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# taz.de -- Schneller-Bauen-Gesetz nimmt eine Hürde: Beton schlägt Grün
> Das Schneller-Bauen-Gesetz soll vor allem Verwaltungsabläufe straffen.
> Kritiker fürchten, dass der Neubau über den Naturschutz gestellt wird.
Bild: Läuft: auf einer Baustelle am Alexanderplatz wird Beton gegossen
Berlin taz | Gefühlt ist das Schneller-Bauen-Gesetz seit Monaten in der
politischen Diskussion und längst Ziel von Kritik. Tatsächlich aber hat
dieser Versuch der schwarz-roten Koalition, Wohnungsbau in Berlin zu
beschleunigen, am Montag den ersten offiziellen Schritt Richtung
Gesetzesbeschluss im Parlament gemacht. Nach Wunsch von Bausenator
Christian Gaebler (SPD) soll das Landesparlament diesem Paket aus
zahlreichen Gesetzesänderungen im Herbst zustimmen.
An 48 Verbände, von der Wohnungswirtschaft bis zum Naturschutz, hat die
Senatsverwaltung für Stadtentwicklung den Entwurf nach eigenen Worten
geschickt. Es handelt sich derzeit noch um einen Referentenentwurf der
Gaebler-Verwaltung. Zu einem Gesetzentwurf wird der erst, wenn der ganze
Senat ihn beschließt. Den Inhalt haben CDU und SPD [1][bereits in ihrem
Koalitionsvertrag vor einem Jahr so beschrieben]: „Dabei sollen für einen
befristeten Zeitraum Regelungen zu verkürzten Fristen, schnelleren
Verfahren, engerer Abstimmung und Verzahnung mit dem Baunebenrecht sowie
Flächenprüfungen in den Bezirken beschlossen werden.“
Konkret heißt das vor allem, Zuständigkeiten klären, Dinge teils
zentralisieren und Fristen vorzugeben, bis wann etwas bearbeitet oder
bewilligt ist. Das soll auch verwaltungsintern gelten. Bislang war das laut
Gaebler nicht festgelegt – weshalb ein Projekt auch mal über Monate hängen
konnte. Warum das bisher so war? „Das kann ich Ihnen jetzt auch nicht
sagen“, heißt es vom Senator.
Betroffen ist auch die Baumschutzverordnung: Für „bedeutsame Vorhaben des
Wohnungsbaus und sozialer Infrastruktur“ – wozu etwa Schulen und Kitas
gehören – sollen Bäume weichen müssen. Derzeit verbietet das Berliner
Naturschutzgesetz, „Bäume, Gebüsch, Ufervegetation oder ähnlichen Bewuchs
in der Zeit vom 1. März bis 30. September“ zu beseitigen.
## „Prozesse deutlich entschlacken“
Grundsätzliches Ziel des Schneller-Bauen-Gesetzes ist, „Prozesse deutlich
zu entschlacken und Verantwortlichkeiten klar zu trennen“. Am Ende soll es
möglich sein, dass ein Bebauungsplan binnen drei Jahren aufgestellt ist –
und nicht wie derzeit in fünf bis neun Jahren. Bei einem seit mehr als
einem Jahrzehnt diskutierten Bebauungsplan für ein Großvorhaben mit über
2.500 Wohnungen in Lichterfelde-Süd würde man laut Gaebler heute viel
früher alle Beteiligten an einen Tisch holen, sowohl beim Start des
Planungsverfahrens als auch beim Bauantrag.
Von der Wortwahl erinnert das Ziel „Verantwortlichkeiten klar trennen“ an
das Großprojekt von Regierungschef Kai Wegner (CDU), die seit Jahrzehnten
diskutierten, aber nie in die Gänge gebrachte Verwaltungsreform. So gesehen
könnte das Schneller-Bauen-Gesetz eine Art Probelauf für den ganz großen
Wurf werden. Aus Sicht von Gaebler können von den nun angepeilten
Änderungen alle bloß profitieren – „so, wie es jetzt ist, ist es für alle
Beteiligten unbefriedigend“.
Bei Vertretern des Natur- und Artenschutzes klingt das ganz anders.
„Bausenator will Axt an das Naturschutzrecht legen“, überschrieb der
Berliner Landesverband des Naturschutzbund Deutschlands (Nabu) Mitte März
seine Kritik. „Gaeblers Entwurf ist ein Anschlag auf die Berliner
Stadtnatur und zudem ein Affront für die Zivilgesellschaft, die sich mit
viel Engagement und Fachkompetenz für den Naturschutz einsetzt“, heißt es
dort.
So würden die Umweltverbände zum Beispiel künftig nicht bei der Umwandlung
von Waldgebieten in Windvorrangflächen beteiligt. „Es ist
verantwortungslos, den Naturschutz in Zeiten von Klimawandel und Artenkrise
noch weiter einzuschränken.“
## Zwei Wochen Zeit für Bedenken
Gaebler hat das bereits im März zurückgewiesen: Es gehe ihm nicht darum,
den Naturschutz zu schleifen, sondern sich auf die bundesweit geltenden
Vorgaben zu konzentrieren und auf die eine oder andere bisherige Berliner
zusätzliche Festlegung zu verzichten. Der Senator will nach eigenen Worten
nicht den Artenschutz in Frage stellen, sagt jedoch: „Was aber nicht geht,
ist, dass der Natur- und Artenschutz zunehmend dazu benutzt wird, Projekte
zu verhindern.“ Manchmal würde trotz Beteiligung und Anhörung geklagt.
Der Bund für Umwelt und Naturschutz (Bund) wehrte sich Dienstag gegen
Gaeblers Kritik: „Es geht nicht darum, Vorhaben zu verhindern. Der Gang vor
Gericht ist für Naturschutzverbände das letzte Mittel – und das wenden sie
nicht leichtfertig an.“
Bund, Nabu und andere haben jetzt zwei Wochen Zeit, ihre Bedenken und
Anregungen im Rahmen der Verbändebeteiligung einzureichen. Insgesamt geht
es um 41 Änderungen in neun Landesgesetzen und in einer Rechtsverordnung.
Dazu kommen 69 Maßnahmen, die nicht gesetzlich fixiert sind. Bereits in der
Vorbereitung des Entwurfs habe man 700 Anregungen von Verbänden oder
Bezirken geprüft.
Nach Gaeblers Plan gibt es Ende Mai einen ersten Senatsbeschluss, bevor der
Rat der Bürgermeister zwei Monate Zeit dafür haben soll. Nach einem zweiten
Senatsbeschluss könnte sich das Abgeordnetenhaus in seiner ersten Sitzung
nach der Sommerpause am 12. September mit dem dann vom Referenten- zum
Gesetzentwurf avancierten Paket befassen.
Der griffige Titel der umfangreichen Änderungen soll übrigens nicht auf den
Einfluss von Gaeblers Senats- und Parteikollegin Franziska Giffey
zurückzuführen sein, der Erfinderin von Namen wie dem Gute-Kita-Gesetz.
Über das Schneller-Bauen-Gesetz sagt Gaebler: „Erfunden habe ich das.“
9 Apr 2024
## LINKS
[1] https://www.berlin.de/rbmskzl/politik/senat/koalitionsvertrag/
## AUTOREN
Stefan Alberti
## TAGS
Bauen
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