# taz.de -- CDU-Politiker über Polizeiarbeit: „Neue Option, Kriminelle zu fa… | |
> Jahrelang fahndete die Polizei erfolglos nach Ex-RAF-Terrorist:innen. | |
> CDU-Politiker Thorsten Frei fordert Systeme zur Gesichtserkennung für die | |
> Polizei. | |
Bild: Ein Nachteil der Gesichtserkennung: Auch unschuldige Personen könnten in… | |
taz: Herr Frei, als die ehemalige RAF-Terroristin Daniela Klette [1][vor | |
drei Wochen verhaftet wurde], sprach die niedersächsische Innenministerin | |
Daniela Behrens von einem Meilenstein der Kriminalgeschichte. Sie sind | |
nicht ganz so begeistert. Warum? | |
Thorsten Frei: Die Polizei hat gute Arbeit geleistet. Aber die | |
Wirkmächtigkeit der Polizei hängt von ihrem Werkzeugkasten ab. Der Fall | |
„Daniela Klette“ hat gezeigt, dass der Polizei wichtige Instrumente fehlen. | |
Ein Journalist hat innerhalb kürzester Zeit über eine | |
Gesichtserkennungssoftware entscheidende Fotos und Spuren von Daniela | |
Klette [2][im Internet gefunden], der Polizei ist das untersagt. Das | |
hinterlässt bei mir persönlich ein ungutes Gefühl. Wir dürfen nicht | |
vergessen: Daniela Klette war gefährlich, sie hatte Kriegswaffen in ihrem | |
Besitz. Hätte die Polizei sie früher gefasst, wäre das ein hoher Gewinn an | |
Sicherheit gewesen. | |
Der Journalist benutzte die Software PimEyes, soll die Polizei das auch | |
dürfen? | |
Ich persönlich hätte damit kein Problem. Aber selbstverständlich müsste man | |
zunächst die rechtlichen Gegebenheiten prüfen. | |
PimEyes vergleicht ein Foto, im Fall von Klette das Fahndungsfoto, mit | |
allen verfügbaren Fotos im Internet, an denen das Unternehmen keine Rechte | |
hat – was Datenschützer kritisieren. Die Polizei kann bereits | |
Gesichtserkennung mit ihrer Inpol-Datenbank nutzen, dort auf 5 bis 6 | |
Millionen gespeicherte Fotos von Straftätern zurückgreifen. Das reicht | |
Ihnen nicht? | |
Es geht mir nicht um die Daten von PimEyes. Meine Kritik richtet sich | |
zuallererst gegen die Untätigkeit der Ampel. Sie weigert sich, die | |
bestehenden Möglichkeiten zur Bekämpfung von Kriminalität, Extremismus und | |
Terrorismus auszuschöpfen. Der gerade beschlossene europäische „AI-Act“ | |
eröffnet neue Optionen, um Schwerkriminelle zu fassen. Diese Möglichkeiten | |
sollten wir nutzen. | |
Der AI-Act der EU regelt erstmals Künstliche Intelligenz und verbietet | |
Echtzeitüberwachung grundsätzlich als „unannehmbares Risiko“. Erlaubt sind | |
nur wenige Ausnahmen bei schweren Straftaten. | |
Genau diese Ausnahmen sind wesentlich und wichtig. Die Ampel will diese | |
Ermittlungsmethoden zum Schaden unserer Sicherheit nicht nutzen. Das ist zu | |
kritisieren. Wir sprechen im Übrigen nicht über ein gänzlich neues Thema. | |
Es gab bereits 2017/2018 einen [3][Pilotversuch zur biometrischen | |
Gesichtserkennung] am Bahnhof Berlin-Südkreuz, der sehr erfolgreich | |
verlaufen ist. Wenn man unterschiedliche Systeme zur Gesichtserkennung | |
kombinierte, kam man schon damals zu der sehr, sehr geringen | |
Falschtrefferrate von 0,00018 Prozent Das heißt: Auf eine Million Abgleiche | |
waren zwei Falschtreffer zu verzeichnen. Wir sollten diese Technik deshalb | |
an Kriminalitätsschwerpunkten einsetzen. | |
Das Pilotprojekt verglich Echtzeitfotos mit Fotos einer Polizeidatei. Wie | |
erfolgreich es war, da gehen die Einschätzungen sehr auseinander. Der Chaos | |
Computer Club sprach von geschönten Ergebnissen. Der | |
Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber warnte, das Projekt gefährde die | |
Anonymität im öffentlichen Raum, die Software genüge den Ansprüchen „bei | |
Weitem nicht“. | |
Ihr Einsatz ist grundrechtssensibel, aber verfassungsrechtlich möglich. Die | |
Daten des Abgleichs werden umgehend aus dem System gelöscht, wenn sie nicht | |
zur gesuchten Zielpersonen passen. Die biometrische Gesichtserkennung wäre | |
ein wichtiges Instrument, nicht nur im Bereich der Strafverfolgung, sondern | |
auch der präventiven Polizeiarbeit. | |
Es bliebe ein Angriff auf die informationelle Selbstbestimmung, denn in der | |
konkreten Situation würden alle gefilmt. Und die Software macht eben auch | |
Fehler: Personen würden unschuldig ins Raster geraten – was etwa bei | |
Terrorvorwürfen schwere Folgen haben kann. | |
Natürlich sind Fehler schwerwiegend, aber solche Fehler geschehen auch ohne | |
den Einsatz dieser Technologie. So wurden auch bei der jüngsten Suche nach | |
RAF-Terroristen Personen festgenommen, überprüft und dann wieder | |
freigelassen. Dagegen würde die Software die erfassten Gesichter lediglich | |
mit einer klar definierten Referenzdatenbank der Polizei abgleichen. | |
Darüber hinaus wollen wir diese Technik nur an Kriminalitätsschwerpunkten | |
und nur zur Verfolgung von gewichtigen Straftaten einsetzen. Das Raster | |
bliebe entsprechend klein. Der Eingriff in die informationelle | |
Selbstbestimmung wäre gering und vertretbar. | |
Das Südkreuz-Projekt haben weder der damalige CSU-Innenminister Seehofer | |
noch seine SPD-Nachfolgerin Faeser umgesetzt. | |
Weil es keine parlamentarischen Mehrheiten dafür gab. Es war auch in der | |
Großen Koalition mit der SPD nicht durchsetzbar. | |
Auch Gerichte aber urteilten wiederholt streng zu Massendatenprojekten für | |
die Polizei: Der EuGH kassierte weitgehend die Vorratsdatenspeicherung, das | |
Bundesverfassungsgericht erklärte die Datenanalysesoftware der Polizei in | |
Hamburg und Hessen für verfassungswidrig. | |
Aber auch da bleiben Spielräume. Das Referenzurteil ist die automatisierte | |
Kennzeichenerfassung, die unter strengen Bedingungen zugelassen wurde. Das | |
zeigt: Es ist primär eine politische Frage und weniger eine rechtliche. | |
Im Fall Daniela Klette war es aber letztlich polizeiliche Handarbeit, die | |
zur Festnahme geführt hat. Müsste diese nicht gestärkt werden? | |
Man muss für unsere Sicherheit das Eine tun, ohne das Andere zu lassen. Ich | |
glaube, dass wir an allen drei Stellschrauben drehen müssen: Erstens | |
genügend Polizeibeamte. Zweitens eine gut ausgestattete Polizei. Und | |
drittens braucht die Polizei das rechtliche Handwerkszeug, mit dem sie ihre | |
Aufgaben erfüllen kann. | |
Einige Hinterbliebene der RAF-Opfer haben angesichts der Festnahme von | |
Daniela Klette noch einmal formuliert, dass ihnen die Aufklärung der Morde | |
wichtiger ist als die Verurteilung der Täter. Es gab in der Vergangenheit | |
verschiedene Vorstöße, die für frühere RAF-Mitglieder Strafrabatte oder gar | |
Straffreiheit vorschlugen, wenn sie ihr Wissen offenlegen. Wären Sie dafür, | |
ein solches Angebot zu erneuern? | |
Wir wissen gar nicht, ob Daniela Klette zur Aufklärung der Morde der | |
dritten Generation der RAF beitragen kann, inwieweit sie beteiligt und | |
eingebunden war. Bisher haben Mitglieder der RAF, bis auf ganz, ganz wenige | |
Ausnahmen, nicht zur Aufklärung beigetragen. Die „Solidarität“ | |
untereinander ist offenbar sehr groß, und ich weiß nicht, inwieweit es | |
überhaupt eine Bereitschaft gibt, mit der eigenen Vergangenheit | |
aufzuräumen. | |
Wäre eine Offensive von staatlicher Seite sinnvoll, um das herauszufinden? | |
Nein, ganz sicher nicht. Es geht bei Daniela Klette um versuchten Mord, und | |
Mord verjährt nicht. Deswegen muss man mit den Instrumenten der Justiz | |
arbeiten, die es gibt. | |
Verstehen Sie [4][die Perspektive der Angehörigen]? | |
Wir sollten immer auch die Perspektive der Opfer einnehmen und bedenken. | |
Aber das ist nicht der Kern des Strafrechts. Im Zuge einer Güterabwägung | |
sind die Interessen der Rechtsgemeinschaft höher zu bewerten als die des | |
Einzelnen. | |
21 Mar 2024 | |
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## AUTOREN | |
Konrad Litschko | |
Sabine am Orde | |
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