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# taz.de -- Brandanschlag in Solingen: Erst Anschlag, dann Machetenangriff
> Ein ehemaliger Mieter soll den tödlichen Brand gelegt haben. Doch die
> Suche nach dem Motiv müsse weitergehen, fordert die Solinger
> Zivilgesellschaft.
Bild: Polizeibeamte durchsuchen am Mittwoch das Haus des Verdächtigen
[1][Gut zwei Wochen nach dem Brandanschlag in Solingen] ist der mutmaßliche
Täter gefasst. Das teilte die Staatsanwaltschaft Wuppertal am Mittwoch mit.
Der Fall sei weitgehend aufgeklärt, sagte Polizeipräsident Markus Röhrl bei
einer Pressekonferenz und sprach von „großer Erleichterung“.
Dringend tatverdächtig ist ein 39-jähriger ehemaliger Mieter, der im
Hinterhaus des betroffenen Hauses gewohnt hatte und dem wegen Mietschulden
gekündigt worden war. Der Mann wurde am Montag festgenommen, am Dienstag
wurde Haftbefehl erlassen. Er hat sich bisher nicht zur Tat geäußert.
Bei dem Feuer in der Nacht zum 25. März war eine türkischstämmige Familie
aus Bulgarien ums Leben gekommen. Die vierköpfige Familie hatte im
Dachgeschoss gelebt und sich nicht mehr retten können. Bei der Untersuchung
des Brandortes wurden Reste von Brandbeschleuniger festgestellt.
Die Polizei war dem mutmaßlichen Täter auf die Spur gekommen, weil er in
der Tatnacht von mehreren Überwachungskameras in der Nähe des Wohnhauses
aufgezeichnet worden war. Der Mann habe sich auffällig verhalten und „Dinge
zum Haus getragen“. Eine weitere Person sei auf den Aufzeichnungen nicht zu
sehen. Ein Gesicht habe man nicht erkennen können. Erst ein Gespräch mit
der Vermieterin des Hauses am Montag brachte den Hinweis auf den Streit mit
einem ehemaligen Mieter, dessen Aussehen zu den Aufzeichnungen der
Überwachungskameras passte.
## „Skalpierungsverletzungen am Kopf“
Bevor der mutmaßliche Täter festgenommen werden konnte, kam es am
Montagnachmittag zu einem weiteren Vorfall. Derselbe Tatverdächtige habe in
einem Wohnhaus mit einer Machete auf einen Mann eingeschlagen. Vorher sei
ein Drogengeschäft gescheitert. Mehrere Anwohner hörten laute Schreie. Ein
Zeuge will dabei die Worte „Sieg Heil“ gehört haben. Andere Zeugen und das
Opfer hätten dem widersprochen. Das Opfer sei mit „Skalpierungsverletzungen
am Kopf“ aus dem Haus gerannt und später schwer verletzt ins Krankenhaus
gekommen. Bei den weiteren Ermittlungen wurden in der Wohnung des
Tatverdächtigen Brandmittel entdeckt.
In Solingen weckte der Brandanschlag Erinnerungen an den rassistischen
Brandanschlag 1993, bei dem die Familie Genç ermordet wurde. Nach dem Brand
vor zwei Wochen hatten die Behörden sehr schnell mitgeteilt, dass
Anhaltspunkte für ein „fremdenfeindliches“ Motiv nicht vorlägen. In der
Zivilgesellschaft wurde die Verwendung des Begriffs kritisiert und die
Befürchtung geäußert, dass ein rassistisches Motiv nicht ausreichend
geprüft werde.
Am Mittwoch beteuerten Polizei und Staatsanwaltschaft, sehr wohl alle
möglichen Motive geprüft zu haben. Die Polizei habe mit einer 30-köpfigen
Ermittlungskommission rund um die Uhr an dem Fall gearbeitet. Und man prüfe
weiter: „Es werden nicht die Akten zugemacht und gesagt – wunderbar, wir
haben einen“, sagte der zuständige Staatsanwalt Heribert Kaune-Gebhardt.
Eine Auswertungen der Aktivitäten des Tatverdächtigen in sozialen Medien
deute bislang nicht auf ein politisches Motiv hin. Der Tatverdächtige sei
wegen kleinerer Delikte bekannt gewesen, konkrete Hinweise auf eine
psychische Erkrankung gebe es bisher nicht.
## Reaktionen aus der Zivilgesellschaft
In der Solinger Zivilgesellschaft wurden die neuen Erkenntnisse erleichtert
aufgenommen. Daniela Tobias vom Bündnis „Bunt statt Braun“ sagte, ein
rassistisches Motiv dürfe trotzdem nicht ausgeschlossen werden. Man könne
nicht nachvollziehen, warum jemand wegen des Streits mit einer Vermieterin
20 Menschenleben gefährde, die alle Migrationshintergrund hätten. Die
Polizei müsse weiter ermitteln.
Tobias hofft, dass Solingen jetzt zur Ruhe kommen könne, mahnt aber an:
„Wir müssen aufarbeiten, wie nach der Tat kommunizert wurde, dass bei
Betroffenen die Befürchtung aufkam, dass ein rassistisches Motiv nicht
ernst genommen werde. „Die Angst der Menschen wurde zu wenig aufgefangen.“
Torhan Gülderen vom Verein BIPoC Voices weist darauf hin, dass der Anschlag
von 1993 dem mutmaßlichen Täter als Inspiration gedient haben könnte.
BewohnerInnen des Hauses hätten ihm berichtet, dass der ehemalige Mieter
„mit rechten Tendenzen“ aufgefallen sei. „Wir bleiben weiter wachsam“, …
Gülderen.
10 Apr 2024
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## AUTOREN
Kersten Augustin
## TAGS
Solingen
Brandanschlag
Nordrhein-Westfalen
Messerangriff
Solingen
Brandanschlag
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