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# taz.de -- Migrationspolitik in der EU: Tödliche Außengrenze
> Neue Berichte machen Grenzschützer für den Tod von Migranten
> mitverantwortlich. Dieses Jahr sind bereits 1.018 Menschen im Mittelmeer
> gestorben.
Bild: Viele Tote und Vermisste Migrant:innen: Ein halbgesunkenes Segelboot süd…
Berlin taz | Während am Weltflüchtlingstag deutsche Innenminister und
Ministerpräsidenten über weitere Asylrechtsverschärfungen diskutieren, gibt
es neue Berichte über Tod und Gewalt an den EU-Außengrenzen. Am Montag
[1][schrieb die BBC], dass griechische Grenzschützer von 2020 bis 2023 den
Tod durch Ertrinken von mindestens 43 Menschen verursacht haben sollen.
Neun von ihnen seien demnach gefesselt ins Wasser geworfen worden.
Ebenfalls am Montag meldete die [2][NGO Alarm Phone], dass 120 Seemeilen
südlich von Italien ein Boot mit etwa 70 Menschen an Bord kenterte. Nur 12
Menschen konnten gerettet werden. Bei einem weiteren Unglück, ebenfalls am
Montag, wurden zehn Leichen in dem mit Wasser vollgelaufenen Unterdeck
eines Holzbootes vor Lampedusa gefunden. „Es ist eine Qual“, kommentierte
Filippo Mannino, der Bürgermeister von Lampedusa. 95 Tote im Mittelmeer
zählt die [3][UN-Migrationsorganisation IOM] im Mittelmeer in der ersten
Junihälfte, 1.018 in diesem Jahr.
Derweil präsentierte die NGO Border Forensics [4][einen Bericht] über einen
mittlerweile zwei Jahre zurückliegenden Vorfall, der als „Massaker von
Melilla“ bekannt geworden war. Am 24. Juni 2022 hatten rund 2.000
überwiegend aus dem Südsudan stammende Menschen versucht, die Grenzanlagen
der spanischen Exklave Melilla zu überwinden. Mindestens 27 Menschen
starben dabei, es war die bis heute höchste Zahl von Toten an einem
einzigen Tag an einer EU-Landgrenze. Zudem werden seither rund 70 Menschen
vermisst, insgesamt dürfte die Zahl der Getöteten höher liegen.
Der Bericht zeigt nun: „Die meisten Todesfälle ereigneten sich zwar unter
der Kontrolle marokkanischer Grenzschützer, aber auf spanischem Gebiet“,
schreiben die Autor:innen des Berichts. Bisher war davon ausgegangen
worden, dass die Menschen auf der marokkanischen Seite zu Tode kamen.
Videoaufnahmen von dem Tag zeigen, wie marokkanische Soldaten Steine auf
Flüchtlinge werfen, die die Zäune zu überklettern versuchen. Die Migranten
wurden „festgesetzt und unter den Schlägen der Knüppel in ein von den
Behörden abgesperrtes, kaum 200 Quadratmeter großes Areal geschleppt“,
heißt es in einem Bericht der marokkanischen Menschenrechtsliga AMDH.
Videoaufnahmen zeigen auch dies. Dort wurden die Verletzten auf dem Boden
übereinandergelegt, weiterhin mit Schlagstöcken geschlagen und getreten.
Verweigerung medizinischer Versorgung
Die [5][NGO Caminando Fronteras] hatte Zeugenaussagen der Betroffenen
gesammelt und geht von diversen Ursachen für die Verletzungen aus, die
teils tödlich endeten: Atemnot durch exzessiven Einsatz von Tränengas im
Innern der Grenzanlage, Herabstürzen, Totgetrampeltwerden, Schläge mit
einfachen und mit elektrischen Schlagstöcken, scharfe Munition, verweigerte
Hilfe sowie Abtransport Verwundeter ohne medizinische Versorgung.
In der Folge des 24. Juni wurden 65 Migranten strafrechtlich verfolgt.
Mindestens 11 von ihnen wurden zu drei Jahren Haft verurteilt. Ermittlungen
der spanischen Staatsanwaltschaft wurden 2022 eingestellt. Der Report wurde
unter anderem von Pro Asyl, der Robert Bosch Stiftung, medico und der
Rosa-Luxemburg-Stiftung finanziert. Es handele sich um „eines der
schwersten Verbrechen der vergangenen Jahrzehnte an den europäischen
Grenzen“, sagte Kerem Schamberger von medico international. „Die
Verantwortlichen für den staatlichen Gewaltexzess müssen endlich auf beiden
Seiten der Grenze zur Rechenschaft gezogen werden. Die Straflosigkeit muss
ein Ende haben“, so Karl Kopp, Geschäftsführer von Pro Asyl.
19 Jun 2024
## LINKS
[1] https://www.bbc.com/news/articles/c0vv717yvpeo
[2] https://alarmphone.org/en/
[3] https://www.migrationdataportal.org/institute/international-organization-mi…
[4] https://www.borderforensics.org/investigations/nadormelilla/
[5] https://caminandofronteras.org/en/
## AUTOREN
Christian Jakob
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Migration
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