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# taz.de -- Drei Tote bei Angriff in Solingen: Täter weiter unbekannt
> Nach der Messerattacke von Solingen will die Polizei einen
> terroristischen Hintergrund nicht ausschließen. Kanzler Scholz nennt die
> Tat ein „schreckliches Ereignis“.
Bild: Spontanes Gedenken an die Opfer der Messerattacke von Solingen am Samstag…
Düsseldorf/wuppertal afp/rtr/dpa/epd/taz | Nach dem tödlichen Messerangriff
von Solingen schließt die Staatsanwaltschaft einen terroristischen
Hintergrund nicht aus. Noch sei der Täter nicht ermittelt, sagte der
Leitende Oberstaatsanwalt Markus Caspers bei einer Pressekonferenz in
Wuppertal. „Eine Motivlage konnten wir bisher auch nicht erkennen, wir
gehen aber nach den Gesamtumständen davon aus, dass der Anfangsverdacht
einer terroristisch motivierten Tat nicht ausgeschlossen werden kann.“
Ein anderes Motiv sei derzeit nicht ersichtlich. Sollten sich die Hinweise
auf eine terroristische Straftat verdichten, komme eine Übernahme des
Falles durch den Generalbundesanwalt in Betracht.
Die Polizei geht bisher von einem Einzeltäter aus. Bereits festgenommen
wurde ein 15 Jahre alter Jugendlicher, den die Polizei aber nicht für den
Täter hält. Nach Zeugenaussagen solle eine bisher nicht bekannte Person
kurz vor der Tat mit dem Jugendlichen über Absichten gesprochen haben, die
zur Tatausführung passen würden, sagte Caspers. Ob diese Person der Täter
sei, wisse man nicht.
Derzeit laufen Polizeiaktionen in ganz Nordrhein-Westfalen und im gesamten
Bundesgebiet, wie Polizeiführer Thorsten Fleiß sagte. Er sprach von
umfangreichen Ermittlungsmaßnahmen.
Bei dem Angriff bei einem Stadtfest zur 650-Jahr-Feier von Solingen waren
am Freitagabend drei Menschen getötet worden, zwei Männer im Alter von 67
und 56 Jahren und eine Frau von 56 Jahren. Acht Menschen wurden verletzt,
vier davon schwer. Der Täter wählte die Opfer offenbar willkürlich aus.
Anschließend entkam er im Tumult und in der anfänglichen Panik nach der
Tat. Die Polizei mahnte die Bevölkerung in Solingen am Samstag weiter zur
Vorsicht.
Am Tag nach der Tat hatte sich Bundeskanzler Olaf Scholz zu Wort gemeldet.
„Der Anschlag in Solingen ist ein schreckliches Ereignis, das mich sehr
bestürzt. Ein Attentäter hat mehrere Menschen brutal getötet“, schreibt er
im Kurznachrichtendienst X. Er habe mit Solingens Oberbürgermeister Tim
Kurzbach telefoniert. „Wir trauern um die Opfer und stehen an der Seite der
Angehörigen.“ Den Verletzten wünscht der SPD-Politiker eine schnelle
Genesung. „Der Täter muss rasch gefasst und mit der vollen Härte des
Gesetzes bestraft werden“, fordert Scholz.
Am späten Samstagnachmittag wurden nach Informationen der Deutschen
Presse-Agentur Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD),
Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst und Landesinnenminister
Herbert Reul (beide CDU) am Tatort in Solingen erwartet.
## Tatort weiträumig abgesperrt
„Der brutale Anschlag auf das Stadtfest in Solingen erschüttert uns
zutiefst“ erklärte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) am
Samstagmorgen. „Wir trauern um die Menschen, die auf furchtbare Weise aus
dem Leben gerissen wurden.“ Ihre Gedanken seien bei den Familien der
Getöteten und den Schwerverletzten. Die Sicherheitsbehörden täten „alles,
um den Täter zu fassen und die Hintergründe des Anschlags zu ermitteln“.
Die Polizei NRW habe dabei jede Unterstützung des Bundes.
Die Polizei bat um Mithilfe der Bevölkerung. [1][Auf ihrem Hinweisportal]
könnten Angaben zur Tat oder dem Täter gemacht und Bild- oder Videomaterial
hochgeladen werden. Der Tatort wurde „weiträumig abgesperrt“. Dort waren
schwer bewaffnete Polizisten sowie Beamte der Spurensicherung in weißen
Schutzanzügen zu sehen, wie eine AFP-Fotografin berichtete.
Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) warnt vor Spekulationen. „Ich appelliere
an alle, besonders an die Nutzer in den sozialen Medien, darauf zu
verzichten, Gerüchte zu verbreiten“, sagt der NRW-Chef der GdP, Michael
Mertens, dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Ich sehe mit Sorge,
dass derzeit Spekulationen über die sozialen Netzwerke verbreitet werden.“
Es gebe bislang keine konkreten Erkenntnisse zum Täter, betonte Mertens
weiter. „Die Personenbeschreibungen der Zeugen sind in Teilen
widersprüchlich.“ Das sei nicht verwunderlich, da die Menschen unter dem
Schock des Erlebten stünden. Die Polizei müsse jetzt ungestört ihre Arbeit
machen können.
## Reul noch in der Nacht vor Ort
Auf der Facebook-Seite der Stadt Solingen hatte Oberbürgermeister Tim
Kurzbach (SPD) am Freitagabend erklärt, es gebe „neun Tote und Verletzte“
zu beklagen, mehrere kämpften noch „um ihr Leben“. „Heute Abend sind wir
alle in Solingen in Schock, Entsetzen und großer Trauer“, schrieb Kurzbach.
„Es zerreißt mir das Herz, dass es zu einem Attentat auf unsere Stadt kam.“
Auch der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU)
reagierte bestürzt. „Ein Akt brutalster und sinnloser Gewalt hat unser Land
ins Herz getroffen“, schrieb er im Onlinedienst X. „Ganz
Nordrhein-Westfalen steht an der Seite der Menschen in Solingen, vor allem
an der Seite der Opfer und ihrer Familien.“ Sein „großer Dank“ gelte „…
vielen Rettungskräften und unserer Polizei, die in diesen Minuten um
Menschenleben kämpfen“.
NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) hatte noch in der Nacht den Tatort
besucht. Der Täter habe offenbar „aus dem Nichts“ wahllos auf Menschen
eingestochen, sagte Reul im Nachrichtensender ntv. Über das Motiv oder den
Tatverdächtigen könne er noch nichts sagen. Sichtlich bewegt sprach Reul
von einem „sehr schlimmen Ereignis“.
Das Solinger Tageblatt berichtete, einer der Mitorganisatoren des
Stadtfestes unter dem Titel „Festival der Vielfalt“ sei nach dem Angriff
auf die Bühne gekommen, um das Stadtfest auf dem Fronhof, einem Marktplatz
in der Innenstadt von Solingen, abzubrechen. Dabei habe er erklärt, dass
der Rettungsdienst um das Leben von neun Menschen kämpfe. Die Besucher des
Festes wurden aufgerufen, das Solinger Stadtzentrum zu verlassen.
Der WDR berichtete, die Polizei habe Großalarm ausgelöst. Es seien
Hubschrauber in der Luft, es gebe „Absperrungen in der ganzen Stadt“ und
die Lage sei unübersichtlich.
## Auch Habeck und Lindner äußern sich zum Anschlag
Neben dem Bundeskanzler und der Bundesinnenministerin äußerten sich noch
weitere Mitglieder der Bundesregierung zu dem Anschlag. „Schlimme,
schlimmste Nachrichten aus Solingen“, schrieb Bundeswirtschaftsminister
Robert Habeck auf seinem Instagram-Account. „Gewalt gegen Menschen, die
einfach nur glücklich feiern wollten, ist verdammenswert.“ Allen
Angehörigen, die Menschen verloren haben, wünschte der Grünen-Politiker
viel Kraft und Trost. „Den Verletzten wünsche ich gute Besserung und all
jenen, die diese furchtbare Tat miterlebten, ebenfalls Kraft!“ Es sei gut,
dass die Polizei jetzt alles daran setze, den Täter so schnell wie möglich
zu finden.
Bundesfinanzminister Christian Lindner schrieb auf dem
Kurznachrichtendienst X: „In die Trauer um die Opfer des Anschlags in
#Solingen mischen sich schnell Gefühle von Ohnmacht und Wut. Auch bei mir“,
schreibt der FDP-Politiker. „Aber das dürfen wir nicht zulassen. Wir sind
nicht machtlos und wir brauchen kühle Konsequenz von Polizei und
Rechtsstaat.“
Der Anschlag sorgt auch im Ausland für Bestürzung. „Ich bin zutiefst
schockiert über diesen furchtbaren Angriff auf unschuldige Bürgerinnen und
Bürger beim Stadtfest in Solingen“, schreibt die Präsidentin des
EU-Parlaments, Roberta Metsola, im Kurznachrichtendienst X. Hass und Gewalt
dürften keinen Platz in der Gesellschaft haben. „Meine Gedanken sind bei
den Opfern und ihren Familien. Ich wünsche den Verletzten baldige
Genesung“, so die aus Malta stammende konservative Politikerin.
## Debatte um Messerverbot nach tödlichem Anschlag in Solingen
Nach der Messerattacke in Solingen ist auch die Debatte um ein Messerverbot
neu entfacht. Die Politik müsse endlich „bei den Messerverboten
vorankommen“, sagte SPD-Bundestagsfraktionsvize Dirk Wiese der Rheinischen
Post am Samstag. Außerdem sprach sich Wiese für mehr Befugnisse für die
Sicherheitsdienste aus, „um solche Täter frühzeitig zu entdecken,
insbesondere im digitalen Raum“.
Wiese hatte demnach bereits in der vergangenen Woche ein generelles Verbot
des Tragens von Messern in der Öffentlichkeit ins Spiel gebracht. Ein
solches „Komplettverbot“ müsse „ergebnisoffen“ diskutiert werden, sagt…
laut der Rheinischen Post.
Der Solinger Bundestagsabgeordnete Jürgen Hardt (CDU) zeigte sich
hinsichtlich der Wirksamkeit eines generellen Verbots eher skeptisch. „Wir
haben ja bereits Verbote“, sagte er im Deutschlandfunk am Samstag.
„Natürlich lassen sich die Kriminellen nicht davon abhalten.“
Hardt regte an, möglicherweise Verbote für das Tragen gefährlicher
Gegenstände „ganz gezielt“ gegen Menschen auszusprechen, die in der
Vergangenheit durch Gewalttaten aufgefallen sind. Ein solches Verbot könne
Messer, Beile und andere als Waffen nutzbare Gegenstände umfassen.
Diese gewaltauffälligen Menschen könnte die Polizei dann „konkret
überwachen und vielleicht besser überwachen als die große Masse“, sagte
Hardt weiter. Ob dies etwa gegen Terroristen helfen würde, „da habe ich
allerdings auch meine Zweifel“, betonte er.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte bereits vor dem Anschlag in
Solingen angekündigt, „in Kürze“ einen Gesetzesvorschlag zur Ausweitung v…
Messerverboten vorlegen zu wollen. Hintergrund sind mehrere Gewalttaten,
bei denen Messer benutzt worden waren. So ist geplant, auch weitere
Messertypen zu verbieten.
## Kirchen reagieren erschüttert auf Anschlag von Solingen
Die beiden großen Kirchen haben erschüttert auf den Anschlag in Solingen
reagiert, bei dem am Freitagabend drei Menschen getötet und acht verletzt
wurden. „Diese hemmungslose Gewalt ist durch nichts zu rechtfertigen“,
heißt es in einer am Samstag verbreiteten gemeinsamen Erklärung der
amtierenden Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD),
Kirsten Fehrs, und des Vorsitzenden der katholischen Deutschen
Bischofskonferenz, Georg Bätzing.
„Der menschenverachtende Anschlag von Solingen macht sprachlos und
erschüttert uns zutiefst. Als Kirchen trauern wir mit den Angehörigen der
Opfer und beten für die Verletzten und die Verstorbenen“, erklärten Fehrs
und Bätzing. „Die Tat von Solingen lässt uns in einen Abgrund des Bösen
schauen und unser Mitgefühl gilt allen, die den Verlust von Menschenleben
zu beklagen haben“, hieß es weiter. Die beiden höchsten Vertreter von
Katholiken und Protestanten in Deutschland dankten der Polizei, den
Rettungskräften und Notfallseelsorgern, die den Menschen in Solingen zur
Seite stehen.
24 Aug 2024
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