Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- EU-Paket zur Asylpolitik: Reform für mehr Abschreckung
> Jahrelang rang die EU um eine neue Asylpolitik. Menschenrechtler rechnen
> mit mehr illegalen Pushbacks und einem kruden Geflecht an Sonderregeln.
Bild: Rettungsaktion im Mittelmeer: Werden mit der neuen Reform mehr Geflüchte…
Berlin taz | So richtig hatte niemand mehr daran geglaubt. Nach mehr als
achtjährigen Verhandlungen einigten sich die EU-Innenminister*innen Mitte
2023 auf [1][eine grundlegende Reform der EU-Asylpolitik.] Mittlerweile
haben EU-Parlament und Rat der EU das Verordnungspaket offiziell
beschlossen. Die EU setzt mit der Reform deutlicher als je zuvor darauf,
Geflüchtete per massiver Abschreckung fernzuhalten. Alle Geflüchteten
sollen an den Grenzen künftig ein Screening durchlaufen.
Personen aus Ländern, bei denen die Asylanerkennungsquote europaweit unter
20 Prozent liegt, [2][sollen anschließend kein normales Asylverfahren],
sondern ein beschleunigtes Grenzverfahren durchlaufen. Dafür werden sie
maximal drei Monate in gefängnisähnlichen Lagern inhaftiert, auch Familien
mit Kindern sind davon nicht ausgenommen. Wessen Asylantrag abgelehnt wird,
soll direkt aus dem Haftlager zurückgeschoben werden. Während Screening und
Grenzverfahren gelten die Geflüchteten juristisch als nicht eingereist und
haben deswegen nur schwer Zugang zu rechtlicher Beratung.
Auch wer über einen sogenannten sicheren Drittstaat einreist, soll ein
Grenzverfahren durchlaufen, in der Regel abgelehnt und dann in den
Drittstaat abgeschoben werden. Zudem wurden die Kriterien dafür, was einen
Staat „sicher“ macht, deutlich abgesenkt.
[3][Teil des Reformpakets] ist aber auch die sogenannte Krisenverordnung.
Die legt fest, dass viele der Einschränkungen, die normalerweise im Umgang
mit Geflüchteten noch gelten, in bestimmten Fällen nicht mehr angewendet
werden müssen. Die Verordnung soll greifen, wenn die Zahl der Geflüchteten
massiv steigt, wenn „höhere Gewalt“ im Spiel ist oder Geflüchtete von
anderen Staaten instrumentalisiert werden. Letzteres bezieht sich auf Fälle
wie den an der Grenze zu Belarus, dessen Regime Geflüchtete nach Polen oder
die baltischen Staaten schickt, um Druck auf die EU auszuüben.
## Lasten in der EU nach wie vor ungleich verteilt
Besteht ein solcher Krisenfall, können die Grenzverfahren massiv
ausgeweitet werden und Unterbringungsstandards abgesenkt werden.
Geflüchtete dürfen dann nicht nur deutlich länger in Haft genommen werden,
auch Gruppen, die sonst ausgenommen sind, dürfen dann den Grenzverfahren
unterworfen werden. Auch die Frist, in der Schutzgesuche neu angekommener
Geflüchtete offiziell registriert werden, verlängert sich im Krisenfall
deutlich.
[4][Menschenrechtsorganisationen fürchten], dass es dadurch einfacher wird,
illegale Pushbacks zu verschleiern, bei denen Geflüchtete direkt zurück
über die Grenze gezwungen werden, ohne dass sie einen Asylantrag stellen
können. Insgesamt könnte die Krisenverordnung ein undurchsichtiges Geflecht
von Sonderregelungen schaffen, das Rechtsbrüche erleichtert und Kontrolle
durch Medien und Zivilgesellschaft erschwert.
Einen echten – das heißt bindenden – Verteilmechanismus für Geflüchtete
sieht die GEAS-Reform nicht vor. Damit bleibt eins der zentralen Probleme
in der EU weiter ungelöst. Dass Staaten wie Ungarn, die keine Geflüchteten
aufnehmen, nun Geld zahlen müssen oder andere Unterstützung leisten sollen,
ändert nichts daran, dass die Lasten der Migrationsbewegungen nach Europa
weiter höchst ungleich verteilt bleiben. Ab 2026 treten die Verordnungen in
Kraft.
2 Jun 2024
## LINKS
[1] /Die-EU-vor-der-Europawahl-2024/!6003175
[2] /Reform-des-EU-Asylsystems/!6000276
[3] /Asylrecht-in-der-Europaeischen-Union/!5979217
[4] /Europaeische-Asylrechtsreform-Geas/!6003865
## AUTOREN
Frederik Eikmanns
## TAGS
Schwerpunkt Europawahl
Asyl
Migration
Schwerpunkt Flucht
GNS
Friedrich Merz
Sozialarbeit
Migration
Asylpolitik
Schwerpunkt Flucht
Schwerpunkt Europawahl
Schwerpunkt Europawahl
Grüne
Geflüchtete
Schwerpunkt Flucht
Ruanda
Schwerpunkt Flucht
Migration
## ARTIKEL ZUM THEMA
Debatte über EU-Asylpolitik: Keine schnelle Lösung in Brüssel
Die EU stellt sich auf eine neue Migrationsdebatte ein. Kommissionschefin
Ursula von der Leyen bleibt derweil gelassen.
Roman über Migration: Die Erfahrungen der anderen
„Die goldene Stunde“ von Wytske Versteeg ist ein vielschichtiger Roman über
Flucht und Trauma. Der Kern seines Erzählens ist Empathie.
Migrationspolitik in der EU: Tödliche Außengrenze
Neue Berichte machen Grenzschützer für den Tod von Migranten
mitverantwortlich. Dieses Jahr sind bereits 1.018 Menschen im Mittelmeer
gestorben.
EuGH-Urteil zu Asylpolitik: Hohe Geldstrafe für Ungarn
Die Regierung in Budapest profiliert sich mit harter Asylpolitik auch gegen
die EU. Nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs wird das jetzt
teuer.
Streit um Schutz für Geflüchtete: Nächste Runde in der Asyldebatte
Markus Söder und Christian Dürr fordern, subsidiären Schutz für Geflüchtete
abzuschaffen. Warum das kritisiert wird – und nix ändern würde.
Die tazzigsten EU-Richtlinien: Wenn die EU am Frühstückstisch sitzt
Von Plastikdeckeln, über Mindestlohn bis zum Bootslack und Maßnahmen gegen
Burnout: Die EU hat Regeln für alle Lebenslagen. Eine Auswahl aus
taz-Sicht.
Geflüchtete als Waffe: Strategie der hybriden Kriegsführung
Die Erzählung irregulärer Migration als Gefahr hält sich seit Langem. Die
EU-Staaten setzen auf Abwehr und spielen damit Diktatoren in die Hände.
Grüne vor der EU-Wahl: No Asyl
Auf ihrem Länderrat preisen sich die Grünen als Partei gegen den Rechtsruck
und für den Green Deal. Nur über die Asylpolitik reden sie lieber nicht.
Sachverständigenrat zu Migrationspolitik: Zwischen Restriktion und Öffnung
Der Sachverständigenrat Migration lobt die GEAS-Reform und das
Fachkräfteeinwanderungsgesetz. Allerdings gibt es auch Kritik im
Jahresgutachten.
Geflüchtete auf Lesbos: Mahnmal im Mittelmeer
Auf der griechischen Insel Lesbos blickt man ratlos auf den beschlossenen
europäischen Asylpakt. Derweil wird ein Friedhof zum Symbol für
Menschlichkeit.
Reform des EU-Asylsystems: Drittstaaten-Deals und Abschreckung
Gegen Migration setzt die EU auf Lager an den Außengrenzen und
Kooperationen mit Transitländern. Manchen geht das nicht weit genug.
EU-Einigung auf Asylreform: Die grüne Flucht nach rechts
Die Neuordnung des EU-Asylsystems bedeutet für Flüchtlinge Inhaftierung und
mögliche Abschiebung in Kriegsgebiete. Es zwingt die Grünen zu
Verrenkungen.
Abstimmung in Brüssel: EU-Parlament stimmt für Asylreform
Lange war in der EU über die Reform gestritten worden. Jetzt sollen
schnellere Asylverfahren an den Außengrenzen kommen. Und ein
Solidaritätsmechanismus.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.