Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Demo für Ex-RAF-Terroristin: Große Aufregung, kaum Andrang
> Kundgebung vor der JVA Vechta, in der Daniela Klette einsitzt: Alle
> Gefangenen haben Solidarität verdient, betonen die Aktivist*innen am
> Sonntag.
Bild: Hinter Gitter wohl gut zu hören: „Solidarität für Daniela“-Demo am…
Bremen taz | Als sie die Kundgebung am Sonntagmittag eröffnet, lehnt
[1][Ariane Müller] an einem verstaubten alten Volvo. „Bis jetzt ist ja mehr
Presse da als Teilnehmerinnen und Teilnehmer“, sagt sie trocken, bevor sie
die Auflagen verliest. Müller ist umringt von Journalist*innen mit
Foto- und Videokameras.
Aus der Lautsprecherbox, die auf dem Auto steht, singt Rio Reiser gerade
„Keine Macht für Niemand“. Rund 25 Menschen sind dem Aufruf zur Kundgebung
„Solidarität für Daniela“ gefolgt und stehen vor der Justizvollzugsanstalt
(JVA) für Frauen in Vechta. Der Backsteinbau, der zentral in der Innenstadt
von Vechta liegt, steht in gleißendem Sonnenschein.
Ende Februar war [2][das mutmaßliche ehemalige RAF-Mitglied Daniela Klette]
nach drei Jahrzehnten im Untergrund in einer Wohnung in Berlin festgenommen
worden. Sie wird unter anderem verdächtigt, im März 1993 am
Sprengstoffanschlag gegen die JVA Weiterstadt beteiligt gewesen zu sein,
der als letzter Terroranschlag der RAF gilt. Auch werden ihr zweifacher
versuchter Mord, Raubüberfälle mit Schusswaffen und weitere
Sprengstoffanschläge vorgeworfen. Seit Ende Februar sitzt Klette in Vechta
in Untersuchungshaft.
Aufgerufen hatte die Gruppe „Solidarität mit Daniela Klette“, Müller hat
die Kundgebung angemeldet. Man wolle Solidarität mit Daniela Klette „und
den Verfolgten“, aber auch „mit unserer eigenen Geschichte“ zeigen, heißt
es in einem Aufruf zur Demo. Die Stadtguerilla sei Teil linker Politik und
„trotz ihrer Fehler ein Versuch, dieses verbrecherische System aus den
Angeln zu heben“, heißt es in dem Text weiter. Zudem stehe der Termin am
17. März im „Kontext mit dem 18. März, dem Tag der politischen Gefangenen�…
## Stress im Vorfeld für die Anmelderin
Anmelderin Müller ist Intensivpflegerin und Betriebsrätin im von der
Gesundheit Nord (Geno) betriebenen Klinikum Bremen Mitte. Der Betriebsrat
der Geno hatte Müller in der vergangenen Woche, als Reaktion auf ihre
Demo-Anmeldung, den Status „freigestellt“ entzogen. Gegenüber dem
Regionalmagazin „buten un binnen“ hatte Müller gesagt, sie könne sehr wohl
zwischen ihrer Betriebsratstätigkeit und ihrem Privatleben unterscheiden.
Auch die Geno als Arbeitgeberin reagierte. Gegenüber dem Weser Kurier hatte
sich die Sprecherin der Geno-Geschäftsführung Karen Matiszick, „aufs
Schärfste“ von Müller distanziert und angekündigt, dass die Geno auch
arbeitsrechtliche Konsequenzen prüfen werde.
Die 70-Jährige engagierte sich in der Vergangenheit in verschiedenen
Bündnissen gegen Stellenabbau und für bessere Arbeitsbedingungen im
medizinischen Bereich. 2021 wurde sie auf Grund ihres jahrelangen
Engagements zur „Bremer Frau des Jahres“ gekürt.
„Alle Türen waren offen, die Gefängnisse leer“, tönt es nun aus der
Lautsprecherbox, nachdem Müller die Auflagen vorgelesen hat. Einige
Demoteilnehmer*innen stehen gelassen und in kleinen Grüppchen
zusammen in der Sonne. Etwa die Hälfte scheint im Alter von Daniela Klette
zu sein, trägt praktische Rucksäcke, Jutebeutel und Outdoorjacken oder
ausgeblichene Kapuzenpullis. Die restlichen Demonstrant*innen sind
zwischen 20 und 30. Viele von ihnen tragen schwarze Kleidung, Mützen und
Caps – einige haben sich mit Schals oder Atemschutzmasken vermummt.
## CDU mit Gegendemo
Nur 200 Meter weiter findet an diesem Tag eine weitere Kundgebung statt.
Als Reaktion auf die Kundgebung für Klette hatte der CDU-Kreisverband zu
einer „Gedenkstunde für die Opfer der RAF“ aufgerufen. „Keine Solidarit�…
mit Terroristen“ heißt es im Aufruf der CDU, die dazu auffordert „gegen
Terror und für unsere Werte“ zusammenzustehen. Rund 100 Menschen sind zu
der CDU-Veranstaltung gekommen.
Ein Redner betont, dass aber auch andere Parteien und Organisationen den
Aufruf geteilt hätten. Der Bürgermeister von Vechta, Kristian Kater (SPD),
spricht in seiner Rede von der „wehrhaften Demokratie“, die dem Extremismus
widersprechen müsse und zieht auch Parallelen zu den vielen
Demonstrationen der letzten Wochen gegen Rechtsextremismus. Einige
Menschen halten Schilder mit den Namen der RAF-Opfer. Später werden die
Namen der Opfer verlesen.
Auf dem Franziskanerplatz, dem Kundgebungsort vor der JVA, spricht Ariane
Müller nun über das Mikrofon Daniela Klette direkt an: „Wir grüßen dich
ganz herzlich mit einer riesigen Umarmung.“ Zwischen den Redebeiträgen
spielen die Organisator*innen immer wieder die beiden „Ton, Steine
Scherben“-Lieder ab.
Ein weiterer Redner betont, dass die Teilnehmer*innen mit der
Kundgebung ja nicht die RAF unterstützen würden, die ja schon seit 26
Jahren aufgelöst ist, sondern dass vielmehr „alle Gefangenen Solidarität
und Grüße“ brauchen. Eine Anti-Atom-Aktivistin, die selbst schon einmal in
der JVA Vechta gesessen habe, kritisiert die „Zwangsarbeit zu extrem
niedrigen Löhnen“, die in Gefängnissen stattfinde.
## Unterschiedliche Motive bei den Teilnehmer*innen
Für Elisabeth Aufurth ist die Kundgebung eine Möglichkeit, Solidarität zu
zeigen. Und zwar „für Menschen, deren Handeln ich schon verstehen kann“.
Die 70-Jährige ist extra aus dem benachbarten Kreis Diepholz nach Vechta
angereist. Während ihres Berufslebens sei es schwierig gewesen, solidarisch
zu sein, da habe sie lieber geschwiegen. Jetzt sei das anders. „Wenn sie
das wahrnehmen würde, dass wir hier sind, wäre das schon ganz toll“, sagt
Aufurt und meint Klette.
Ein weiterer Teilnehmer sagt, er sei erst nach der Auflösung der RAF
geboren. Er findet nicht, dass die RAF alles richtig gemacht hat. Aber es
sei schon „inspirierender und konsequenter“ als viele andere Versuche, „d…
kapitalistische System“ abzuschaffen.
Ein 27-Jähriger ist aus Bremen angereist. Er sei vor allem wegen der
„[3][medialen Hetzjagd] im Zusammenhang mit der Verhaftung von Daniela
Klette“ gekommen. „Die Repression trifft nicht nur die Verhaftete, sondern
die gesamte linke Bewegung“, sagt er. Mehrere linke Projekte in Berlin
seien ja zuletzt schon mit rabiaten Methoden von der Polizei gestürmt
worden.
17 Mar 2024
## LINKS
[1] /Pflegerin-und-Aktivistin-Ariane-Mueller/!5821082
[2] /RAF-Solidarisierungsdemo/!5997087
[3] /Aktuelle-Obsession-mit-der-RAF/!5994629
## AUTOREN
Franziska Betz
## TAGS
Rote Armee Fraktion / RAF
Demonstration
Linksextremismus
Vechta
Niedersachsen
Rote Armee Fraktion / RAF
Kundgebung
Rote Armee Fraktion / RAF
Podcast „Bundestalk“
Rote Armee Fraktion / RAF
Rote Armee Fraktion / RAF
## ARTIKEL ZUM THEMA
Veranstaltung zur RAF in Kreuzberg: Daniela Klette grüßt den Untergrund
Bei einer Podiumsdiskussion über den „bewaffneten Kampf“ wird ein Brief von
Daniela Klette verlesen. Ihr Anwalt weist einen Anklagepunkt zurück.
Rausschmiss nach Soli-Demo für Klette: Deutscher Herbst in Bremer Klinik
Weil sie eine Kundgebung fürs mutmaßliche RAF-Mitglied Daniela Klette
organisierte, beurlaubt der Bremer Klinikträger die Betriebsrätin Ariane
Müller.
Nach Soli-Demo für RAF-Gefangene: Wunsch nach Strafe für Solidarität
Ihr Arbeitgeber will Ariane Müller bestrafen, weil sie eine Soli-Demo für
Daniela Klette organisiert hat. Dahinter steckt die Angst vor Schlagzeilen.
Podcast „Bundestalk“: Von der RAF bis zur Vulkangruppe
Daniela Klette wird verhaftet – und plötzlich ist die RAF wieder überall.
Hatten wir die linke Terrortruppe zu früh vergessen?
Aktuelle Obsession mit der RAF: Aufarbeitung sähe anders aus
Natürlich sind Ex-Terrorist*innen, die Banküberfälle begehen, eine Gefahr.
Aber keine, die eine solche Aufblähung des Staatsapparats legitimiert.
RAF-Solidarisierungsdemo: Lasst sie doch Capoeira tanzen
Etwa 200 Menschen solidarisieren sich bei einer Demo mit der festgenommenen
RAF-Terroristin Daniela Klette. Die Polizei ist mit 450 Personen vor Ort.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.