| # taz.de -- Feministische Wohnungspolitik: Gebt den Girls die Innenstadt | |
| > Migrantisierte und alleinlebende Frauen sind auf dem Wohnungsmarkt stark | |
| > benachteiligt. Die Linksfraktion fordert eine feministische | |
| > Wohnungspolitik. | |
| Bild: Am häufigsten werden Wohnungssuchende aufgrund ihres Geschlechts, ethnis… | |
| Berlin taz | Wolle man die Stadt umbauen, müsse man das Patriarchat | |
| stürzen, sagte Katalin Gennburg, die stadtentwicklungspolitische Sprecherin | |
| der Linksfraktion, am Mittwochabend im Abgeordnetenhaus. Aktuell erzeuge | |
| die Lage auf dem Berliner Wohnungsmarkt bei Frauen Ohnmachtsgefühle und | |
| „extreme Existenz- und Zukunftsängste“. | |
| Im Vorfeld des Frauenkampftags am 8. März, diskutierte die Linke in einem | |
| Fachgespräch unter dem Schlagwort „feministische Wohnungspolitik“ über die | |
| Lage von Frauen auf dem Wohnungsmarkt und feministische Perspektiven gegen | |
| die Ökonomisierung von Wohnraum. | |
| „Wohnen ist eine Klassenfrage“, erklärte die feministische Wohnforscherin | |
| Sarah Klosterkamp, „aber nicht nur“. Über Zugangs- und Verteilungsfragen | |
| entschieden mehrere Faktoren, etwa soziale und nationale Herkunft, | |
| Geschlecht oder Sexualität. Der Wohnungsmarkt sei das Ergebnis sozialer und | |
| ökonomischer Machtstrukturen. | |
| „Frauen haben durchschnittlich weniger Einkommen und Vermögen als Männer | |
| und müssen daher einen größeren Teil ihres Einkommens für das Wohnen | |
| aufwenden“, so Klosterkamp. Während Männer häufiger bezahlte Lohnarbeit | |
| ausübten, übernähmen Frauen häufiger unbezahlte Care-Arbeit. Frauen hätten | |
| zudem weniger Zugang zu Bildung und sozialem Wohnraum und seien seltener | |
| Besitzende von Immobilien. | |
| Gleichzeitig seien diejenigen, die Care-Arbeit leisteten, und das sind nun | |
| mal überwiegend Frauen, von bestimmen Lagen und Bedarfen in der Stadt | |
| abhängig sowie von sicherem Wohnraum, sagte Klosterkamp. So verfestigten | |
| sich die Strukturen und Abhängigkeitsstrukturen auf dem Wohnungsmarkt. | |
| ## Intersektionale Diskriminierung | |
| „Am häufigsten werden Wohnungssuchende aufgrund ihres Geschlechts, ihrer | |
| ethnischen Herkunft sowie ihres sozialen Status diskriminiert“, ergänzte | |
| die migrationspolitische Sprecherin der Linksfraktion, Elif Eralp. | |
| Alleinerziehende und leistungsbeziehende Frauen, [1][Frauen, die | |
| Gewalterfahrungen gemacht haben], People of Color: Sie alle hätten einen | |
| richtig schweren Stand. | |
| Meist wirkten mehrere Unterdrückungsmechanismen zusammen. Die „ungünstigste | |
| Kombination“ mit Blick auf Diskriminierungserfahrungen betreffe [2][Frauen | |
| mit Migrationshintergrund]. Das ergebe sich aus den | |
| Diskriminierungsbeschwerden, die bei der Ombudsstelle für die Durchsetzung | |
| der Rechte nach dem Landes-Antidiskriminierungsgesetz (LADG) eingingen. | |
| Ursächlich für die Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt sei vor allem die | |
| massive Konkurrenzsituation sowie rassistische und sexistische Denkmuster | |
| bei den Entscheider*innen, so Eralp. | |
| „Die unsoziale Wohnungspolitik ist kein Zufall, sie ist politisches | |
| Programm“, sagt auch Katalin Gennburg. Insbesondere die SPD habe ein | |
| Interesse an einer „strategischen Aufwertung der Stadtmitte“. Mit ihrer | |
| „Bauen, bauen, bauen“-Politik sorge sie dafür, dass „planlos | |
| nachverdichtet“ würde, während die Bedarfe von Quartieren ignoriert würden. | |
| ## Der Gegenentwurf: Eine feministische Wohnungspolitik | |
| Eine Erfahrung, die auch Jutta Brambach, Geschäftsführerin eines | |
| [3][Wohnprojekts für lesbische Frauen], gemacht hat. „Es ist schwierig | |
| alternative Wohnformen mit anderen räumlichen Bedürfnissen zu entwickeln, | |
| weil das außerordentlich heteronormative Bauen von der Verwaltung | |
| unterstützt wird“, sagte sie. | |
| Der Gegenentwurf zur „patriarchalen, neoliberalen Wohnungspolitik“: eine | |
| feministische Wohnungspolitik, die von Mieter*innen für Mieter*innen | |
| gemacht wird. „Der Hauptschlüssel liegt darin, der Verwertungslogik ein | |
| Ende zu setzen“, so Elif Eralp. Wohnraum solle kein gewaltvoller Ausschluss | |
| sein, sondern eine kollektive Praxis der Verbundenheit und Solidarität im | |
| Kiez, sagte auch die Frankfurter Wissenschaftlerin Tabea Latocha: „Wir | |
| wollen keine Marktpolitik, sondern eine inhaltlich gestaltende Politik, bei | |
| der die Bedürfnisse und Gemeinschaft im Mittelpunkt stehen.“ | |
| Dazu brauche es mehr Wohnraum für den sozialen Wohnungsbau, mehr | |
| Einrichtungen für geflüchtete Frauen und mehr Frauenhäuser und | |
| barrierefreie Wohnungen. Kurzfristig brauche es eine Stärkung des | |
| Verbandsklagerechts sowie der Fachstellen gegen Diskriminierung auf dem | |
| Wohnungsmarkt, sodass Betroffene sich stärker zur Wehr setzen und klagen | |
| könnten. | |
| Langfristig müsse es endlich stärkere Vorgaben für den privaten | |
| Wohnungsmarkt geben. Aber auch die landeseigenen Wohnungsunternehmen seien | |
| in der Pflicht, mehr Transparenz herzustellen und | |
| Anti-Diskriminierungsstrategien aufzusetzen. | |
| ## Modellbeispiel einer feministischen Wohnungspolitik | |
| Obwohl die Situation „nicht so hoffnungsfroh“ sei, gebe es bereits einige | |
| Positivbeispiele, die ihr Kraft gäben, so Gennburg. Eines davon sei das | |
| Lesbenwohnprojekt und queere Zentrum von Jutta Brambach in der | |
| Berolinastraße in Mitte. Der Bau enthält 72 Wohnungen, eine | |
| Pflegewohngemeinschaft, einen Gemeinschaftsraum, Veranstaltungs- und | |
| Beratungsräume, und eine Kiezgastronomie. | |
| „Es sieht toll aus, es ist auch toll, aber es ist auch ein Lehrstück für | |
| nicht-vorhandene Gendergerechtigkeit und das ständige Abarbeiten an | |
| Genderstrukturen“, berichtete Brambach. Es gebe keine stabile Finanzierung | |
| und die Zusammenarbeit mit der Vermieterin, der Wohnungsbaugesellschaft | |
| Berlin-Mitte (WBM), sei eine „komplizierte Konstruktion“. | |
| Am Mittwochabend waren sich die Frauen einig: „Das sind noch ungewohnte und | |
| utopische Praxen. Aber wir wollen sie konkret werden lassen. Packen wir’s | |
| an!“ | |
| 7 Mar 2024 | |
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| ## AUTOREN | |
| Lilly Schröder | |
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