# taz.de -- Die tazzigsten EU-Richtlinien: Wenn die EU am Frühstückstisch sit… | |
> Von Plastikdeckeln, über Mindestlohn bis zum Bootslack und Maßnahmen | |
> gegen Burnout: Die EU hat Regeln für alle Lebenslagen. Eine Auswahl aus | |
> taz-Sicht. | |
Bild: Europa im Alltag: EU-Graffiti in Frankfurt/Main | |
## Lasst die Plastikdeckel dran! | |
„Lass mich dran“, rufen zahlreiche Plastikdeckel und warnen: Bitte nicht | |
abreißen, das gehört so! Was bereits viele Hersteller an Milchkartons und | |
Wasserflaschen freiwillig verändert haben, ist ab dem 3. Juli diesen Jahres | |
in Deutschland verpflichtend: die „Tethered Caps“. | |
Die festen Plastikdeckel sollen an Tetrapacks und Plastikflaschen befestigt | |
sein, die ganz oder zu Teilen aus Kunststoff bestehen und ein Volumen von | |
bis zu drei Litern besitzen. Die Deckel sind Teil [1][der EU-Richtlinie | |
2019/904] vom 5. Juni 2019 zur „Verringerung der Auswirkungen bestimmter | |
Kunststoffprodukte auf die Umwelt“. Dank ihr gibt es seit 2020 keine | |
Plastiktüten an Supermarktkassen, Plastikbesteck und -strohhalme sind seit | |
Juli 2021 verboten. Damit soll weniger Plastikmüll unter anderem in den | |
Meeren landen. | |
Laut Untersuchungen an europäischen Stränden am Mittelmeer, der Nord- und | |
Ostsee sowie dem Atlantik sind 80 bis 85 Prozent des Meeresmülls in der EU | |
Kunststoffe – bei der Hälfte handelt es sich um Einwegkunststoffartikel. | |
Einen Teil davon machen Plastikdeckel aus: An der Nordsee im Durchschnitt | |
auf 100 Meter Strand sind das 43 Deckel. | |
Neben der Umweltbilanz hofft die EU auch den Recyclingprozess durch die | |
festen Deckel zu verbessern. Denn die Flasche und ihre Kappe bestehen aus | |
verschiedenen Kunststoffen, mit unterschiedlichem Gewicht. Die Kappen sind | |
leichter und werden daher teilweise falsch aussortiert und nicht wieder | |
verwertet. Spielen die Plastikdeckel überhaupt eine relevante Rolle für die | |
Plastikverschmutzung? | |
Für Philip Heldt, Referent für Ressourcenschutz bei der | |
Verbraucherzentrale, geht die Richtlinie nicht weit genug: „Die Kappen sind | |
nur ein Detail. Insgesamt verbrauchen wir noch viel zu viele | |
Einwegprodukte, die unsere Umwelt zumüllen.“ Man müsse den Fokus stärker | |
auf Mehrwegangebote und sparsame Produktverpackungen legen. Anastasia | |
Zejneli | |
## Wider das Ausbrennen | |
Wann wohl die ersten Prognosen aus Italien kommen würden, war eine der | |
Fragen, die die diensthabenden Redakteur:innen am Tag der Wahl zum | |
EU-Parlament umgetrieben hat. Spät, sehr spät, lautete die Antwort. Und | |
natürlich ist die zuständige Redakteurin dann noch im Dienst. So wie sie am | |
Vormittag schon im Dienst war und so wie sie am Vormittag des Folgetags im | |
Dienst sein würde. Klar, wirklich gesund kann das nicht sein. | |
Das Bewusstsein dafür, wie gefährlich andauernder Stress am Arbeitsplatz | |
sein kann, ist über die Jahre kontinuierlich gestiegen. Die | |
„Rahmenrichtlinie [2][89/391/EWG] über die Durchführung von Maßnahmen zur | |
Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer | |
bei der Arbeit“ jedenfalls konnte das nicht verhindern. Die gilt schon seit | |
1989. Da nannte sich das, was sich später als Europäische Union verfasst | |
hat, noch Europäische Wirtschaftsgemeinschaft. | |
Gemäß der Richtlinie sind Arbeitgeber dazu verpflichtet, Risiken zu | |
bewerten, diese den Mitarbeitenden mitzuteilen und sich über | |
Präventionsmaßnahmen Gedanken zu machen. So mancher Qigong-Kurs, der in | |
einem Unternehmen zur Entspannung der Angestellten angeboten wird, mag auf | |
diese gute, alte Richtlinie zurückgehen. Die gilt in Zeiten, in denen | |
Arbeitnehmer:innen über ihre mobilen Endgeräte eigentlich immer zu | |
erreichen sind, als überholt. | |
Schon 2021 hat das EU-Parlament die Kommission deshalb aufgefordert, eine | |
neue Richtlinie auf den Weg zu bringen. Darin soll das Recht darauf | |
verankert werden, nicht rund um die Uhr erreichbar sein zu müssen. „Wir | |
können Millionen von Arbeitnehmern in Europa nicht im Stich lassen, die | |
durch den Druck ständiger Erreichbarkeit und durch übermäßig lange | |
Arbeitszeiten erschöpft sind. Jetzt ist es an der Zeit, ihnen zur Seite zu | |
stehen und ihnen zu geben, was sie verdienen: das Recht, nicht erreichbar | |
zu sein“, [3][wird dazu Alex Agius Salbida von der maltesischen Partit | |
Laburista zitiert], der Berichterstatter des EU-Parlaments für dieses | |
Thema. | |
Am Ende soll es darum gehen, die in der EU festgesetzte Höchstarbeitszeit | |
von 48 Stunden in der Woche durchzusetzen. Die Europäische Stiftung zur | |
Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen hat dazu eine Untersuchung | |
vorgestellt, nach der Angestellte, die regelmäßig von zu Hause aus | |
arbeiten, diesen Grenzwert häufig überschreiten. | |
Wie meinte doch eine Kollegin neulich am Ende eines langen Arbeitstages | |
beim Verlassen des Büros? „Ich mach den Rest dann von zu Hause aus fertig.“ | |
Andreas Rüttenauer | |
## Auf der Suche nach Alternativen zum beliebten Bootslack | |
Viele Freizeitkapitäne erlebten im Frühjahr bei der Saisonvorbereitung eine | |
böse Überraschung: Im Handel gab es kaum noch Dosen der beliebten Farbe | |
VC17 M. Das ist ein sogenanntes Antifouling und war der an Binnengewässern | |
effizienteste und leicht zu verarbeitende Unterwasseranstrich für Boote. | |
Kommen diese nach der Winterpause wieder ins Wasser, setzen sich ohne einen | |
solchen Anstrich Mikroorganismen an den Rümpfen fest und bilden eine | |
Schleimschicht. Bald folgt der Bewuchs von Algen und Muscheln. Das | |
verlangsamt die Fahrt der Boote und kann Rümpfe beschädigen. | |
Deshalb wird VC17 M aufgetragen. Sein für Mikroorganismen und Pflanzen | |
giftiges Kupfer verhindert Bewuchs. Durch Oxidation verwandelt sich der | |
kupferfarbene Anstrich schon nach kurzer Zeit im Wasser zu dunkelgrau. VC17 | |
M enthält auch Teflonverbindungen, sogenannte PTFE. Die werden bei der | |
Fahrt durchs Wasser abgetragen, dort aber nicht abgebaut, und können so in | |
die Nahrungskette gelangen. | |
Ein Fall für die Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates Nr. | |
528/2012. Diese sogenannte Biozid-Verordnung regelt Verkauf und Verwendung | |
von Biozidprodukten in ganz Europa, Details in Deutschland regelt die | |
Biozidrechts-Durchführungsverordnung (ChemBiozidDV) von 2021. | |
Die finnische Agentur für Sicherheit und Chemikalien (TUKES) hatte im | |
Rahmen eines BPR-Verfahrens (Biozidal Product Regulation) der EU auf | |
Risiken des beliebten VC17 M hingewiesen. Die 2007 gegründete Europäische | |
Chemikalienagentur (ECHA), eine von der EU-Kommission unabhängige Behörde | |
mit Sitz in Helsinki, leitete daraufhin 2023 ein Verbotsverfahren von VC17 | |
M ein, das viele Segler und Motorbootfahrer aber zunächst nicht mitbekamen. | |
Bereits zum Jahreswechsel stellte der niederländische Farbenkonzern | |
AkzoNobel, Markführer bei VC17 M, dessen Produktion ein. | |
Im März, wenn die meisten Boote für die neue Saison gestrichen werden, war | |
VC17 M fast überall ausverkauft. Es setzte ein Run auf Restbestände an. Gab | |
es noch irgendwo die blau-weißen Dosen mit dem roten Streifen, hatte sich | |
ihr Preis oft verdoppelt. Bis zum 30. April 2024 durften Händler noch | |
Lagerbestände verkaufen, bis zum 2. November 2024 darf die Farbe von | |
Privatpersonen noch verstrichen werden. Danach nur noch von professionellen | |
Werften und nur noch für Fahrten auf dem Atlantik. Mittelmeer, Ostsee und | |
Binnengewässer sind tabu. | |
Jetzt suchen Freizeitkapitäne nach Alternativen. Zwar versprechen | |
Hersteller Ersatzprodukte, aber die haben sich bislang noch nicht | |
durchgesetzt. Auch kann nicht jedes Antifouling einfach auf VC17 M | |
aufgetragen werden. Vertragen sich unterschiedliche Farbchemikalien nicht, | |
muss die alte Schicht zuvor restlos abgeschliffen werden. Eine mühsame | |
giftige Drecksarbeit.Sven Hansen | |
## Wie niedrig darf der Stundenlohn sein? | |
Wie viel ist eine Arbeitsstunde wert: 14 oder 15 Euro? Oder doch nur 12,82 | |
Euro? In Deutschland wird über die Höhe des gesetzlichen Mindestlohns | |
gestritten. Gewerkschaften, Grüne und Linke, ja selbst Olaf Scholz, wollen | |
eine Untergrenze von 15 Euro. CDU und FDP sind gegen eine solche politische | |
Festlegung. Denn es gibt ja noch die Mindestlohnkommission, und die hat | |
festgelegt, dass der Mindestlohn von derzeit 12,41 im nächsten Jahr um – | |
Haltet euch fest! – 41 Cent auf 12,82 steigt. Na gut, die ArbeitgeberInnen | |
haben das ArbeitnehmerInnenlager einfach überstimmt. | |
Doch warum streiten? Eigentlich gilt schon seit 2022 die [4][EU-Richtlinie | |
über „angemessene Mindestlöhne“ (2022/2041)]. Die besagt, dass der | |
Mindestlohn rund 50 Prozent des durchschnittlichen Bruttolohns oder 60 | |
Prozent des Medianlohns in dem jeweiligen Land entsprechen sollte. In | |
Deutschland wären das rund 14 Euro. Die Mitgliedsländer sollen die | |
Richtlinie bis Mitte November umsetzen. Es könnte so einfach sein: | |
Deutschland macht mit, und von der SpargelstecherIn bis zur | |
ErdbeerverkäuferIn sind alle zufrieden. | |
Aber so einfach ist es nicht. Denn die Richtlinie gibt leider nur | |
Richtwerte vor; ob und in welcher Höhe ein gesetzlicher Mindestlohn gilt, | |
liegt weiterhin in der Hand des jeweiligen Landes. Für die | |
SPD-Europaabgeordnete Gabi Bischoff steht dennoch fest: „Deutschland muss | |
die Mindestlohn-Richtlinie umsetzen.“ In den Niederlanden und Irland sei | |
der Mindestlohn zuletzt um über 12 Prozent erhöht worden – in Deutschland | |
waren es 3,4 Prozent, so Bischoff zur taz. Kroatien, Zypern und Estland | |
nähmen die Richtwerte der Mindestlohn-Richtlinie als Maßstab für die | |
Bestimmung der Höhe des Mindestlohns. Bulgarien habe den Wert von 50 | |
Prozent des Durchschnittslohns gesetzlich festgeschrieben. Bischoff findet: | |
„Aus europäischer Sicht hinkt die Debatte in Deutschland ziemlich | |
hinterher.“ Anna Lehmann | |
## Ende einer Brückentechnologie | |
Am Samstag, dem 1. September 2012, ist die vierte Stufe des europäischen | |
Glühlampenausstiegs in Kraft getreten. Seitdem sind fast alle Glühlampen | |
zwar nicht ganz verboten, aber sie können, brennt ein Glühfaden durch, nur | |
noch durch energiesparende Kompaktleuchtstofflampen, Halogen- oder | |
LED-Lampen ersetzt werden. Mit der wohlklingenden [5][Änderungsverordnung | |
2023/2049/EU] wird die Energiesparlampe nun zur Brückentechnologie. Auch | |
sie darf seit dem vergangenen Jahr in den Ländern der Europäischen Union | |
nicht mehr in Umlauf gebracht werden. | |
Das Ende kommt nach zahlreichen Einzelschritten. Die Ökodesign-Richtlinie | |
[6][2005/32/EG] setzte den Startschuss für das deutsche „Gesetz über die | |
umweltgerechte Gestaltung energieverbrauchsrelevanter Produkte“. | |
Unterschiedliche Generaldirektionen der Europäischen Kommission | |
überarbeiteten die verschiedenen Richtlinien und Verordnungen des | |
Glühlampenausstiegs seitdem immer wieder. | |
Das habe zu Verwirrung geführt, sagt Christoph Mordziol vom Umweltbundesamt | |
der taz. „Die Regelungen waren nicht aufeinander abgestimmt.“ Auch deshalb | |
ließe sich nicht genau sagen, wie viel Energie durch die eine oder andere | |
Verordnung wirklich eingespart wurde. Der wichtigste Schritt steht aber | |
noch bevor: In Büros, Parkhäusern, U-Bahnhöfen und Gewerberäumen müssen | |
Leuchtstofflampen seit 2023 durch noch einmal deutlich sparsamere | |
LED-Lampen ersetzt werden. Das Energiesparpotenzial dabei übertreffe selbst | |
das des Glühlampenausstiegs von Privathaushalten bei Weitem. | |
Allerdings bringe es auch einige Schwierigkeiten mit sich: Leuchtenkästen | |
seien darauf ausgelegt, Licht auf eine bestimmte Art und Weise zu | |
verteilen, die mit flächig strahlenden LEDs nicht kompatibel sei. Auch | |
seien diese nur eingeschränkt sockeltauglich – „rausdrehen, reindrehen, | |
damit ist es nicht getan“. Gewerbetreibende sollten sich deswegen früh | |
Hilfe beim Umrüsten suchen. Raoul Spada | |
## Smart ausgesperrt | |
In der Software des vernetzten Türschlosses muss ein Fehler sein. Anders | |
ist es nicht zu erklären, dass ein Unbefugter die Tür öffnete, die Wohnung | |
in aller Ruhe durchwühlte und mitnahm, was sich zu Geld machen ließ. Klingt | |
nach Science-Fiction? Vielleicht. Aber vernetzte Türschlösser gibt es | |
längst und je weiter sie sich verbreiten, desto häufiger kann es zu Problem | |
kommen. Dann können Unbefugte rein, oder Befugte müssen draußen bleiben. | |
In immer mehr Gegenständen steckt Software: In den aktuellen Generationen | |
von Autos, Waschmaschinen und Stromzählern, und ohnehin in Geräten wie | |
Staubsaugerrobotern und Smartphones oder in der Ausstattung für die | |
vernetzte Haussteuerung von Thermostat bis Rollladen. Weil unsere | |
Alltagsgeräte zunehmend mit Software ausgestattet werden, erneuert die EU | |
auch die [7][Produkthaftungsrichtlinie 2022/0302] – die alte würde im | |
kommenden Jahr 40 werden. | |
Die wichtigste Neuerung: Auch Software gilt als Produkt. Der Hersteller | |
soll haftbar sein, wenn durch sie eine Sache oder eine Person zu Schaden | |
kommt. Verbraucherschützer:innen begrüßen, dass auch anerkannte | |
Beeinträchtigungen der psychischen Gesundheit als Schaden gelten sollen. | |
Auch eine bisher geltende Schadensmindestgrenze von 500 Euro für eine | |
Rückerstattung soll wegfallen. | |
Doch leicht wird es Verbraucher:innen trotzdem nicht gemacht. Zwar muss | |
unter bestimmten Bedingungen der Hersteller beweisen, dass es kein Fehler | |
in seinem Softwareprodukt war, der zu dem Schaden geführt hat – und nicht | |
die:der Betroffene, also dass ein Fehler die Ursache war. | |
Doch diese Erleichterung gilt erst im Gerichtsverfahren. Um dorthin zu | |
kommen, brauchen Verbraucher:innen also weiterhin umfangreichen | |
technischen Sachverstand oder eine entsprechende Beratung und die dafür | |
benötigten finanziellen Mittel. Wirksam werden sollen die Regeln nach einer | |
Übergangsfrist im Jahr 2026 – genügend Zeit, um sich gründlich mit dem | |
smarten Türschloss zu beschäftigen. Svenja Bergt | |
## Jede Menge Kabel | |
Eine Schublade voller Kabel, das eine für die Digitalkamera, das andere für | |
die Kopfhörer, das dritte für den Laptop und dann noch eins fürs Handy – | |
damit soll bald Schluss sein. Ab Herbst 2024 dürfen in der EU nur noch | |
mobile Elektrogeräte verkauft werden, die über ein USB-C-Kabel aufgeladen | |
werden können. | |
Auf das einheitliche Ladekabel drängt das EU-Parlament schon seit mehr als | |
10 Jahren, doch erst 2021 legte die Europäische Kommission einen | |
entsprechenden Vorschlag vor. 2022 verabschiedete das EU-Parlament die | |
Richtlinie 2022/2380, der Bundestag setzte sie im Frühjahr 2024 um. Ab | |
diesem Herbst ist der USB-C Anschluss Pflicht für Mobilgeräte. Im Jahr 2026 | |
sollen außerdem Laptops folgen. | |
Die Maßnahme soll Elektroschrott reduzieren, jährlich 11.000 Tonnen davon | |
fallen laut Bundeswirtschaftsministerium alleine durch die verschiedenen | |
Ladegeräte an. Verbraucher*innen sollen außerdem Geld sparen, laut | |
Schätzungen der EU geht es um jährlich 250 Millionen Euro. Die Richtlinie | |
enthält zudem Regeln für die Etikettierung von Elektrogeräten. Hersteller | |
müssen künftig deutlicher kennzeichnen, wie Geräte aufgeladen werden | |
können. Verbraucher*innen sollen somit leichter erkennen, ob sie für | |
ein neues Gerät ein neues Ladekabel benötigen. | |
Besonders ein Hersteller hatte lange gegen die Vereinheitlichung der | |
Ladebuchse lobbyiert, nicht ohne Grund wird die Richtlinie von manchen auch | |
„Anti-Apple-Gesetz“ genannt. Während andere Hersteller schon längst auf | |
USB-C-Anschlüsse umgerüstet haben, verkaufte der iPhone-Hersteller seine | |
Handys bislang mit seinem eigenen „Lightning-Kabel“. Auf die Einnahmen aus | |
dem Verkauf dieser Kabel muss Apple künftig verzichten, ebenso auf Geld aus | |
„Lightning-Lizenzen“, die jeder, der ein Lightning-Kabel oder anderes | |
Zubehör herstellt, an Apple bezahlen muss. Die neue europäische | |
Ladekabeleinheit hat auch Auswirkungen auf den Weltmarkt: Das neuste | |
iPhone, das Apple im September 2023 auf den Markt brachte, wird weltweit | |
mit einer USB-C-Ladebuchse verkauft. Luisa Faust | |
## Kicken ohne Gummikugeln | |
Die Reaktionen fielen so aus, wie so oft, wenn eine neue Regel aus Brüssel | |
diskutiert wird. Es wurde Panik gemacht. Wer Schlagzeilen las wie | |
[8][„Geplantes Kunstrasenverbot bedroht Amateur-Fußball“] musste es mit der | |
Angst zu tun bekommen. Ist Europa gerade dabei, das Ende von Deutschland | |
als Fußballnation zu besiegeln? Bevor das später als REACH-Verordnung | |
bekannt gewordene Regelwerk „zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und | |
Beschränkung chemischer Stoffe hinsichtlich synthetischer | |
Polymermikropartikel“ ([9][Nr. 1907/2006]) Ende des vergangenen Jahres in | |
Kraft getreten ist, waren die Befürchtungen in den deutschen Amateurklubs, | |
deren Teams meist auf Kunstrasen spielen, jedenfalls groß. | |
Jene Kunststoffkügelchen, die meist aus alten Autoreifen hergestellt | |
werden, sollen dafür sorgen, dass Spielerinnen und Spieler beim Tackling | |
mit der Arschbacke auch mal ein paar Meter über den Rasen rutschen können, | |
ohne sich allzu schwere Abschürfungen zuzuziehen. Die meisten Gemeinden und | |
Klubs können mit der Verordnung jetzt, wo sie gilt, ganz gut leben. | |
Zum einen war schon seit 2019 klar, dass die EU gegen die Verbreitung von | |
Mikroplastikpartikeln in der Umwelt etwas unternehmen möchte. Zum anderen | |
muss das Gummigranulat erst in acht Jahren von den Sportanlagen | |
verschwunden sein. Bis dahin müssen die meisten Plätze eh einer Sanierung | |
unterzogen werden. Und für die Gummikügelchen gibt es längst auch schon | |
Ersatzprodukte. Die einen probieren es mit Kork. Andere setzen auf Sand. | |
Wieder andere warten noch ab, bis es eine umweltverträgliche Lösung gibt, | |
die den Eigenschaften der Gummikügelchen irgendwie ähnlich sind. | |
Die grünen Kunstrasenhalme selbst sind von der Verordnung nicht betroffen. | |
Und so sind die rund 24.000 Quadratmeter Plastikrasen, die in Berlin vor | |
dem Brandenburger Tor verlegt worden sind, um der Fanmeile in der | |
Hauptstadt ein grasgrünes EM-Outfit zu verpassen, vollkommen EU-konform. | |
Andreas Rüttenauer | |
## Wenn die EU am Frühstückstisch sitzt | |
Wer heute einen üblichen Supermarkt-Honig kauft, kann sich beim Lesen des | |
Etiketts schnell veralbert fühlen. Denn ein typischer Satz darauf lautet: | |
„Mischung von Honig aus EU-Ländern und Nicht-EU-Ländern.“ Damit ist nicht | |
gemeint, dass eine Imkerin ihre Bienen genau an der Grenze von | |
beispielsweise Österreich und der Schweiz fliegen lässt und man daher nicht | |
so genau sagen kann, ob die Honigquelle in- oder außerhalb der EU liegt. | |
Sondern: Was genau im Glas ist, will der Hersteller nicht verraten. Das | |
schöne ist: Spätestens zum Sommer 2026 wird der Satz verschwinden. | |
Bei Honigmischungen müssen dann die Herkunftsländer und ihr jeweiliger | |
Anteil angegeben werden. Verbraucher:innen können also sehen, was hier | |
gegebenenfalls zusammengerührt wurde – und auf dieser Basis ihre | |
Kaufentscheidung treffen. Wobei der Deutsche Imkerbund kritisiert, dass es | |
noch ein kleines Schlupfloch gibt: So können die EU-Mitgliedsstaaten | |
entscheiden, ob bei ihnen nur die vier größten Anteile angegeben werden | |
müssen. Das ist möglich, wenn diese zusammen mehr als die Hälfte der | |
Mischung ausmachen. | |
Die Honig-Regelung ist Teil der im April verabschiedeten Novelle | |
[10][2023/0105]. Diese enthält vier Richtlinien, die gerne bei ihrem | |
Kosenamen genannt werden: Frühstücksrichtlinien. Neben Honig geht es | |
nämlich auch um Konfitüre, Saft und Trockenmilch. So gibt es für Konfitüren | |
künftig Mindestmengen für den Obstanteil. | |
Und bei Saft werden neue Kennzeichnungskategorien eingeführt, die der | |
steigenden Nachfrage nach zuckerreduzierten Getränken gerecht werden | |
sollen. Anders als beim Honig könnten die Saftbeschriftungen aber auch für | |
mehr Verwirrung sorgen. Denn der Unterschied zwischen „zuckerreduziertem | |
Fruchtsaft aus Konzentrat“ und „konzentriertem zuckerreduziertem | |
Fruchtsaft“ wird wohl den wenigsten auf den ersten Blick klar sein. Dann | |
zum Trinken vielleicht doch lieber Wasser. Oder einen Bee’s Knees Mocktail | |
– mit regionalem Honig. Svenja Bergt | |
9 Jun 2024 | |
## LINKS | |
[1] https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/ALL/?uri=CELEX%3A32019L0904 | |
[2] https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/HTML/?uri=CELEX%3A31989L0391 | |
[3] https://www.europarl.europa.eu/news/de/press-room/20210114IPR95618/parlamen… | |
[4] https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX%3A32022L2041 | |
[5] https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX%3A32023R2049 | |
[6] https://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ%3AL%3A2005%3A191%… | |
[7] https://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=COM%3A2022%3A495%3AF… | |
[8] https://www.welt.de/politik/article197156495/Breitensport-Geplantes-Kunstra… | |
[9] https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX%3A32023R2055&… | |
[10] https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/HTML/?uri=CELEX%3A52023PC02… | |
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