# taz.de -- Berlin nutzt Gesichtserkennungssoftware: Umstrittene Fahndung mit KI | |
> Die Berliner Polizei nutzte eine KI-basierte Software zur | |
> Gesichtserkennung in sechs Ermittlungsverfahren. Das war möglicherweise | |
> rechtswidrig. | |
Bild: KI-gestützte Überwachung, wie hier in einem Schwimmbad, nutzte die Berl… | |
Berlin taz | Was einige Podcaster*innen treiben, das tut nun auch die | |
Berliner Polizei: Sie nutzt eine umstrittene KI-basierte | |
Gesichtserkennungssoftware, um Verdächtige zu finden. In bislang sechs | |
Ermittlungsverfahren kam ein solches Programm zum Einsatz, wie eine Anfrage | |
des Abgeordneten Vasili Franco (Grüne) an den Berliner Senat ergab. | |
Ende Februar wurde die ehemalige RAF-Angehörige Daniela Klette in ihrer | |
Wohnung in Kreuzberg festgenommen. Zunächst aufgepürt hatte sie nicht etwa | |
die Polizei, sondern ein Podcast-Team. [1][Die Journalist*innen hatten | |
im Herbst 2023 große Bild-Datensätze mit einem Gesichtserkennungsprogramm] | |
durchsucht und Fotos von Klette im Internet gefunden. | |
Die Polizei bekam nach eigenen Angaben – ebenfalls im Herbst 2023 – einen | |
„Hinweis aus der Bevölkerung“ zum Aufenthaltsort Klettes. Die Beamten | |
beklagten nach der Festnahme [2][hohe rechtliche Hürden, nach denen sie | |
selbst die Software oft nicht einsetzen dürften]. | |
Inzwischen hat die Berliner Polizei aber offenbar Wege gefunden, das | |
umstrittene Gesichtserkennungsprogramm doch zu nutzen, und zwar laut | |
Anfrage in insgesamt sechs Ermittlungsverfahren mit 31 mutmaßlichen Tätern. | |
Die konkreten Einsätze fanden „im Rahmen der Amtshilfe in Brandenburg und | |
Sachsen statt“, hieß es in der Antwort des Senats. Dabei ging es um die | |
Beobachtung von Fluchtrouten sowie die Identifizierung von Verdächtigten | |
mehrerer Bandendiebstähle. | |
## Senat antwortet unvollständig | |
Der Senat verweigerte die Antwort auf einen Teil der Anfrage mit dem | |
Hinweis, dass die Vorgänge außerhalb seiner Zuständigkeit lägen und andere | |
Bundesländer beträfen. Das eingesetzte System stammt wohl von der | |
sächsischen Polizei. Unbeantwortet ist deswegen, wie genau das Programm | |
funktioniert, wie lange die Daten gespeichert werden und ob das | |
Bildmaterial in Echtzeit abgeglichen wird. | |
Die Live-Gesichtserkennung ist höchst umstritten, weil sie als | |
schwerwiegender Eingriff in die Grundrechte aller Menschen gilt, die sich | |
auf überwachten öffentlichen Plätzen aufhalten. Die Europäische Union hat | |
ihrer Anwendung [3][mit dem Gesetz zur künstlichen Intelligenz] außerdem | |
enge Grenzen gesetzt: Die Software darf nur zur Aufklärung und zur | |
Verhinderung schwerer Straftaten und auf richterliche Anordnung eingesetzt | |
werden. | |
Der Grünen-Abgeordnete Franco kritisierte die lückenhafte Auskunft auf | |
seine Anfrage: „Die schmallippige Beantwortung erweckt den Eindruck, der | |
Senat wolle etwas verheimlichen.“ Der Verdacht, dass die Berliner | |
Staatsanwaltschaft bewusst rechtswidrige biometrische Massenabgleiche | |
durchgeführt habe, läge nahe. | |
Den Abgeordneten würden Informationen vorenthalten, die Berlin beträfen: | |
„Das ist eine Umgehung parlamentarischer Kontrolle.“ Der Senat müsse | |
gegenüber dem Parlament transparent machen, dass er auch bei der Bekämpfung | |
von Bandenkriminalität nach Recht und Gesetz handele, forderte er. | |
22 Aug 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Rechercheur-ueber-Aufspueren-von-Klette/!5993206 | |
[2] /CDU-Politiker-ueber-Polizeiarbeit/!5999437 | |
[3] https://www.europarl.europa.eu/topics/de/article/20230601STO93804/ki-gesetz… | |
## AUTOREN | |
Luisa Faust | |
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