# taz.de -- Strittiger Gesetzentwurf: Nancy Faeser bricht ein | |
> Das Bundeskriminalamt soll nach den Vorstellungen der | |
> Bundesinnenministerin künftig heimlich Wohnungen durchsuchen können. | |
Bild: Nur keine Hemmungen: Bundesinnenministerin Faeser | |
Berlin taz | Innenministerin Nancy Faeser (SPD) will dem Bundeskriminalamt | |
(BKA) das Einbrechen in Wohnungen erlauben, um sie heimlich durchsuchen zu | |
können oder um Spähsoftware auf Computern und Smartphones zu installieren. | |
Das geht aus dem [1][Gesetzentwurf zur Änderung des BKA-Gesetzes] hervor, | |
der bisher vor allem wegen der geplanten Befugnis zur biometrischen | |
Gesichtserkennung anhand von Fotos diskutiert wurde. | |
Normalerweise erfolgen Wohnungsdurchsuchungen offen. Dem Wohnungsinhaber | |
wird der Durchsuchungsbeschluss übergeben und er*sie kann bei der | |
Durchsuchung seiner Räume anwesend sein. Ist der Wohnungsinhabende nicht | |
anzutreffen, sind andere Personen als Zeugen beizuziehen, zum Beispiel | |
Angehörige oder Nachbarn. So ist es für die Strafverfolgung seit | |
Jahrzehnten in der Strafprozessordnung geregelt. Auch für Durchsuchungen | |
zur Gefahrenabwehr steht in den Polizeigesetzen der Länder dasselbe. Der | |
Verfassungsschutz darf ohnehin keine Wohnungen durchsuchen. | |
Den alten Grundsatz der offenen Wohnungsdurchsuchung will Innenministerin | |
Faeser nun aber teilweise aufgeben. In ihrem Gesetzentwurf sieht sie vor, | |
dass das BKA die Durchsuchung von Wohnungen auch „verdeckt durchführen“ | |
kann. Voraussetzung ist, dass mutmaßlich ein Anschlag des internationalen | |
Terrorismus geplant ist, der den Staat, das Leben oder die Freiheit von | |
Bürgern oder Sachen von allgemeinem Interesse bedroht. | |
Seit einer [2][Grundgesetzänderung 2009] hat das BKA die Kompetenz für die | |
Abwehr der Gefahren des „internationalen Terrorismus“. Praktisch relevant | |
ist dabei vor allem die Verhütung von islamistischen Anschlägen. | |
## Ultima Ratio | |
Vermutlich wäre die Freigabe von heimlichen Durchsuchungen – wenn | |
Bundesregierung und Bundestag zustimmen – nicht verfassungswidrig. Das | |
Grundgesetz macht keine Vorgaben, dass Durchsuchungen offen erfolgen | |
müssen. Der Bundestag kann von der bisherigen Rechtstradition also | |
abweichen. Der Gesetzentwurf sieht die heimliche Durchsuchung als letztes | |
Mittel („Ultima Ratio“) vor und verlangt eine richterliche Genehmigung im | |
Einzelfall. | |
Ziel einer heimlichen Durchsuchung könne auch sein, so der Gesetzentwurf, | |
mögliche „Tatmittel“ auszutauschen oder unbrauchbar zu machen. Das erinnert | |
[3][an die islamistische „Sauerlandgruppe“], die ab 2007 | |
Autobombenanschläge plante. Hier hatte die Polizei rechtzeitig den Inhalt | |
der gehorteten Chemikalienfässer durch eine ungefährliche Lösung | |
ausgetauscht. | |
Neben der heimlichen Durchsuchung will Faeser dem BKA auch das heimliche | |
Betreten von Wohnungen erlauben, um Spähsoftware (sogenannte | |
Staatstrojaner) auf Computern und Smartphones zu installieren. Die | |
Spähsoftware kann entweder den Inhalt der Festplatte an die Polizei | |
verschicken (sogenannte Online-Durchsuchung) oder verschlüsselte | |
Nachrichten und Gespräche überwachen, indem sie den Inhalt vor der | |
Verschlüsselung im Gerät abgreift (Quellen-Telekommunikationsüberwachung, | |
Quellen-TKÜ). | |
Bisher gelingt der Polizei die Installation von Trojanern häufig nicht | |
(wenn sie überhaupt bereits eine passende Software für die stetig | |
weiterentwickelten Geräte zur Verfügung hat). Oft werden zum Beispiel | |
E-Mails mit manipulierten Anhängen zugesandt, die Sicherheitslücken auf den | |
Geräten ausnutzen sollen. Die „technisch sicherste und schnellste | |
Möglichkeit“, einen Trojaner zu installieren, ist laut Faeser aber, wenn | |
man das Gerät in Händen hat. Hierzu soll das BKA künftig mit Dietrich oder | |
Stemmeisen heimlich in die Wohnung eindringen können. Bei dieser Befugnis | |
liegt kein Tabubruch vor. In Mecklenburg-Vorpommern wurde dies bereits 2020 | |
der Polizei zur Gefahrenabwehr erlaubt. | |
Das Bundesjustizministerium plant keine entsprechenden Änderungen für die | |
Strafprozessordnung. Zu den Plänen wollte sich das Ministerium zunächst | |
nicht äußern. | |
13 Aug 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Gesichtserkennung-im-Internet/!6026767 | |
[2] https://www.gesetze-im-internet.de/gg/BJNR000010949.html | |
[3] /Sicherheit-in-Zeiten-von-Terroralarm/!5131425 | |
## AUTOREN | |
Christian Rath | |
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