# taz.de -- Ausgesetzte Vermögenssteuer: 380 Milliarden Euro Schaden | |
> Die Regierung unter Kohl setzte 1996 die Vermögenssteuer aus. Das Geld | |
> fehlt jetzt. Eine Wiedererhebung scheitert auch am Widerstand der FDP. | |
Bild: Spricht sich gegen die Wiedererhebung der Vermögenssteuer aus: Christian… | |
Berlin taz | Während die Ampel-Koalition sich derzeit über den [1][Haushalt | |
für das nächste Jahr] streitet, gäbe es eine Möglichkeit, Milliarden für | |
notwendige Investitionen einzunehmen: die Wiedererhebung der | |
Vermögenssteuer. Ihre Aussetzung im Jahr 1996 hat die öffentlichen | |
Haushalte bisher 380 Milliarden Euro an Mindereinnahmen gekostet. Dies geht | |
aus einer Studie hervor, die das Netzwerk Steuergerechtigkeit und die | |
Nichtregierungsorganisation Oxfam am Dienstag veröffentlichten. Diese Summe | |
entspricht rund 80 Prozent des Bundeshaushaltes für dieses Jahr. | |
„Anstatt im Bundeshaushalt zum Kahlschlag unter anderem bei der | |
Entwicklungszusammenarbeit und bei Sozialausgaben anzusetzen, sollte die | |
Bundesregierung die Besteuerung sehr hoher Vermögen endlich auf die | |
Tagesordnung setzen“, erklärte der Oxfam-Experte für soziale Gerechtigkeit, | |
Manuel Schmitt. So könnten die demokratiegefährdende Vermögenskonzentration | |
verringert und dringend benötigte finanzielle Mittel für den sozialen | |
Zusammenhalt und den Klimaschutz generiert werden – in Deutschland und | |
weltweit. | |
Schließlich weist Deutschland laut dem Global Wealth Report 2023 der | |
Schweizer Banken Credit Suisse und UBS von den vier großen | |
Wirtschaftsmächten der EU vor Frankreich, Spanien und Italien die höchste | |
Ungleichheit bei den Vermögen auf. So konnten die Superreichen in den | |
vergangenen Jahrzehnten deutlich an Vermögen zulegen. Die hundert Reichsten | |
Deutschlands häuften seit dem Jahr 2001 rund 460 Milliarden Euro zusätzlich | |
an. | |
Mit der Vermögenssteuer könnte die Politik dieser wachsenden Ungleichheit | |
entgegenwirken. Doch 1996 monierte das Bundesverfassungsgericht in einem | |
Urteil eine Ungleichbehandlung zwischen Immobilien und anderen Vermögen. | |
Statt den Missstand zu beheben und Immobilen höher zu besteuern, setzte die | |
schwarz-gelbe Bundesregierung unter Helmut Kohl die Steuer damals aus. | |
## FDP ist gegen die Vermögenssteuer | |
Seitdem wurde immer wieder die Wiedererhebung der Vermögenssteuer | |
gefordert. So sprachen sich die Grünen und die SPD bei der Bundestagswahl | |
2021 dafür aus. Doch scheiterte die Wiedererhebung am Widerstand der FDP. | |
„Eine Vermögenssteuer lehne ich ab. Eine Diskussion über die Besteuerung | |
aber in Deutschland ist angebracht“, schrieb [2][Finanzminister Christian | |
Lindner] im November 2022 in einem Gastbeitrag für das Handelsblatt. Durch | |
eine Wiedererhebung würden Investitionen im Ausland attraktiver. „Das | |
theoretisch erhoffte Aufkommen wird sich bei uns also nicht einstellen“, | |
behauptete Lindner damals. | |
Ein weiteres Argument, das gerne gegen die Vermögenssteuer angebracht wird, | |
lautet, dass Milliardäre und Superreiche ihr Vermögen bei einer | |
Wiedererhebung ins Ausland schaffen würden und die Steuer deswegen nicht zu | |
Mehreinnahmen führen würde. Für die Studienautor*innen vom Netzwerk | |
Steuergerechtigkeit und Oxfam gilt dieses Argument allerdings nicht. „Die | |
Angst vor der Steuerflucht ist in der Bevölkerung genauso wie in der | |
Politik weit verbreitet. Aber die Angst ist irrational. Steuerflucht ist | |
kein Schicksal und auch kein Massenphänomen“, sagte Christoph Trautvetter | |
vom Netzwerk Steuergerechtigkeit. | |
Gleichzeitig hat Deutschland laut seiner Studie in den vergangenen | |
Jahrzehnten umfassende Regeln eingeführt, die Steuerflucht massiv | |
erschweren. Demnach müsste zum Beispiel BMW-Erbin Susanne Klatten knapp 6,5 | |
Milliarden Euro an den Fiskus zahlen, wollte sie mit ihrem Vermögen ins | |
Ausland ziehen. Dies entspräche rund 30 Prozent ihres geschätzten Besitzes. | |
Laut der Studie hätte der Fiskus im vergangenen Jahr durch die | |
Vermögenssteuer etwa 30 Milliarden Euro einnehmen können. Dieses Geld wäre | |
den Bundesländern zugutegekommen. Davon profitiert hätten potenziell auch | |
die Kommunen, da die Länder laut dem Bundesfinanzministerium dafür | |
verantwortlich sind, „den Kommunen eine für ihre Aufgaben adäquate | |
Finanzausstattung zukommen zu lassen“. | |
## Hoher Finanzbedarf bei Kommunen | |
Gleichzeitig ist insbesondere auf kommunaler Ebene der Investitionsstau | |
immens. Expert*innen des gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomie | |
und Konjunkturforschung (IMK) sowie des arbeitgebernahen [3][Instituts der | |
deutschen Wirtschaft (IW)] schätzten jüngst den Bedarf für die kommunale | |
Infrastruktur für die nächsten zehn Jahre auf insgesamt 177,2 Milliarden | |
Euro. Hinzu kommen 28,5 Milliarden Euro für den Ausbau des öffentlichen | |
Nahverkehrs. | |
2 Jul 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Diskussion-ueber-Bundeshaushalt-2025/!6021191 | |
[2] /Haushaltsverhandlungen-der-Ampelkoalition/!6018431 | |
[3] /Oekonom-Huether-ueber-die-Schuldenbremse/!6014209 | |
## AUTOREN | |
Simon Poelchau | |
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