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# taz.de -- Befugnisse des BKA beanstandet: Datensammeln unzulässig
> Das Bundesverfassungsgericht hat das Gesetz zum Bundeskriminalamt
> beanstandet. Daten dürfen nicht automatisch übertragen werden.
Bild: Laut Bundesverfassungsgesetz sind einzelne gesetzliche Befugnisse des Bun…
Karlsruhe taz | Die Befugnisse des Bundeskriminalamts (BKA) beim Erheben
und Speichern von Daten gehen teilweise zu weit, wie das
Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe am Dienstag entschied. Bei
Ermittlungsverfahren dürfen Daten vom Landes- nicht automatisch ans
Bundeskriminalamt weitergegeben werden. Auch die Überwachung von
Kontaktpersonen aus dem terroristischen Umfeld wurde beanstandet.
Geklagt hatten die beiden Strafverteidiger:innen Franziska Nedelmann
und Ricarda Lang (nicht identisch mit der Grünen-Vorsitzenden), der
[1][linke Aktivist Kerem Schamberger] und zwei Fußballfans. Die
Verfassungsbeschwerde wurde von der [2][Gesellschaft für Freiheitsrechte]
(GFF) koordiniert.
[3][Die Klagen] richteten sich gegen eine Neufassung des BKA-Gesetzes aus
dem Jahr 2017, die im Mai 2018 in Kraft trat. Dort sollte vor allem die
Datenverarbeitung des BKA mit Blick auf die kommende neue IT-Infrastruktur
der Polizei neu geregelt werden. Daten sollen künftig nicht mehr in
getrennten Dateien gespeichert werden, sondern in einer großen gemeinsamen
Polizeidaten-Plattform von Bund und Ländern. Dies werde den Datenaustausch
erleichtern, weil es keine Kompatibilitätsprobleme mehr gebe. Umso
wichtiger sind dann aber die gesetzlichen Regeln für einen differenzierten
Zugriff auf die Daten.
## Beschuldigte müssen mit Datenverarbeitung rechnen
Das neue gemeinsame Datenhaus der Polizei sollte eigentlich schon 2020
fertiggestellt sein, ist aber immer noch nicht in Betrieb. Es wird wohl bis
mindestens 2030 dauern, bis es bei der Polizei keine separaten Datenbanken
mehr gibt. Auch wenn das neue Recht hierfür bereits existiert. Es gibt aber
weiter getrennte Dateien der Bundesländer, etwa für Gewalttäter:innen
Sport oder für innere Sicherheit. Beim Bundeskriminalamt gibt es zudem
sogenannte Verbunddateien, in die die Inhalte der Länder-Datenbanken
einfließen.
In Karlsruhe ging es am Dienstag nun um die Frage, ob es genügt,
„Beschuldigter“ in einem Ermittlungsverfahren zu sein, um in einer
BKA-Verbund-Datei zu landen. Es ging also nicht um die Frage, ob zum
Beispiel die Teilnahme an einem gewalttätigen Fanmarsch ausreicht, um in
die Länderdatei für „Gewalttäter Sport“ aufgenommen zu werden, sondern um
die nachgelagerte Frage, wann eine Aufnahme aus der Landesdatei in die
BKA-Datei möglich ist.
Das novellierte BKA-Gesetz sah hierfür keine spezielle Eingriffsschwelle
vor. Wer Beschuldigte:r in einem Ermittlungsverfahren ist, musste damit
rechnen, dass seine Daten auch beim BKA verarbeitet werden. Diese fehlende
Eingriffsschwelle hat das Bundesverfassungsgericht nun beanstandet. Ein
laufendes Ermittlungsverfahren sage nicht zwingend aus, dass der oder die
Beschuldigte die vorgeworfene Tat auch begangen hat. Erst recht aber sage
es nichts darüber aus, ob eine Speicherung in der Verbunddatei erforderlich
ist, um künftige Straftaten der Person zu verhüten oder aufzuklären.
## Überwachung muss klar geregelt sein
Das Bundesverfassungsgericht verlangt, dass vor einer Speicherung beim BKA
eine polizeiliche „Negativprognose“ vorliegen muss: dass also die Polizei
davon ausgeht, dass die Person künftig wieder straffällig werden könnte.
Für die Prognose soll es unter anderem darauf ankommen, ob der Beschuldigte
schon früher mit entsprechenden Straftaten auffiel. Der Bundestag hat für
eine Neuregelung Zeit bis Ende Juli 2025. Die Negativprognose wird aber ab
sofort verlangt.
Beim zweiten beanstandeten Punkt ging es um die Terrorabwehr. Hier
unterstützt das Bundeskriminalamt nicht nur als Zentralstelle die Länder
(wie beim Vorgehen gegen Fußball-Hooligans), sondern ist seit 2009 selbst
zuständig. Die neuen Anti-Terror-Befugnisse des BKA hatte das
Bundesverfassungsgericht [4][in einem Urteil von 2016 umfassend geprüft und
teilweise beanstandet]. Die Änderungen wurden in der BKA-Novelle von 2017
umgesetzt.
Dabei hatte der Bundestag die Anforderungen an die Überwachung von
Kontaktpersonen von Terrorverdächtigen versehentlich viel zu niedrig
angesetzt. Die Regelung erlaubte es, auch Menschen zu überwachen, die
Kontakt zu jemandem haben, der möglicherweise eine terroristische Straftat
begehen will. So konnten theoretisch auch Journalist:innen, die in
kriminellen Milieus recherchierten, überwacht werden.
## Klagen gegen Sicherheitsgesetze sind oft erfolgreich
Dass das BKA in der Praxis höhere Hürden ansetzt als im Gesetz vorgesehen,
ließ Karlsruhe nicht gelten. „Für die verfassungsrechtliche Beurteilung ist
nicht die derzeitige Behördenpraxis maßgeblich, sondern die rechtliche
Ausgestaltung“, sagte Ines Härtel, die federführende Verfassungsrichterin.
Auch hier hat der Bundestag für die Neuregelung Zeit bis Ende Juli 2025.
Der GFF-Anwalt Bijan Moini warnte den Bundestag mit Blick auf das
[5][aktuell diskutierte Sicherheitspaket]. „Auch dort werden wieder
Regelungen diskutiert, die mit hoher Wahrscheinlichkeit in Karlsruhe
scheitern werden.“ Die GFF habe seit ihrer Gründung 2015 bereits siebenmal
erfolgreich gegen Sicherheitsgesetze geklagt.
1 Oct 2024
## LINKS
[1] /Hausdurchsuchung-bei-Aktivist/!5459465
[2] /Juristin-Sarah-Lincoln/!5959796
[3] /Klage-gegen-neues-BKA-Gesetz/!5980985
[4] /Verfassungsgericht-urteilt-zu-BKA-Gesetz/!5294503
[5] /Kritik-in-der-Ampel-an-Sicherheitspaket/!6035706
## AUTOREN
Christian Rath
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