# taz.de -- RAF-Solidarisierungsdemo: Lasst sie doch Capoeira tanzen | |
> Etwa 200 Menschen solidarisieren sich bei einer Demo mit der | |
> festgenommenen RAF-Terroristin Daniela Klette. Die Polizei ist mit 450 | |
> Personen vor Ort. | |
Bild: „Freiheit für Daniela – Terroristisch ist das System“ | |
BERLIN taz | Es scheint als wären die RAF-Jäger*innen heiß auf Überstunden, | |
um ihrer neuen Lieblingsbeschäftigung nachzugehen. Anders ist der | |
Großaufmarsch an Polizist*innen, der am Samstagabend am Mariannenplatz | |
anrückt, kaum zu erklären. Unter dem Motto „Stoppt den Staatsterrorismus – | |
Solidarität mit den Untergetauchten und Gefangenen“ haben sich dort rund | |
200 Demonstrant*innen zur RAF-Solidarisierungsdemo versammelt. | |
Gegen 18 Uhr haben sich im Park damit ähnlich viele Demonstrant*innen | |
versammelt, wie Polizist*innen. Ein Großteil der Demoteilnehmer*innen | |
ist eher älter, im grauhaarigen Bereich, dazwischen wenige Jugendliche. In | |
schwarze Schals und Corona-Masken vermummt stehen Protestierende zunächst | |
in kleinen Grüppchen und halten Plakate in die Luft: „Freiheit für Daniela | |
– terroristisch ist das System“, steht auf einem, „Wo war der Staat bei d… | |
NSU-Aufklärung?“ auf einem anderen. Durch einen Lautsprecher werden | |
Solidaritätsbekundungen von verbündeten Gruppierungen vom Band abgespielt. | |
Sie fordern etwa einen „Stopp des Staatsterrorismus“, dieser wird den | |
Redner*innen zufolge durch den Staat, die Polizei und die Medien | |
ausgeübt. „Der Staat scheut keine Mittel, um seinen Rachedurst zu stillen | |
an denen, die das Machtmonopol in Frage stellen“, heißt es in einer | |
Solidaritätsbekundung. | |
„Die Menschenjagd wird zum Happening“, schallt es aus den Lautsprechern. | |
Bürger*innen würden „in alter deutscher Manier“ dazu aufgefordert, ihre | |
Nachbar*innen zu verraten. Gefördert werde die „Menschenjagd“ durch die | |
Medien, die sich durch das „Anbiedern als Hilfspolizisten“ hervorhöben. Die | |
Antwort der Demonstrant*innen auf die „staatliche Offensive“ sei | |
„Internationale Solidarität“. „Egal, wie man die RAF und ihre Taten | |
beurteilt, [1][sie sind Teil unserer Bewegungsgeschichte]“, tönt es über | |
den Platz. | |
## Medienkontakt unerwünscht | |
Das Bild der Medien als Hilfspolizist*innen scheint Eindruck | |
hinterlassen zu haben: Mit dem „Drecksblatt“, wie einer die taz bezeichnet, | |
wollen die meisten Demoteilnehmer*innen nicht sprechen. Zwei | |
Jugendliche geben jedoch an teilzunehmen, „[2][wegen der Cops und dem | |
Wohnheim]“, nicht, weil sie der Meinung seien, „Daniela“ habe „alles | |
richtig gemacht“. | |
Ein anderer Jugendlicher findet: „[3][Ist doch scheiße mit den ganzen | |
Wohnungsdurchsuchungen].“ Er sagt auch, dass er die Capoeira-tanzende | |
Rentnerin, in deren Wohnung eine Kalashnikov und eine Panzerfaustgranate | |
sichergestellt wurde, ungefährlich findet. Ihre Taten seien wohl eh | |
verjährt: „Lass die doch in Ruhe“. | |
Neben Kritik, etwa an dem Vorgehen der Polizei, oder der „Boulevardblätter, | |
denen jedes kleine Detail eine Schlagzeile wert ist“, werden auch deutlich | |
unterstützende Stimmen laut: „Daniela ist jemand, die was super tolles | |
gemacht hat und uns geschützt hat vor dem Rechtsterrorismus“, sagt ein Mann | |
mittleren Alters. Klette habe nie etwas Falsches getan, man könne ihr | |
nichts nachweisen. | |
Als der Demomarsch vom Mariannenplatz loszieht, wird die Absurdität des | |
Polizeiaufmarsches noch einmal augenfällig: Denn deutlich mehr | |
Polizist*innen als Demonstrant*innen sind unterwegs. Vom | |
Mariannenplatz ziehen die nach Schätzung der Polizei rund 200 | |
Demonstrant*innen und nach eigenen Angaben 450 Polizist*innen in | |
Richtung Görli, unter anderem durch die Sebastianstraße, in der Klette bis | |
zu ihrer Festnahme wohnte. | |
## Polizei rechnete mit Pyrotechnik | |
Auf Anfrage der taz, warum so ein großes Polizeiaufgebot notwendig gewesen | |
sei, heißt es: Man sei davon ausgegangen, dass Vermummungen angelegt, | |
Pyrotechnik gezündet und polizeifeindliche Sprechchöre gerufen würden. Mit | |
der Einschätzung lag man nicht falsch, doch anscheinend hat die Polizei das | |
Mobilisierungspotential dann doch etwas überschätzt. | |
Immer wieder werden „Wir sind nicht alle, es fehlen die Gefangenen“-Rufe | |
laut. Hier und da werden Böller geknallt, Pyro oder Feuerwerke gezündet. | |
Als der Demozug auf die Adalbertstraße einbiegt, zieht sich die Polizei | |
Schutzhelme auf, vielleicht auch nur, um die „BRD-Bullenstaat, wir haben | |
dich zum Kotzen satt“-Rufe nicht so deutlich hören zu müssen. | |
Angekommen am Lausitzer Platz setzten die Demonstrant*innen mit | |
„Bullen, Schweine…“ an, und noch bevor der Demoruf beendet werden kann, | |
haben sie sich in alle Richtungen verteilt und sind wie vom Erdboden | |
verschluckt. Die Polizei beobachtet das Spektakel wie bestellt und nicht | |
abgeholt. Darauf folgt eine Görli-Version von Räuber und Gendarmen rund um | |
den Lausitzer Platz: Sprintende Demoteilnehmer*innen gejagt von | |
Mannschaftswagen mit quietschenden Reifen. Gegen 19:30 Uhr erklären die | |
Anmelder*innen die Demo vorzeitig für beendet. | |
10 Mar 2024 | |
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## AUTOREN | |
Lilly Schröder | |
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