# taz.de -- Angehörige von RAF-Opfern: „Mein Interesse ist die Aufklärung“ | |
> Patrick von Braunmühls Vater wurde 1986 von der RAF ermordet. Was er von | |
> Daniela Klette und den anderen ehemaligen RAF-Terroristen erwartet. | |
Bild: Berlin, 6. März: Ein Polizeiwagen steht vor dem Wohnhaus von Daniela Kle… | |
taz: Herr von Braunmühl, Ihr Vater wurde 1986 von RAF-Terroristen ermordet. | |
Daniela Klette wohnte jahrelang nur wenige Hundert Meter von Ihrem | |
Arbeitsplatz in Kreuzberg entfernt. Sie könnten schon mit Klette an der | |
Ampel gestanden haben. Wie fühlt sich das an? | |
Ja, das fühlt sich schon komisch an. Wobei ich die Phantasie, ich könnte | |
dem Mörder oder der Mörderin meines Vaters im Café gegenüber sitzen oder | |
auf der Straße begegnen, schon früher hatte. Diese Phantasie hat sich jetzt | |
auf seltsame Art und Weise tatsächlich bestätigt. | |
Was erwarten Sie jetzt von Klette, aber auch von Burkhard Garweg und | |
Ernst-Volker Staub, die noch flüchtig sind? | |
Mein Interesse ist die Aufklärung. Damit meine ich nicht nur, dass ich | |
unbedingt wissen muss, wer meinen Vater erschossen hat, sondern auch die | |
Begleitumstände. Wer war in dieser dritten Generation? Wie hat sie sich | |
entwickelt? Wie hat sie ihre Opfer ausgesucht? Es gibt da viele offene | |
Fragen und die Aufklärung kommt mir insgesamt zu kurz in der Debatte. | |
Teilweise auch bei den Behörden. Dass die Behörden die Fahndungsfotos nicht | |
mit Bildern im Internet abgeglichen haben, finde ich schon erstaunlich. | |
Meine Hoffnung wäre jetzt, dass der bevorstehende Prozess zu mehr | |
Erkenntnissen über die dritte Generation der RAF führt. | |
Sie finden also den Aufwand gerechtfertigt, der betrieben wird, um die | |
RAF-Rentner zu fassen? | |
Ja. Weil ich glaube, dass es auch für das Rechtsgefühl in der Bevölkerung | |
nicht gut ist, dass Terroristen, die bekannt sind, einfach ein normales | |
Leben in dieser Gesellschaft führen können. Sie werden ja auch nicht nur | |
wegen der politischen Straftaten gesucht, sondern wegen gewöhnlicher | |
krimineller Taten. Die wahrscheinlichste Erklärung für die Waffenfunde in | |
Kreuzberg ist, dass diese Waffen in den letzten Jahrzehnten zur | |
Geldbeschaffung genutzt wurden. Um damit das Leben im Untergrund zu | |
finanzieren. | |
[1][Sie haben 1998 schon mal mit der taz gesprochen.] Damals sagten Sie, | |
dass der Staat selbstkritisch umgehen sollte mit seinem Vorgehen gegen die | |
RAF. Hat diese Selbstkritik seitdem stattgefunden? | |
Aus meiner Sicht zu wenig. Da gab es unterschiedliche Strömungen. Aber für | |
mich gehört es zur Aufarbeitung, dass man schaut: Wo haben vielleicht auch | |
staatliche Institutionen dazu beigetragen, eine Radikalisierung von | |
Terroristen und deren Unterstützern eher zu befördern als abzumildern? | |
Haben Sie den Eindruck, das läuft jetzt besser? | |
Ich habe das Gefühl, dass es in der öffentlichen Diskussion überhaupt keine | |
Rolle mehr spielt. Wegen der Verhaftung gibt es jetzt wieder eine enorme | |
öffentliche Aufmerksamkeit. Aber das ist sehr zyklisch. Im allgemeinen | |
spielt die Aufarbeitung der RAF-Geschichte kaum noch eine Rolle. Dazu | |
gehört auch die Frage, welche Fehler vielleicht in der Ermittlungsarbeit | |
gemacht wurden. | |
Sehen Sie Fehler in den Ermittlungen zum Mord Ihres Vaters? | |
Im Fall meines Vaters ist es so, dass die Ermittlungen zu keinen konkreten | |
Erkenntnissen geführt haben. Das liegt unter anderem daran, dass die dritte | |
Generation der RAF kaum noch Spuren hinterlassen hat. Das staatliche | |
Interesse, den Fall heute noch aufzuklären, scheint mir eher begrenzt zu | |
sein. | |
Nach der Ermordung Ihres Vaters haben seine Brüder, Ihre Onkel, sich in der | |
taz direkt an die RAF-Mitglieder gewandt. Das wurde damals scharf | |
kritisiert vom Generalbundesanwalt, weil man mit Terroristen nicht | |
kommunizieren dürfe. Hat dieser Brief etwas bewirkt? | |
Es gab durchaus Politiker, die das nicht kritisiert haben, sondern die das | |
sehr befürwortet und gelobt haben. Es gab sogar den | |
Gustav-Heinemann-Bürgerpreis dafür. Und es gab eine große | |
Leserbrief-Diskussion, gerade in der taz. Der offene Brief hat eine | |
sinnvolle und notwendige Diskussion ausgelöst, gerade auch im linken | |
Spektrum und in der Sympathisanten-Szene. Deswegen finde ich das auch nach | |
wie vor richtig. Denn viele Sympathisanten sahen es ja damals so: wenn die | |
RAF jemanden ermordet, dann wird der schon Dreck am Stecken gehabt haben. | |
So ähnlich klang das ja auch in dem Bekennerschreiben an. Für mich ist das | |
nach wie vor absurd und ein großes Thema. | |
Ihr Vater ist als Vertreter des Staates ermordet worden. Sie sind selbst | |
wieder in den sichtbaren Staatsdienst gegangen, hatten Sie nie Furcht, | |
selbst zum Ziel von Gewalt zu werden? | |
Ich bin nicht im Staatsdienst, sondern arbeite für ein Unternehmen, das dem | |
Staat gehört. Furcht hatte ich auch deshalb nicht, weil die RAF 1998 ihre | |
Auflösung erklärt hat. Aber das Gefühl, für das, was man mit seiner Arbeit | |
erreichen will, von anderen angegriffen zu werden, das ist schon hart. Bei | |
meinem Vater hat mich das fassungslos gemacht. Ich wusste, warum er in den | |
Auswärtigen Dienst gegangen ist und dass er sich da für | |
Völkerverständigung, für Frieden, für Versöhnung eingesetzt hat. Am Ende | |
hat er dafür mit dem Leben bezahlt. | |
Vertreter der liberalen Demokratie werden heute vermehrt angegriffen. | |
Könnte es da irgendwann zu physischer Gewalt kommen? | |
Ja, ich fürchte, das ist denkbar. Wir haben in den letzten Jahren bereits | |
eine Radikalisierung bis hin zu terroristischen Morden gesehen, wenn auch | |
eher von rechts. Auch beim NSU gab es durchaus Parallelen zur RAF. | |
Radikalisierung ist eine reale Gefahr, sowohl von der linken als auch von | |
der rechten Seite. | |
9 Mar 2024 | |
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## AUTOREN | |
Stefan Hunglinger | |
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