# taz.de -- Klimawandel in Lateinamerika: Wenn der Regen ausbleibt | |
> Nancy Mamani Yujra lebt vom Fischfang. Doch der Titicacasee verschmutzt | |
> und trocknet aus. Die Menschen suchen andere Einnahmequellen. | |
Bild: Nancy Mamani Yujra muss sich mit langen Stöcken abstoßen, um das Boot d… | |
Ihre Hände tauchen in den Berg aus verdrehtem Netz. Nancy Mamani Yujra | |
packt das dünne Nylongewebe und zieht es langsam auseinander. Mit geübten | |
Fingern zieht sie ein Stückchen Holz und ein paar widerspenstige | |
Wasserpflanzen heraus. | |
Am frühen Morgen um 2 Uhr war sie mit ihrem Mann Telmo bereits draußen auf | |
dem Titicacasee. Der Atem, so erzählt sie später, stand ihnen als Wölkchen | |
vor dem Mund, so kalt war es. Sie hörten die Vögel, die Wellen, in der | |
Ferne den Motor der Schiffe im Hafen und das Tuckern ihres kleinen Boots. | |
Die letzten Meter ruderte Mamani Yujra. Mit der Taschenlampe suchte ihr | |
Mann nach den Reflektoren im Wasser, die ihre Netze markieren. Er zog das | |
Netz ein, sie die Fische heraus.100 Mauri, eine lokale Welsart, und 30 | |
Karachi, im Deutschen nennt man sie Andenkärpflinge. 150 Bolivianos, rund | |
19,50 Euro, brachten ihr die Fische auf dem Markt ein. Gerade genug für ein | |
wenig Fleisch und Obst. | |
Mamani Yujra und ihre Familie wohnen dort, wo man die Not des Titicacasees | |
besonders deutlich sehen kann: auf der Isla Cojata im südlichen Teil des | |
Sees. Der Name täuscht: Längst ist die Insel trockenen Fußes zu erreichen. | |
Und im See sind immer weniger Fische. | |
Der Titicacasee ist Südamerikas größter Süßwassersee und der höchste | |
schiffbare der Welt. Er liegt auf 3.800 Metern auf einem Andenplateau. | |
Allein deshalb zieht er Tourist:innen aus aller Welt an. Etwas mehr als | |
die Hälfte gehört zu Peru, der andere Teil zu Bolivien. Auf die | |
bolivianische Seite kommen die Tourist:innen vor allem wegen der Inseln | |
mit Inka-Relikten. Auf die peruanische wegen der schwimmenden Inseln der | |
indigenen Urus, wie ihre Boote gebaut aus Totora-Schilf. | |
Doch dem See geht es schlecht. Die Umweltorganisation Global Nature Fund | |
hat den Titicacasee 2023 [1][zum „bedrohten See des Jahres“] erkoren. Auch | |
2012 erhielt er schon einmal diesen Titel. Denn er wird immer dreckiger, | |
und er schrumpft. [2][Im Oktober 2023 war das Wasser im See so niedrig wie | |
noch nie] seit Beginn der Aufzeichnungen. Dazu befindet sich Südamerika | |
wieder [3][in einem El-Niño-Jahr]. Bei dem Phänomen ändern sich die | |
Meeresströmungen im Pazifik, wodurch mehr Hitzewellen und Dürren entstehen. | |
Bis mindestens April soll es laut der Weltorganisation für Meteorologie | |
dauern. | |
Nancy Mamani Yujra, 33 Jahre alt, sitzt im Holzboot am Rande des Sees, von | |
dem der Anstrich blättert. Vor sich den Berg von Netzen und sicher noch | |
zwei Stunden Arbeit. Wie die meisten hier gehört sie zum [4][indigenen Volk | |
der Aymara]. Unter ihrem Strohhut baumeln zwei lange Zöpfe. Zum | |
Strickpullover trägt sie eine lange Wollweste. Unter den bunten Röcken | |
schaut eine Fleeceleggins mit Lamas hervor. Ihre Füße mit den Wollsocken | |
stecken in schwarzen Lackballerinas, wie sie die indigenen Frauen hier in | |
praktisch jeder Lebenslage tragen. Quer überm Boot liegt über einem Ruder | |
eine karierte Decke. Darunter schlummert, gut beschattet und fest in das | |
traditionelle bunte Tragetuch gewickelt, Mamani Yujras eineinhalbjährige | |
Tochter Melani. | |
Vor ihr, am Land, zeigt ihr neunjähriger Sohn Kevin seinem fünf Jahre | |
jüngeren Bruder Juan, wie man aus Metallstangen und Planen einen Unterstand | |
gegen die Sonne baut. Ihre Schafe suchen im trockenen Schilf nach ein paar | |
saftigen Halmen. Ab und an hört man sie blöken. Vögel zwitschern im Schilf. | |
Früher konnte sie nah am Ufer fischen. „Ich bin alleine mit den Kindern | |
hinausgefahren und habe die Netze ausgelegt.“ Jetzt müssen sie und ihr Mann | |
dafür fast eine halbe Stunde hinaus auf den See fahren. Sie brauchen mehr | |
Benzin als früher. Und dort sind die Wellen so hoch, dass es ihr allein zu | |
gefährlich wäre. | |
Die feuchte Oberfläche des Sees täuscht. Das Boot steht im Schlamm. Sie | |
muss sich mit langen Holzstöcken abstoßen, um vorwärts zu kommen. Es riecht | |
modrig. „Früher war das Wasser kristallklar. Jetzt trocknet der See immer | |
mehr aus. Deshalb wurde es so – zu Schlamm.“ | |
Ein paar Biegungen weiter um die kleine Insel sieht man, wohin das führt: | |
Wir stehen vor einer Mondlandschaft. Grauweiß liegt der trockene Seeboden | |
vor uns. Er riecht nicht einmal mehr. Es ist kein Vogel zu hören, nur der | |
Wind. Aufgebrochen von der Höhensonne, wie ein Feld aus aschigen | |
Zahnstummeln. Wir laufen immer weiter über den trockenen Boden, in Richtung | |
des Wassers. Doch nicht einmal in der Ferne ist es zu sehen. Das einzige | |
Lebendige, was wir sehen, ist eine Spinne. Vom Grau heben sich die | |
schneeweiß ausgebleichten, winzigen Schneckenhäuser ab, die in den | |
Erdblöcken stecken. Ganze Schneckenfriedhöfe liegen zwischen ihnen. Ein | |
paar Schilfbüschel ragen aus dem Boden. Der wölbt sich um sie, als ob der | |
See ihnen beim Sterben noch die Luft abdrücken wollte. | |
## Neu ist, dass der Pegel dauerhaft sinkt | |
Trockenzeiten gibt es jedes Jahr am Titicacasee. In der Regel schwankt der | |
Wasserstand um 10 bis 15 Prozent im Jahresverlauf, sagt Emilio García | |
Apaza. Er ist Dozent und Forscher am Institut für Landwirtschaftsforschung | |
und natürliche Ressourcen der Fakultät für Ackerbaukunde an der Universidad | |
Mayor de San Andrés (UMSA) in La Paz. Neu ist, dass der Pegel sinkt und | |
nicht mehr aufs vorherige Niveau ansteigt. | |
Grundsätzlich ist es [5][nichts Ungewöhnliches, dass Seen verschwinden]. | |
Wasser verdunstet, Sedimente lagern sich ab. So entstanden aus dem | |
Riesensee, der sich auf der Hochebene vor 15 Millionen Jahren befand, einst | |
drei Seen – darunter der Titicacasee. Doch seit ein paar Jahren | |
beschleunigt der Klimawandel und anderes menschliches Zutun diesen Prozess | |
am Titicacasee deutlich. | |
Kurz gesagt: Es kommt immer weniger und immer dreckigeres Wasser im See an. | |
Und er verdunstet immer schneller. Erstens führen die Flüsse immer weniger | |
Wasser: Sie kommen aus den Bergen, wo nur noch zwei statt früher bis zu | |
acht Monate Schnee fällt und die Gletscher schmelzen. Zweitens leben immer | |
mehr Menschen im Einzugsgebiet der Flüsse, die das Wasser nutzen. Zum | |
Beispiel in der [6][Millionenstadt El Alto], oberhalb von La Paz gelegen. | |
Hinzu kommt: Die meisten Gemeinden haben keine oder völlig unzureichende | |
Kläranlagen. Jede Sekunde strömen – auf der bolivianischen und peruanischen | |
Seite zusammen – 2,5 Kubikmeter Abwasser in den See. Zu allem noch versetzt | |
mit Pestiziden aus der Landwirtschaft und Schwermetallen aus dem illegalen | |
Bergbau. | |
## Die Niederschlags-Muster haben sich verändert | |
Und dann trifft der Klimawandel samt extremer Sonneneinstrahlung hier auf | |
3.800 Metern die Menschen besonders hart. Vor allem haben sich die | |
Niederschlags-Muster verändert, sagt Emilio García. Für die Menschen am See | |
fühlt es sich wie weniger Regen an. Tatsächlich hat sich die | |
Niederschlagsmenge insgesamt nicht geändert, sagt der Klima-Experte. Aber | |
die Regenzeit hat sich stark verkürzt und die Niederschläge sind | |
unberechenbarer geworden. Im September, Oktober und November, der | |
eigentlichen Saatzeit, regnet es heute kaum mehr. 2023 kam der ersehnte | |
Regen für die Aussaat erst im Dezember. | |
Und statt um die 15 Grad sind es auf einmal 23 Grad tagsüber, erzählen sie | |
am See. Unerträglich heiß für die Menschen hier, die gewohnt sind, sich in | |
mehreren Schichten zu kleiden. Nancy Mamani Yujra mag die Hitze nicht. „Du | |
tust nichts und schwitzt dennoch. Du willst dich baden, aber es gibt kein | |
Wasser. Also kannst du nur die Kleider wechseln.“ Seit etwa zwei Jahren | |
bringe sie immer einen Sonnenschutz aufs Feld mit. „Ohne ist es nicht | |
auszuhalten. Ohne Hut bekomme ich Kopfschmerzen. Und auch die Kinder | |
ertragen die Sonne nicht. “ | |
Mamani Yujra sitzt unter dem Sonnensegel mit ihren Kindern, Mittagessen. | |
Die acht Schafe knabbern an trockenem Schilf, bewegen sich immer im Kreis | |
um ihren Pflock herum. Damit sie bloß nicht aufs Feld der Nachbarinnen | |
laufen, wo einige wenige grüne Kartoffelpflänzchen sprießen. Auf dem Weg | |
zum Weideplatz müssen sie einen Maulkorb tragen. Sonst schimpfen die | |
Nachbarinnen. | |
Der See kann ergreifend schön sein. Dort, wo er noch mehr Wasser hat. Wenn | |
sich die Wolken an einem hellen Tag am Himmel ballen und so im ruhigen See | |
spiegeln, als ob ein Riesenkind Farbe auf ein Blatt Papier gekleckst, es in | |
der Mitte zusammengedrückt und dann auseinandergefaltet hätte. Die Berge, | |
dieses flache Band am Horizont, ist die Falz. Die üppige Leichtigkeit der | |
Blau- und Weißtöne gegen die kargen Brauntöne des Landes, das ein paar | |
Kartoffelfelder grün sprenkeln. Kein Wunder, dass er den Inka heilig war. | |
Hier kam auch die Kartoffel in die Welt. Bis heute essen die Einheimischen | |
sie praktisch täglich, gekocht und frostgetrocknet als Chuños, mit einer | |
scharfen Tomatensauce dazu, und natürlich Fisch aus dem See, frittiert oder | |
als Eintopf. | |
Doch immer mehr Bauernfamilien gehen die Kartoffeln ein. Mit dem Fisch wird | |
es auch immer schwieriger. Mamani Yujras Lieblingseintopf Walluku mit | |
Karachi schmeckt nicht mehr so gut wie früher. Der Karachi wird nicht mehr | |
fett und ist verschmutzt, sagt sie. | |
Ihr Mann ist nach dem Morgen auf dem See in die Region Santa Cruz gefahren. | |
Holz abladen. Wenn es besonders wenig Fisch gibt, ist er Wochen, manchmal | |
Monate weg, arbeitet als Schreiner, Hilfsarbeiter oder wie sein Bruder in | |
einer Mine. | |
Als 18-Jährige war Nancy Mamani Yujra wie viele Bolivianer:innen zu | |
der Zeit nach Argentinien gegangen, um zu arbeiten. Dort lernte sie Telmo | |
kennen. Auch er kam aus Bolivien – von der Isla Cojata. Irgendwann sagte | |
sein Vater: Kommt zurück. Telmo erinnerte sich, wie ihm als Junge das | |
Fischen gefallen hatte. Und sie gingen zurück. Nancy Mamani Yujra war | |
damals 24, er nur wenig älter. Heute ist sie 33 Jahre alt. | |
## Die Flüsse tragen Dreck in den See | |
In ihrem Heimatdorf Huacullani gibt es keine Fischer mehr, sagt sie. Die | |
Flüsse trügen zu viel Dreck in den See. „Das Wasser ist schwarz und voller | |
Müll.“ Sogar das Totora-Schilf sei schwarz. „Sie sind dort jetzt alle | |
Milchbauern.“ Auch die treffen die Veränderungen am See. Die Kühe finden am | |
trockenen Ufer zu wenig zu fressen. Einige mussten welche verkaufen. | |
Bauer Andrés Quispe ist eine Ausnahme. Auch wenn er auf den ersten Blick | |
nicht wie ein Visionär aussieht, wie er gegenüber auf dem Festland durchs | |
ausgetrocknete Flussbett am Seeufer stakt. In der Rechten einen Stock, in | |
der Linken ein Seil. An dem zieht er mehr oder weniger bestimmt eine Kuh am | |
Nasenring Richtung Stall. | |
Der Stall ist neu. Spätestens in zwei Jahren sollen darin 50 Kühe stehen, | |
sagt der Milchbauer. Derzeit hat er 30. „Wahrscheinlich muss ich dann mehr | |
Land kaufen.“ Quispe hat drei Söhne. „Bedauerlicherweise haben sie eine | |
andere Laufbahn. Sie studieren.“ Zwei in La Paz, einer in Mexiko. „Der wird | |
nicht mehr zurückkommen, dort gibt es viel Arbeit.“ | |
Sein großes Ziel ist, dass einer der beiden anderen den Hof übernimmt. „Ich | |
habe sehr viel gearbeitet, um der nachfolgenden Generation etwas | |
hinterlassen zu können.“ Aber es müsse auch solide sein. Deshalb will er | |
noch ein paar Jahre arbeiten. Deshalb der neue Stall. „Das war eine große | |
Investition. Aber wer nicht investiert, kann kein Geld verdienen.“ Andrés | |
Quispe, 73 Jahre alt, hat nur noch wenige Zähne im Mund und viel vor. Er | |
hat eine Maschine, mit der er einen Brunnen bohren will. Er hat sich Vieh | |
der Rasse Brown-Swiss besorgt. Und Sperma aus den USA. Künftig will er | |
züchten. | |
Brown-Swiss sei verbesserte Zucht. „Diese Tiere brauchen aber auch | |
besondere Aufmerksamkeit.“ Konzentrat im Futter, nicht nur das karge Gras | |
wie die traditionelle Rasse. 2023 wollte sein Alfalfa-Acker fürs | |
Proteinfutter einfach nicht grün werden. Zum ersten Mal in seinem Leben | |
musste er aus dem heißen Tiefland einen Anhänger Soja bestellen zum | |
Zufüttern. 20 Tonnen für umgerechnet rund 2.600 Euro, das reicht für zwei | |
Jahre. Statt 50 Kilo Alfalfasamen für 654 Euro, was acht Jahre lang reicht. | |
„Es bleibt mir nichts anderes übrig. Sonst können wir keine Milch | |
produzieren.“ | |
## UN-Gelder sollen eine nachhaltige Entwicklung ermöglichen | |
Seit 1996 soll [7][eine unabhängige, von Peru und Bolivien finanzierte | |
Behörde] für eine nachhaltige Entwicklung des Sees sorgen. Dem ging es | |
trotzdem immer schlechter. 2016 wurden noch einmal [8][6 Millionen Dollar | |
eingeworben], um den See mit Hilfe der Vereinten Nationen zu retten. Auch | |
das war nicht erfolgreich. | |
2019 installierten Forscher mit Unterstützung der UN unter großem | |
Medienrummel eine Umweltbeobachtungsstation. Sie lieferte zum Beispiel in | |
Echtzeit wunderbare Einblicke in den Nährstoff-Überschuss im See. [9][Doch | |
im November 2022 wurde die Station abgebaut] – kein Geld mehr da. | |
Im Rathaus der Gemeinde Huarina, zu der die Insel Cojata gehört, atmet | |
Bürgermeister Wilson Mamani Ali tief ein. 35 Jahre ist er alt, seit 2021 im | |
Amt. „Der Klimawandel trifft uns sehr. Und dass die Regierung uns Gemeinden | |
die Gelder gekürzt hat.“ Um ungefähr 50 Prozent. Die Regierung gehört wie | |
Mamani Ali zur dominierenden Partei Movimiento al Socialismo. 80 Prozent | |
des Gemeindehaushalts besteht aus Unterstützungsgeldern der Regierung in La | |
Paz, erläutert Mamani Ali. Er hofft, dass die Abgeordneten weitere Kredite | |
von der Interamerikanischen Entwicklungsbank und der Lateinamerikanischen | |
Entwicklungsbank eintreiben. | |
Huarina braucht das Geld dringend. Eine neues Gesetz verpflichtet | |
Gemeinden, eine Müllkippe anzulegen, Plastik zu recyceln und organische | |
Materialien kompostieren, damit die Gemeinschaften den Kompost als Dünger | |
für die Landwirtschaft nutzen können. „Bisher werfen wir alles zusammen auf | |
eine Stelle, verbrennen es und verschmutzen die Umwelt“, sagt Mamani Ali. | |
Oder der Müll landet in den Flüssen. | |
Sauberes Wasser ist der größte Mangel der 8.000-Einwohner-Gemeinde. Drei | |
Großprojekte für Bewässerung will die Gemeinde umsetzen. Eins ist fast | |
fertig – bei den anderen fehlt noch das Geld der Zentralregierung, sagt | |
Mamani Ali. Statt zu fluten sollen die Familien künftig mit sparsamen | |
Sprinkleranlagen ihre Felder bewässern. Genau das rät auch Agrar-Experte | |
Emilio García Apaza. Dafür will die Gemeinde Brunnen bohren. Die alten | |
trocknen aus. Umgerechnet 3,5 Millionen und 2,3 Millionen Euro kosten die | |
beiden Projekte, für die noch die Finanzierung fehlt. „Das ist viel Geld“, | |
sagt Mamani Ali. Aber Huarina ist nur eine von 24 Gemeinden auf der | |
bolivianischen Seite des Sees, die alle mit ähnlichen Problemen kämpfen. | |
Neben der neuen Bewässerungsmethode braucht es andere Feldfrüchte, sagt | |
Emilio García Apaza. „Zum Beispiel Kartoffelsorten, die vier statt sechs | |
Monate bis zur Reife brauchen.“ Die sollten dann auch nur zu Beginn der | |
Regenzeit bewässert werden – nicht schon früher. Damit das Wasser für | |
möglichst viele reicht. | |
## Bäume sind wichtig für den Wasserkreislauf | |
„Wir haben früher nicht daran gedacht, an den Ufern Bäume zu pflanzen“, | |
sagt Bürgermeister Mamani Ali. Damit sind sie nicht alleine. Viele Menschen | |
auf der Hochebene hätten noch nicht verstanden, wie wichtig diese für den | |
Wasserkreislauf seien, sagt Emilio García. | |
In Huarina gibt es bisher vor allem Eukalyptus-Pflanzungen. „Wir wollen sie | |
gegen einheimische Keñua tauschen.“ Die Bäume wurden einst als Brennholz | |
gefällt und durch schnell wachsenden Eukalyptus ersetzt. Doch der trocknet | |
den Boden aus. An dem Flussbett für das erste Bewässerungsprojekt hat die | |
Gemeinde mit rund 400 Setzlingen begonnen, die eine grüne Plastikumrandung | |
gegen Wind und Tiere schützt. An einem komplett ausgetrockneten Fluss | |
sollen 3.000 weitere einheimische Bäume gepflanzt werden. | |
Derweil verhandelt der Gemeinderat mit den oberen Ortsteilen um Zugang, um | |
Wasser nach unten zu leiten. Für den Gemeinderatsvorsitzenden René Murillo | |
ist klar: „Wenn wir nichts unternehmen, werden unsere Leute auswandern und | |
die Dörfer verwaisen.“ Die Gemeinschaften leben von der Landwirtschaft, der | |
Fischerei und der Viehzucht. Die Jungen ziehen schon weg, in die Stadt oder | |
ins Ausland. „Dabei haben wir es in Ufernähe noch vergleichsweise gut. Da | |
ist noch Restfeuchtigkeit im Boden.“ | |
Seine Kollegin Soledad Cerruto Choque hat noch Hoffnung. Ihr Vater erzählte | |
ihr früher immer, wie der See einmal so trocken war, dass er mit ihrem | |
Großvater zum anderen Ufer ritt. In den 80ern hingegen reichte der See bis | |
zum Fußballplatz, und sie holten die Fische dort heraus. „Vielleicht kommt | |
das Wasser wie damals zurück.“ | |
Der Wissenschaftler Emilio García Apaza sagt jedoch: „Die Niederschläge | |
werden nicht mehr wie früher. Dafür müssten wir die Treibhausgase | |
reduzieren. Doch das ist eine globale Angelegenheit. Das einzige, was wir | |
tun können, ist, uns an die neuen Gegebenheiten anzupassen.“ | |
20 Feb 2024 | |
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[9] https://elpais.com/america-futura/2023-09-11/el-riesgo-de-que-el-lago-naveg… | |
## AUTOREN | |
Katharina Wojczenko | |
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