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# taz.de -- Brandanschlag in Solingen: Viele Fragen, keine Antwort
> War es Rassismus? Solingen steht nach der Brandkatastrophe mit vier Toten
> unter Schock. Die Stadt erinnert sich an Ereignisse von 1993.
Bild: Trauerkundgebung für die Opfer des tödlichen Brandes am 28. März in So…
Solingen taz | Solingen ist schockiert und verstört. Verschiedene
Initiativen riefen am Donnerstagabend [1][zu einer Trauerkundgebung auf].
Rund 200 Menschen kamen an den Ort [2][des Brandanschlags vom 25. März],
bei dem im Stadtteil Höhscheid eine vierköpfige Familie starb.
Die, wie es heißt, türkischstämmige muslimische Familie war erst vor Kurzem
aus Bulgarien nach Deutschland gekommen. Die Eltern waren 28 und 29 Jahre,
ihre Kinder drei Jahre und fünf Monate alt. Weitere Menschen wurden teils
schwer verletzt. Vor anderthalb Jahren war in dem Altbau mit hölzernem
Treppenhaus schon einmal ein Brand gelegt worden, der gelöscht werden
konnte. Ein Täter konnte damals nicht ermittelt werden.
Die Staatsanwaltschaft hat nun erneut Brandstiftung als Ursache
festgestellt, im Treppenhaus fanden sich Spuren eines Brandbeschleunigers.
Seitdem fragen sich die Menschen in der Stadt: War es eine rassistische
Tat?
In Solingen ist die Erinnerung an den vor 31 Jahren verübten [3][Anschlag
auf die Familie Genç], bei dem fünf Menschen starben, noch sehr präsent.
Entsprechend intensiv werden die Ermittlungen beobachtet und kommentiert.
Die Menschen in der Stadt sind wach bei diesem Thema, besonders jene mit
Migrationsgeschichte. Im Januar fanden sich in der 160.000
Einwohner:innen zählenden Stadt als Reaktion auf rechtsextreme
Tendenzen im Land über 6.000 Menschen zu einer Demo zusammen.
## Anhaltspunkte für ein „fremdenfeindliches Motiv“ lägen nicht vor
Die Staatsanwaltschaft teilte bald nach dem Brand mit, einen Tatverdacht
gegen eine konkrete Person gebe es nicht, Anhaltspunkte für ein
„fremdenfeindliches Motiv“ lägen zum jetzigen Zeitpunkt nicht vor.
Der Begriff „fremdenfeindlich“ wird seitdem kritisiert. „Für migrantische
Menschen aus Solingen, die durch den NSU, Halle und Hanau Kontinuitäten
rechter Gewalt kennen, sind die Bilder vom Haus in der Grünewalder Straße
extrem retraumatisierend“, sagt Sofia Eleftheriadi-Zacharaki,
Mitgründerin des Vereins BIPoC Voices. „Zudem ist es ein Schlag ins
Gesicht, wenn nun wieder ‚fremdenfeindliche‘ Motive ausgeschlossen werden.
Die Wortwahl ist entscheidend: Es muss rassistischen Motiven nachgegangen
werden.“ Seitens der Stadt hieß es, alle Informationen zum Brandunglück
kämen ausschließlich von der Staatsanwaltschaft.
„Verantwortung haben wir vor allem für unsere Kommunikation“, sagt Daniela
Tobias, die sich im Solinger Bündnis „Bunt statt Braun“ engagiert. „Die
offiziellen Stellen und die Medien müssen sensibel und aufmerksam
kommunizieren, dass ergebnisoffen ermittelt wird, dass nichts
ausgeschlossen wird, was nicht auszuschließen ist, dass sie die berechtigte
Angst von Menschen mit Migrationszuschreibung angesichts schlimmer
Versäumnisse in früheren Ermittlungen wahrnehmen und adressieren.“ Das habe
die Staatsanwaltschaft, abgesehen von dem irreführenden Begriff
„Fremdenfeindlichkeit'“, einigermaßen sachlich getan, sagt Tobias und
ergänzt: „Das heißt gerade nicht, dass wir spekulieren sollten. Man kann
trotzdem über die Angst reden.“
## Eine Tat im „zwischenmenschlichen Bereich“
Thilo Schnor (Grüne), der 1. Bürgermeister der Stadt, kommentiert: „Es ist
ein Schock, auch weil Assoziationen mit dem Brandanschlag von 1993 in
Solingen sofort hochkommen. Die Stadt hat seitdem viel an Trauerarbeit und
an Aufarbeitung geleistet, hat sich stark in der Integrationspolitik
engagiert.“ Einige Feuerwehrleute waren schon beim Einsatz am 29. Mai 1993
dabei und haben den 25. März als sehr belastend erlebt.
Eine organisierte rechtsextreme Szene ist in der Stadt nicht bekannt, sagt
ein Antifa-Aktivist. Nur vereinzelt tauchen Nazi-Aufkleber auf
Laternenmasten auf. Anders als etwa in Dortmund gab es in Solingen in den
letzten Jahren keine im Alltag sichtbaren Neonazi-Aktivitäten oder gar
Übergriffe auf migrantische oder sich als links zu erkennen gebende
Menschen.
Am Donnerstagabend äußerte der Sprecher der Staatsanwaltschaft dem WDR
gegenüber die Einschätzung, es handle sich um eine Tat im
„zwischenmenschlichen Bereich“. Am Freitag teilte die Staatsanwaltschaft
mit, ein vorläufig festgenommener Mann sei nach längerer Vernehmung
wieder entlassen worden, nachdem sein Alibi überprüft worden sei. Nun
werde „ergebnisoffen in alle Richtungen“ weiter ermittelt. „Jedem Hinweis
wird nachgegangen“, sagte der Sprecher.
29 Mar 2024
## LINKS
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## AUTOREN
Joachim Hiller
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