# taz.de -- Rechercheur über Aufspüren von Klette: „Ich hätte lieber Neona… | |
> In 30 Minuten gelang es Michael Colborne, was deutsche Behörden in 30 | |
> Jahren nicht vermochten. In Jubellaune ist er trotzdem nicht. | |
Bild: Ausschnitt aus einem alten Fahndungsfoto von Daniela Klette | |
wochentaz: Michael Colborne, Sie haben die ehemalige RAF-Terroristin | |
Daniela Klette im vergangenen Herbst offenbar als erster aufgespürt. | |
[1][Jetzt wurde sie festgenommen]. Zufall? | |
Michael Colborn: Das klingt zugegeben schon nach einem sehr großen Zufall. | |
Aber ich habe keine Informationen an die Polizei gegeben. Und ich war auch | |
nicht der einzige, der nach ihr gesucht hat. | |
Es gab in den vergangenen Jahren mehrere Versuche, Klette aufzuspüren. Im | |
November 2023 soll das LKA Niedersachsen nach einem Hinweis aus der | |
Bevölkerung ihre Wohnung in Berlin-Kreuzberg observiert haben. Auch | |
Journalist*innen [2][des Podcasts „Legion“] waren an Klette dran. Die | |
haben Sie dann im Oktober 2023 gebeten, Fotos abzugleichen, die Klette im | |
Jahr 2017 zeigen sollten. | |
Ich dachte nicht, dass ich etwas finde. | |
Warum nicht? | |
Weil die Fahndungsfotos, die es von den drei Gesuchten gab, 30 Jahre alt | |
waren und sie 30 Jahre lang abgetaucht waren. Die künstliche Intelligenz | |
(KI) ist gut, aber sie kann keine Wunder bewirken. Wenn es von Menschen | |
keine Bilder im Netz gibt, dann kann die KI sie auch nicht finden. Deshalb | |
war ich überrascht, als ich die ersten Ergebnisse nach fünf bis zehn | |
Minuten vor mir hatte. | |
Fünf bis zehn Minuten brauchten Sie, um sie zu finden? | |
Na ja, für den ganzen Prozess habe ich insgesamt etwa 30 Minuten gebraucht. | |
Also von der Suche nach dem Gesicht von Daniela Klette bis zur Hypothese, | |
dass es sich bei den Fotos einer älteren Frau in einem brasilianischen | |
Kulturzentrum, die ich gefunden hatte, sehr wahrscheinlich um Daniela | |
Klette handelt. Ich bin aber skeptisch geblieben: Die | |
Gesichtserkennungssoftware, mit der ich gearbeitet habe, nutzt einen | |
intransparenten Algorithmus, man weiß nicht, wie die KI funktioniert und | |
auch nicht, woher die Fotos kommen, die in der Datenbank eingespeist sind. | |
Man muss immer vorsichtig mit den Ergebnissen sein. | |
Dann waren Sie sich aber doch sicher? | |
Ja, ich habe noch eine zweite KI verwendet. Damit habe ich die | |
Fahndungsfotos mit den Capoeira-Fotos verglichen. Der Software zufolge | |
handelte es sich auf beiden Bildern um dieselbe Person. Ich fand das | |
Ergebnis plausibel. Das habe ich den Podcastern gesagt. Ich habe ihnen | |
empfohlen, der Spur zu folgen. | |
Haben Sie auch nach den Komplizen von Klette gesucht, Ernst-Volker Staub | |
und Burkhard Garweg? | |
Ja. Zu Staub habe ich nichts gefunden. Garweg schien auf einigen der | |
Capoeira-Fotos mit Klette zu sehen zu sein. Allerdings habe ich jetzt | |
gerade erfahren, dass der Mann auf den Fotos nicht Garweg war. Genau das | |
zeigt, dass man nie zu 100 Prozent auf diese Tools vertrauen darf und der | |
erste Verdacht falsch sein kann. Dass ich mit Klette tatsächlich richtig | |
lag, weiß ich erst seit der Festnahme vor ein paar Tagen. | |
Was, wenn Ihre Ergebnisse doch zur Festnahme geführt haben? | |
Auf der einen Seite spürt man natürlich eine gewisse Genugtuung, wenn sich | |
die eigene Arbeit als richtig herausstellt. Aber es ist auch ein | |
widersprüchliches Gefühl. Schließlich habe ich Technologien eingesetzt, die | |
auch ethische Bedenken mit sich bringen. | |
Hatten Sie ethische Bedenken, nach Klette zu suchen und möglicherweise die | |
Behörden aufzuschrecken? | |
Nein. Sie wurde ja schon gesucht, und zwar nicht wegen falscher | |
Anschuldigungen. Aber vielleicht wäre es mir schon lieber gewesen, ich | |
hätte stattdessen ein paar flüchtige Neonazis gefunden. | |
Klette wurde gesucht, aber ein Haftbefehl bedeutet nicht unbedingt eine | |
aktive Fahndung. Wundert es Sie, dass Sie Klette nach 30 Minuten gefunden | |
haben, während die Polizei sie in 30 Jahren nicht aufgespürt hat? | |
Eher macht es mir Sorgen. Nicht unbedingt, weil ich mich frage, wie | |
intensiv nach Klette überhaupt gesucht wurde, sondern, wie intensiv die | |
Polizei in Deutschland nach anderen Leuten sucht. Gegen Hunderte | |
Rechtsextremisten in Deutschland liegen Haftbefehle vor. Versuchen die | |
Behörden überhaupt, sie zu finden? | |
Haben Sie Technologie genutzt, die die Polizei nicht nutzen kann? | |
Alles, was ich verwendet habe, kann jeder andere auch benutzen. Man muss | |
nur etwa 30 Euro dafür bezahlen. | |
Die Fahndungsbehörden in den USA nutzen die umstrittene KI Clearview, um | |
nach Verbrecher*innen zu fahnden. In Deutschland wird sie bisher nicht | |
eingesetzt, das BKA nutzt aber [3][andere Software]. Sollte die Polizei | |
stärker auf KI setzen? | |
Es gibt diese Tools, und wir brauchen eine gesellschaftliche Debatte | |
darüber, ob und wie sie einzusetzen sind. Ich denke nicht, dass | |
Strafverfolgungsbehörden überall Kameras im Stil von „1984“ aufstellen | |
und Gesichtserkennung verwenden sollten. Das wäre furchtbar. Aber ich | |
denke, dass die Polizei sich mit digitalen Techniken vertrauter machen | |
muss. Allein schon, weil es immer mehr Fälschungen durch KI gibt, | |
sogenannte Deepfakes. Es wird immer schwieriger, gefälschte Bilder, | |
Audiodateien und Videos zu erkennen. | |
3 Mar 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Festnahme-von-Daniela-Klette/!5992289 | |
[2] https://www.ardaudiothek.de/sendung/legion/12015417/ | |
[3] https://www.bka.de/DE/UnsereAufgaben/Ermittlungsunterstuetzung/Kriminaltech… | |
## AUTOREN | |
Johanna Treblin | |
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