimnis. Auch rund zwei Drittel der israelischen | |
| Bevölkerung wünschen sich laut einer aktuellen Umfrage des Senders Kanal 12 | |
| den Republikaner als nächsten US-Präsidenten. Für Harris würde nicht einmal | |
| jeder Fünfte stimmen. Nur 20 Prozent der Israelis glauben, dass Harris für | |
| die Sicherheit Israels gut wäre, gegenüber 58 Prozent für Trump. | |
| Was sich Netanjahu von Trump erwartet, ist klar: freie Hand in Gaza und im | |
| Libanon. Trumps erste Amtszeit war bereits von diplomatischen Tabubrüchen | |
| zugunsten Israels geprägt: [1][Er verlegte die US-Botschaft nach | |
| Jerusalem], erkannte die völkerrechtswidrige israelische [2][Annexion der | |
| Golan-Höhen an] und nahm eine aggressive Haltung gegenüber Iran ein. | |
| Trumps ehemaliger Nationale Sicherheitsberater John Bolton warnte jetzt | |
| aber, dass die Unterstützung aus Trumps erster Amtszeit nicht für die | |
| zweite garantiert sei. Trump sei nicht berechenbar, habe | |
| „Wahnvorstellungen“ und „keinen Schimmer, was er im Nahen Osten tun soll�… | |
| Die Unterstützung Israels seitens des scheidenden selbsternannten Zionisten | |
| Joe Biden oder einer Nachfolgerin Harris hingegen ist zwar zuverlässig, | |
| aber mit Mahnungen verbunden: humanitäre Hilfe zulassen, die Bevölkerung | |
| von Gaza schützen, sich gegenüber Iran zurückhalten. Gegenwärtig läuft | |
| eine Frist, die humanitäre Lage in Gaza zu verbessern oder die | |
| US-Waffenlieferungen zur Debatte zu stellen. | |
| Manche in Israel fürchten, dass eine Präsidentin Harris dem zunehmend | |
| israelkritischen Flügel der Demokraten folgen könnte. Ein signifikanter | |
| Teil der arabischstämmigen US-Bürger werfen Harris und Biden die | |
| Unterstützung eines Völkermords in Gaza vor und rufen zur Stimmabgabe für | |
| die Demokratin auf. | |
| In entscheidenden Swing States mit einer signifikanten arabischstämmigen | |
| Bevölkerungsgruppe wie Michigan, wo wenige Tausend Stimmen den Ausschlag | |
| geben könnte, könnte dies Harris sogar um einen Wahlsieg bringen. Felix | |
| Wellisch, Jerusalem | |
| Arabische Länder: Ob Trump oder Harris ist egal | |
| Mit einer Mischung aus Hoffnung und Gleichmut schauen viele Menschen in | |
| arabischen Ländern auf die US-Präsidentschaftswahlen. Die Bilder der | |
| [3][leidenden Zivilisten in Gaza und im Libanon] prägen seit über einem | |
| Jahr den politischen Diskurs. Nun wird in Talkshows diskutiert, ob Kamala | |
| Harris oder eher Donald Trump die Netanjahu-Regierung zu einem | |
| Waffenstillstand zwingen könne. | |
| Harris hatte als erste US-Politikerin ein Ende des Gaza-Krieges gefordert. | |
| Doch als Vizepräsidentin wird sie für die weitgehende Zerstörung Gazas | |
| mitverantwortlich gemacht. | |
| Donald Trump wirbt um Wähler mit Wurzeln in der Region mit seiner | |
| unorthodoxen Diplomatie. Der herzliche Empfang des Ehepaars Netanjahu bei | |
| den Trumps in Mar-a-Lago im Juli zeigte, wo die Sympathien liegen. Mit dem | |
| Satz „Tun Sie, was Sie müssen“ soll Trump vor den israelischen Angriffen | |
| auf Iran im Oktober seine Solidarität bekundet haben. In seinem letzten | |
| Telefonat mit Benjamin Netanjahu machte Trump laut Times of Israel eine | |
| klare Ansage: „Ich will, dass der Krieg in Gaza vor der Ablegung meines | |
| Amtseides beendet ist.“ | |
| In Gesprächen mit Trump-Beratern fällt auffällig oft der Begriff | |
| „umstrittene“ statt „besetzte“ Gebiete. „Trump könnte die Ausweitung… | |
| Siedlungen anerkennen, im Gegenzug für ein Ende des Krieges“, warnt ein | |
| Berater der Palästinensischen Autonomieverwaltung in Ramallah gegenüber der | |
| taz. | |
| In den Golfstaaten und in Nordafrika findet die Wahl weit weniger | |
| Beachtung. Der Prozess der Abnabelung vom Westen ist fortgeschritten, auch | |
| die Zeit islamistischer Gruppen ist vorbei. Ein kaltschnäuziger | |
| Pragmatismus hat Einzug gehalten. | |
| In Tunesien, wo die Solidarität mit Hamas und Hisbollah Staatsräson ist, | |
| startet demnächst eine Militärübung mit der US-Armee, zeitgleich wird im | |
| Hafen Bizerte erstmals ein russisches Kriegsschiff einlaufen. „Ob Trump | |
| oder Harris, ist uns eigentlich egal“, sagt der tunesische Analyst Mohamed | |
| Hamad. „Die westlichen Doppelstandards haben den Glauben an den Westen | |
| beendet.“ | |
| „Die USA werden nicht mehr nur als Verbündeter Israels gesehen“, sagt | |
| Makram Rabah, der an der amerikanischen Universität in Beirut Geschichte | |
| lehrt. „Sondern als die treibende Kraft hinter der tödlichen Feuerwalze, | |
| mit der Netanjahu Großisrael durchsetzen will.“ | |
| Doch Rabah steht wie viele Libanesen und Palästinenser auch Hisbollah und | |
| Hamas kritisch gegenüber. „Die arabische Straße hofft vage darauf, dass | |
| nach dem Ende des Wahlkampfes sowohl die iranische Hegemonie als auch die | |
| israelische Besatzung Palästinas beendet wird.“ Mirco Keilberth, Tunis | |
| Ukraine: Selenskyj geht in Deckung | |
| In der Ukraine ist es kein Geheimnis, dass man eine Präsidentin Kamala | |
| Harris einem Präsidenten Donald Trump vorziehen würde. Doch diese Präferenz | |
| wird nicht offen ausgesprochen – der Fehler von 2016, als nahezu die | |
| gesamte politische Elite für Hillary Clinton Partei ergriff, bleibt in | |
| Erinnerung. Nach Trumps Sieg löschten viele rasch ihre Clinton-freundlichen | |
| Posts. | |
| Diesmal will sich niemand mit den Republikanern überwerfen. Die waren | |
| verstimmt, als Präsident [4][Wolodymyr Selenskyj bei seinem jüngsten | |
| USA-Besuch] eine Waffenfabrik besuchte und ausschließlich Politiker der | |
| Demokraten ihn begleiteten. | |
| „Harris ist eine erfahrene Politikerin. Sie versteht ihr Handwerk. Trump | |
| mag ein guter Geschäftsmann sein, aber das macht ihn nicht automatisch zu | |
| einem guten Politiker. Ich bin für Harris, sie ist berechenbar“, meint | |
| Journalistin Nastena. | |
| Berufssoldat Stanislaw sieht das etwas anders: „Trump ist wenigstens | |
| ehrlich. Er sagt ‚America first‘. Die Demokraten denken das auch, aber sie | |
| tun so, als stünden sie hinter uns. An der Front bekommen wir vom Westen | |
| veraltete Waffen, die er selbst nicht mehr will. Der Westen ist auf der | |
| Seite des Westens, seine Interessen bleiben die gleichen, unabhängig davon, | |
| wer gewählt wird. Ich glaube daher nicht, dass diese Wahl viel für uns | |
| ändern wird.“ | |
| Zu den wenigen öffentlichen Persönlichkeiten, die sich offen für Trump | |
| aussprechen, zählt Sergij Jagodsinskiy, Prorektor der Europäischen | |
| Universität in Kyjiw. Trump sei ein guter Geschäftsmann, habe Charisma und | |
| zeige Offenheit. Ihm gefällt es, dass Trump den ukrainischen Präsidenten in | |
| seinem Haus empfangen habe und offen von seinem Wunsch nach Frieden in der | |
| Ukraine spreche. „Trump trägt keine Maske, er ist authentisch“, sagt | |
| Jagodsinskiy auf Youtube und fügt hinzu, dass er nicht glaube, dass Harris | |
| Putin die Stirn bieten könne. Bernhard Clasen, Kyjiw | |
| Russland: Putin spielt den Troll | |
| In Russland tut man so, als sei der Wahlausgang völlig egal. Präsident | |
| Wladimir Putin betont immer wieder, dass die USA in Russland immer nur den | |
| „Feind“ sähen, bevor er ausholt, wofür die USA verantwortlich seien – in | |
| den Augen Moskaus für alles Schlechte in der Welt. | |
| Außenminister Sergei Lawrow sagt: „Im Großen und Ganzen ist es egal, wer | |
| das Rennen macht. Das amerikanische Polit-Establishment, unabhängig von | |
| seiner Parteizugehörigkeit, betrachtet Russland als Feind und existenzielle | |
| Bedrohung.“ | |
| Die Signale aus Moskau sind absichtlich widersprüchlich. [5][Putins | |
| rechtsextremer Vordenker Alexander Dugin] bezeichnet Harris immer wieder | |
| als „unzurechnungsfähige Idiotin“, die dem Satan diene. Staatliche Medien | |
| berichten gern diffamierend über sie. | |
| Als Joe Biden sich aus dem Wahlkampf herauszog, stellte sich Putin | |
| öffentlichkeitswirksam auf die Seite von Harris – um sie ins Lächerliche zu | |
| ziehen. Bei der Plenarsitzung des Wirtschaftsforums in Wladiwostok im | |
| September sagte der Kremlchef süffisant, diese habe so ein ansteckendes | |
| Lachen. „Es geht ihr also gut. Und wenn es Frau Harris gut geht, dann wird | |
| sie sich hoffentlich davor zurückhalten, gegen unser Land so viele | |
| Sanktionen einzuführen wie Präsident Trump.“ Ein klassisches Trolling, | |
| unangemessen und provozierend, | |
| Der Kreml will sich öffentlich nicht festlegen, obwohl Trump der russischen | |
| Führung durchaus imponiert, vor allem darin, wie er die Allianzen im Westen | |
| aufmischt. Dass er den Krieg in der Ukraine innerhalb von 24 Stunden | |
| beenden will, sehen die Russen als das an, was es ist: Prahlen. Die völlig | |
| vermurkste Beziehung zu Washington nutzt Moskau für seine antiwestliche | |
| Rhetorik und seine Politik, wonach nur das zählt, was der Kremlherrscher | |
| sich in den Kopf gesetzt hat: die Weltordnung nach seinem Gutdünken | |
| umzuformen. Inna Hartwich, Moskau | |
| Chinas Kalkül und Taiwans Ängste | |
| In Chinas offizieller Politik glauben die meisten, dass es sich bei der | |
| Wahl zwischen Donald Trump und Kamala Harris lediglich um eine Wahl | |
| zwischen Pest und Cholera handelt. Sowohl die Demokraten als auch die | |
| Republikaner wollten China in seinem legitimen Aufstieg behindern, ist die | |
| Auffassung im Regierungsviertel Zhongnanhai. | |
| Spätestens seit März 2023 ist dies offizielle Staatsdoktrin. Da erhob Xi | |
| Jinping den Vorwurf: „Die westlichen Länder, angeführt von den Vereinigten | |
| Staaten, haben eine umfassende Eindämmung und Unterdrückung unseres Landes | |
| betrieben, was unsere Entwicklung in nie dagewesener Weise behindert hat“. | |
| In seiner ersten Präsidentschaft riss Trump einen [6][Handelskrieg gegen | |
| die Chinesen] vom Zaun. Joe Biden führte den Kurs konsequent fort, setzte | |
| jedoch auf Tech-Sanktionen. Zudem hat er massiven Druck auf seine | |
| Verbündeten ausgeübt, insbesondere Taiwan und Südkorea, keine sensible | |
| Technologie mehr an Peking zu exportieren. | |
| Diese Politik würde Kamala Harris grundsätzlich fortführen. Was die | |
| Demokratin aus chinesischer Sicht als Pluspunkt verbuchen kann: Sie wäre | |
| vorhersehbarer, da sie die diplomatischen Konventionen einhält und für | |
| Kontinuität steht. | |
| Trump hingegen ist unberechenbar. Und doch bietet er für Peking | |
| gleichzeitig eine historische Chance. Schließlich hat er in diesem | |
| Wahlkampf bereits für Irritationen im Indo-Pazifik gesorgt. So behauptete | |
| er etwa Mitte Oktober, dass er Südkorea dazu zwingen würde, künftig | |
| jährlich zehn Milliarden Dollar für die US-Militärpräsenz im Land zu | |
| zahlen. Im nächsten Satz bezeichnete er Südkorea als „Geldmaschine“. | |
| Solche Aussagen sind für Peking diplomatisches Gold. Trump erweist damit | |
| nicht nur den westlichen Werten einen Bärendienst, sondern desillusioniert | |
| auch die chinesische Bevölkerung selbst stärker, als es die Staatsmedien | |
| mit ihrer plumpen Propaganda könnten. | |
| Trump hat auch Taiwan damit gedroht, die militärische Unterstützung seitens | |
| der USA herunterzufahren. Er verlangt, dass die Taiwaner 10 Prozent ihres | |
| BIP in ihre Verteidigung stecken und hat mehrfach die Ostasiaten | |
| beschuldigt, die einst führende US-Halbleiter-Industrie „gestohlen“ zu | |
| haben. | |
| Es wäre also anzunehmen, dass die US-Alliierten in Ostasien mehrheitlich | |
| auf der Seite Kamala Harris stünden. Doch in Südkorea wünschen sich | |
| ausgerechnet Teile der linken Opposition lieber Trump im Weißen Haus. Er | |
| war schließlich der erste US-Präsident, der einem nordkoreanischen | |
| Machthaber zum Gipfeltreffen die Hand ausgestreckt hat. Selbst wenn die | |
| Trump-Kim-Annäherung schon bald spektakulär scheiterte, so brachen doch | |
| zumindest kurzzeitig die verhärteten Fronten in dem jahrzehntealten | |
| Konflikt auf. | |
| Gleichzeitig erfreut sich Trump wegen seines authentischen, selbstbewussten | |
| und auch exzentrischen Auftretens durchaus großer Beliebtheit bei eher | |
| apolitischen Chinesen. Diese feiern den Republikaner wie eine Comic-Figur. | |
| Davon zeugen Internet-Memes und Trump-Souvenirs. | |
| Das ist durchaus beachtlich, denn in den Fernsehnachrichten des | |
| Staatsfernsehens wird über die Vereinigten Staaten grundsätzlich in | |
| geradezu apokalyptischem Tonfall berichtet: chaotisch, gefährlich, im | |
| Niedergang begriffen. Aber als etwa am 25. Oktober die nationalistische | |
| Parteizeitung „Global Times“ wie praktisch jeden Tag einen | |
| anti-amerikanischen Leitartikel veröffentlichte, reagierten die User vor | |
| allem mit Häme. | |
| „Ist das nicht ein merkwürdiges Phänomen? Die Reichen fliehen alle in die | |
| USA, während die Armen sagen, dass Amerika böse ist“, lautete ein | |
| Kommentar. Denn führende Propagandisten der Staatsmedien haben Häuser in | |
| den USA erworben und lassen dort ihre Kinder studieren. | |
| Lynn Song, Chef-Ökonom für die niederländische ING-Bank, kommt nach | |
| etlichen Gesprächen mit Klienten in China zum Ergebnis, dass „sich die | |
| Mehrheit der Befragten für Trump ausgesprochen“ habe. Von Trump wird eine | |
| harte Wirtschaftspolitik erwartet, jedoch dürften die politischen | |
| Restriktionen gegenüber China sanfter ausfallen, als unter Harris, die sich | |
| stärker für Menschenrechtsthemen interessiert. Ihr Vizekandidat Tim Walz | |
| hat sich in seiner politischen Laufbahn immer wieder stark für die | |
| chinesische Demokratiebewegung eingesetzt. Fabian Kretschmer, Seoul | |
| Balkan: Kommt mit Trump Großserbien? | |
| Schaut man von der US-Botschaft in Sarajevo auf den gegenüberliegenden | |
| Berghang, erinnert es ein bisschen an Berlin vor dem Mauerfall. Hie der | |
| amerikanische Sektor, da der russische. Hüben die [7][Institutionen von | |
| Bosnien und Herzegowina], drüben die der Teilrepublik Republika Srpska. | |
| Die Grenze zwischen dem westlichen und dem östlichen Lager zieht sich durch | |
| den gesamten Balkan und könnte mit dem Ausgang der Wahlen in den USA | |
| gefährlich verschoben werden. | |
| In Pro-Putin-Autokratien wie Serbien setzen starke Strömungen auf Donald | |
| Trump. Denn dann würden Fesseln wegfallen, die den Durchbruch zu offen | |
| nationalistisch-autokratischen Positionen heute noch begrenzen. Versucht | |
| die jetzige US-Regierung immerhin noch, sich gegen die offene | |
| Verherrlichung von Kriegsverbrechen zu positionieren, wären bei einem Sieg | |
| Trumps Oppositionelle und sexuelle Minderheit physisch bedroht. | |
| Schwelende Kriegsdrohungen könnten offen ausgesprochen werden. Serbien hat | |
| in den letzten Jahren stark aufgerüstet. Und pünktlich zum US-Wahltag hat | |
| die Republika Srpska gerade beschlossen, in ihrer Teilrepublik von Bosnien | |
| und Herzegowina die Flagge und Hymne des Staates Serbien einzuführen. Das | |
| ist ein Schritt in Richtung Großserbien. | |
| Schon in seiner ersten Präsidentschaft trat Trump für einen | |
| Gebietsaustausch zwischen Serbien und Kosovo ein, was die Veränderung von | |
| Grenzen auf dem Balkan mit all den damit verbundenen Gefahren bedeuten | |
| würde. Heute wäre das ungleich gefährlicher. | |
| Würde Ungarns Orbán dann seine Finger vom rumänischen Transsilvanien | |
| lassen? Würde die albanische Minderheit in Nordmazedonien den Anschluss an | |
| Albanien verlangen? Würde Serbien Montenegro übernehmen? | |
| Alle demokratischen Parteien und Strömungen hoffen somit auf Kamala Harris, | |
| auch wenn ihre Position in vielen Fragen vage ist. Würde sie Kosovo | |
| nachhaltig unterstützen? Wird sie an der Staatlichkeit von Bosnien und | |
| Herzegowina festhalten oder neigt sie einer nationalistischen Aufteilung | |
| des Landes zu? | |
| Über allem schwebt der Ausgang des Krieges in der Ukraine. Ob die USA die | |
| Ukraine weiter so unterstützen, dass sich das Land halten kann, wird sich | |
| direkt auf die politische Geografie auf dem Balkan und damit auf ganz | |
| Europa auswirken. | |
| Von Europa erhoffen sich die liberal-demokratischen und | |
| zivilgesellschaftlichen Kräfte kaum noch Impulse. Vor allem die | |
| bosniakisch-muslimische Bevölkerung in Bosnien setzt sich im Gegensatz zu | |
| kroatischen und serbischen Extremisten zwar immer noch für die Durchsetzung | |
| europäischer Werte wie Rechtsstaatlichkeit ein, ist aber angesichts des | |
| Gazakrieges innerlich zerrissen. | |
| Auch bisher stabile prowestliche Staaten kippen scharf nach rechts. Ungarn | |
| unter Viktor Orbán ist für manche Kräfte in Kroatien, Bulgarien und | |
| anderswo in Osteuropa offenbar ein Vorbild. Unter Zoran Milanovic weigert | |
| sich Kroatien, Soldaten für die Nato bereitzustellen. Nachdem es Orban | |
| mehrfach gelungen ist, die EU erfolgreich zu erpressen, scheint die EU für | |
| diese Leute nur noch ein Vehikel zu sein, um eigene Interessen | |
| durchzusetzen. Erich Rathfelder, Sarajevo | |
| Afrika: Investieren ja, einmischen nein | |
| Kein afrikanischer Führer stellt sich öffentlich hinter Donald Trump oder | |
| Kamala Harris, und Afrika kommt im US-Wahlkampf nicht vor. Aber wer die | |
| US-Wahlen gewinnt, wird zweifellos einen Einfluss auf Afrika haben, da die | |
| politischen und ökonomischen Verbindungen nach wie vor eng sind. | |
| Das würde man nicht denken, wenn man das Weiße Haus und seine | |
| Geringschätzung Afrikas beobachtet. Der letzte US-Präsident, der Afrika | |
| besuchte, war Barack Obama 2015. Joe Biden wollte im Oktober nach Angola | |
| kommen, der Besuch sollte die Bedeutung der afrikanischen Partner für die | |
| USA und den Willen zu gemeinsamem Engagement unterstreichen, hieß es | |
| damals. Dann sagte Biden die Reise wegen eines Wirbelsturms ab. Der Besuch | |
| ist auf Dezember verschoben. | |
| „Sollte Kamala Harris bis dahin die Wahl verloren haben, könnte dieser | |
| Besuch unbedeutend werden“, sagt der angolanische Kommentator Maico Borba. | |
| Sollte Harris aber Präsidentin werden, dürften US-Investitionen in Angola | |
| zunehmen. Das Land steht im Zentrum der Rivalität zwischen USA und China. | |
| Das milliardenschwere Investitionsprojekt „Lobito Corridor“ zum Bau von | |
| [8][Eisenbahnlinien von Angolas Atlantiküste] zu den Bergbaugebieten der | |
| Demokratischen Republik Kongo und Sambias ist das größte | |
| US-Investitionsvorhaben in Afrika. Unter Trump gilt seine Fortführung als | |
| unsicher. | |
| „Für Kontinuität ist es wichtig, dass die aktuelle US-Regierung an der | |
| Macht bleibt“, sagt Analyst Brian Jere in Sambia. Kamala Harris besuchte im | |
| März und April 2023 Sambia, Tansania sowie Ghana, um US-Investitionen zu | |
| fördern. Sie sagte Hilfe bei der Terrorbekämpfung in Westafrika zu sowie | |
| Investitionen in Landwirtschaft und Kampf gegen den Klimawandel. | |
| 2022 hatte das US-Afrikakommando Africom bereits die Eröffnung einer | |
| Zweigstelle an der US-Botschaft in Sambia angekündigt. Das hat Misstrauen | |
| in einigen anderen Ländern des südlichen Afrika hervorgerufen, die Sambia | |
| nun als Sicherheitsrisiko wahrnehmen. | |
| Wichtig für viele Länder ist die Zukunft des African Growth and Opportunity | |
| Act (Agoa), das den meisten afrikanischen Ländern zollfreien Zugang ihrer | |
| Exporte zu den US-Märkten gewährleistet. 2025 läuft Agoa aus. Biden hat | |
| sich für eine Verlängerung ausgesprochen, Harris dürfte das umsetzen. Bei | |
| Trump wäre das nicht garantiert. | |
| Südafrika als größte Volkswirtschaft ist für eine Verlängerung von Agoa. Es | |
| nahm am 21. Agoa-Forum in Washington im Juli teil und erklärte das als | |
| wichtig für die „Verstärkung der starken Wirtschaftsbeziehungen zwischen | |
| Südafrika und den USA und unserem afrikanischen Kontinent“, wie | |
| Handelsminister Parks Tau sagte. | |
| Aber Südafrika ist auch ein Gegner der US-Außenpolitik, unterstützt | |
| Palästina gegen Israel und neigt eher zu Russland als zur Ukraine. | |
| Der Biden-Regierung wird zugutegehalten, einige Schäden zu reparieren, die | |
| Trumps erste Präsidentschaft 2017-21 in Afrika hinterließ. 2018 wurde Trump | |
| mit der Bezeichnung Afrikas als „shithole countries“ zitiert und er warf | |
| Afrika vor, die Migrationskrise der USA zu verschärfen. | |
| Sowohl Trump als auch Harris „befördern eine imperialistische Agenda“, sagt | |
| der südafrikanische Kommentator Sifiso Mkhize. Er ist dafür, dass ganz | |
| Afrika sich dem Brics-Bündnis anschließt. „Aber Ghana, die Elfenbeinküste | |
| und Kenia sind auf US-Kurs.“ | |
| Und in Simbabwe kritisiert der regierungstreue Kommentator Danai Manyeruke, | |
| die USA würden afrikanische Länder sanktionieren, weil sie LGBTIQA+-Rechte | |
| nicht anerkennen. „China macht einfach Geschäfte, ohne uns zu drohen. Als | |
| Afrikaner wissen wir, dass diese Wahl Afrika nichts bringen wird.“ | |
| Tintswalo Baloyi, Johannesburg | |
| Lateinamerika: Rechtspopulismus und Klimapolitik | |
| Kurz vor den US-Wahlen übt keiner in Lateinamerika so demonstrativ den | |
| Schulterschluss mit Donald Trump wie [9][Argentiniens Präsident Javier | |
| Milei]. „Sie waren ein großer Präsident, und ich hoffe, Sie werden es | |
| wieder sein“, sagte er, als die beiden sich am Rande der Conservative | |
| Political Action Conference (CPAC) in Washington im vergangenen Februar 90 | |
| Sekunden lang die Hände schüttelten. | |
| Milei erwartet vor allem einen neuen Milliardenkredit vom Internationalen | |
| Währungsfonds (IWF), ohne den er die bestehenden Devisenbeschränkungen | |
| nicht aufheben kann. Dazu muss die US-Regierung zustimmen. Schließlich war | |
| es Trump, der dem damaligen argentinischen Präsidenten Mauricio Macri einen | |
| 55-Milliarden-Dollar-Kredit des IWF ermöglichte. | |
| In Stellung brachte sich Milei vergangene Woche, als er seine | |
| Außenministerin feuerte. Diana Mondino hatte bei der UN-Generalversammlung | |
| für die Aufhebung der US-Sanktionen gegen Kuba gestimmt, wie es Argentinien | |
| immer tut, wenn dieses Thema dort zur Abstimmung steht. Aber das war Milei | |
| offensichtlich nicht recht, denn damit stimmte Argentinien gegen die USA. | |
| In Brasilien würde ein Sieg Trumps den Bolsonaristas Auftrieb geben. | |
| Ex-Präsident Jair Bolsonaro scheint nur darauf zu warten, dass Trump wieder | |
| ins Weiße Haus einzieht, damit er sich für die Präsidentschaftswahl 2026 in | |
| Stellung bringen kann. | |
| Präsident Lula da Silva hingegen setzt auf Kamala Harris, wenn auch nicht | |
| offen. Der scheidende US-Präsident Joe Biden hatte ihm bei dem | |
| Putschversuch gegen seinen Amtsantritt im Januar 2023 öffentlich | |
| Unterstützung zugesichert und damit maßgeblich dazu beigetragen, dass sich | |
| das brasilianische Militär ruhig verhielt. Eine Präsidentin Harris würde | |
| sicher nicht anders handeln. Und sie wäre offen für Lulas Amazonasschutz- | |
| und Klimapolitik, die mit Trump keine Basis hätte. | |
| In Sachen Migration ist Mexiko als direkter Nachbar am meisten betroffen. | |
| Trump hat bereits in seiner ersten Amtszeit die Migrations- und Asylpolitik | |
| verschärft und im Wahlkampf weitere restriktive Maßnahmen angekündigt. | |
| In Lateinamerika setzen daher viele ihre Hoffnungen auf eine mögliche | |
| Präsidentin Harris und ein offeneres Verhältnis der nächsten US-Regierung | |
| zur neuen mexikanischen Präsidentin Claudia Sheinbaum. Jürgen Vogt, Buenos | |
| Aires | |
| 5 Nov 2024 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Donald-Trumps-Erklaerung-zu-Jerusalem/!5468861 | |
| [2] /Streit-um-Golanhoehen/!5588229 | |
| [3] /Krieg-in-Nahost/!6043899 | |
| [4] /Ukrainischer-Praesident-auf-Werbetour/!6038651 | |
| [5] /Der-russische-Faschist-Alexander-Dugin/!5836919 | |
| [6] /SPD-Politiker-ueber-E-Autos/!6037092 | |
| [7] /Strategie-von-Putin-und-Vuic/!6040078 | |
| [8] /Deutsche-Investitionen-im-Kongo/!5728964 | |
| [9] /Regionale-Konferenz-in-Paraguay/!6019306 | |
| ## AUTOREN | |
| Felix Wellisch | |
| Mirco Keilberth | |
| Inna Hartwich | |
| Bernhard Clasen | |
| Fabian Kretschmer | |
| Erich Rathfelder | |
| Jürgen Vogt | |
| Tintswalo Baloyi | |
| ## TAGS | |
| US-Wahl 2024 | |
| US-Außenpolitik | |
| Kamala Harris | |
| Donald Trump | |
| Diplomatie | |
| Lesestück Recherche und Reportage | |
| GNS | |
| Schwerpunkt Krieg in der Ukraine | |
| US-Wahl 2024 | |
| Zölle | |
| US-Wahl 2024 | |
| US-Wahl 2024 | |
| Israel Defense Forces (IDF) | |
| US-Wahl 2024 | |
| US-Kongress | |
| US-Wahl 2024 | |
| Buch | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| G20-Gipfel in Rio de Janeiro: Der Wind hat sich gedreht | |
| Das Thema Ukraine steht beim G20-Gipfel nicht als Punkt auf der | |
| Tagesordnung. Bundeskanzler Scholz telefoniert nach zwei Jahren erstmals | |
| wieder mit Putin. | |
| Klimapolitik nach der US-Wahl: Fatal fürs Klima | |
| Donald Trump wird als US-Präsident nicht alles an Klimaschutz stoppen | |
| können – weil Bundesstaaten Interesse daran haben. Doch gut sieht es nicht | |
| aus. | |
| Angekündigte US-Zölle: Trumps Pläne könnten Jobs in Deutschland gefährden | |
| Um die Folgen von drohenden US-Zöllen abzufedern, sollten Bundesregierung | |
| und EU die eigene Produktion stärken, sagt Ökonom Sebastian Dullien. | |
| Ukraine-Krieg nach Trumps Wahlsieg: Auf sich allein gestellt | |
| Der künftige US-Präsident Trump will einen Deal mit Putin. Damit verfiele | |
| die Ukraine zum Marionettenstaat. Auch die Einheit der EU steht auf dem | |
| Spiel. | |
| US-Wahl in den sozialen Medien: Die Schlammschlacht | |
| Der US-Wahlkampf wurde auch im Netz ausgetragen, inclusive Betrugsvorwürfe. | |
| Trump-Unterstützer Elon Musk meldete Rekordzugriffe auf seiner Plattform X. | |
| Netanjahu feuert Verteidigungsminister: Letzte Gegenstimme erstummt | |
| Israels Premier feuert mit Verteidigungsminister Galant seinen letzten | |
| Widersacher in der Regierung. Nachfolger Katz steht Netanjahu deutlich | |
| näher. | |
| Geopolitik der US-Wahlen: Am Ende der alten Welt | |
| Ihre globale Führungsrolle haben die USA verloren. Welche Rolle werden sie | |
| künftig spielen? Trump und Harris stehen für unterschiedliche Konzepte. | |
| US-Präsidentschaftswahl: Enges Rennen auch um den Kongress | |
| Parallel zur Präsidentschaftswahl am Dienstag wählen die USA auch einen | |
| Teil des Senats und das Repräsentantenhaus neu. Ohio ist besonders | |
| umkämpft. | |
| US-Wahl-Wetten: Zocken auf den Trump-Sieg | |
| Auf der Wettplattform Polymarket werden hohe Summen auf die US-Wahl | |
| gesetzt, vorzugsweise auf Donald Trump. Wächst die Rolle der Online-Wetten? | |
| Autor Stephen Marche über die US-Wahl: „USA ist nicht regierbar wie andere l… | |
| Welche Konsequenzen hätte es für die USA, würde heute Donald Trump gewählt | |
| werden? Stephen Marche über den drohenden Zusammenbruch des Rechtsstaats. |