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# taz.de -- Film übers Landleben in Bolivien: Warten auf Regen in den Anden
> In „Utama – Ein Leben in Würde“ schildert Alejandro Loayza Grisi die L…
> der bolivianischen Quechua. Ein zurückgenommener, kluger Film.
Bild: Die Berge lassen das menschliche Leben schrumpfen: José Calcina (Virgini…
Seit Jahrzehnten leben die beiden Quechua Virginio und Sisa auf einer
Hochebene im bolivianischen Altipiano in den West-Anden von der Lamazucht.
Die Tage vergehen wortkarg und in den strengen Routinen, die ihnen das
karge Leben auferlegt. Jeden Morgen geht Virginio los, um die Lama-Herde
auszuführen, während Sisa Wasser aus dem Brunnen des Dorfes holt. Die Wege
werden für Sisa durch [1][die zunehmende Dürre] immer weiter und durch das
Alter beschwerlicher.
Auf dem kleinen Feld neben dem Haus wächst nichts. Der Brunnen im Dorf ist
versiegt, ein Fluss in einiger Entfernung die letzte verbliebene
Wasserquelle der Gegend. Virginio atmet keuchend und wird auf seinen Wegen
von immer heftigeren Hustenanfällen geschüttelt. Er stirbt, versucht das
aber vor seiner Frau zu verbergen. Die Lebensweise des alten Paares in
„Utama – Ein Leben in Würde“, dem Debütfilm des bolivianischen Regisseu…
Alejandro Loayza Grisi, ist ebenso bedroht wie das Leben in den Hochebenen
insgesamt.
Loayza Grisi zeigt das Leben des alten Paares als Kammerspiel vor der
imposanten Kulisse der 5.000 Meter hohen Berge, die sich an den Rändern der
Ebene erheben. Die eindrucksvolle Landschaft blitzt in den Bildern der
uruguayischen Kamerafrau Bárbara Álvarez immer wieder in überwältigenden
Bildern auf, in denen Schönheit und Härte nahe beieinander liegen.
Die Berge lassen das menschliche Leben schrumpfen. Über weite Teile ist der
Film jedoch in kleineren Einstellungsgrößen gehalten, die das Leben des
Paares und der wenigen verbliebenen Dorfbewohner_innen zeigen, die noch
nicht vor dem harten Leben kapituliert haben und in die Stadt gezogen sind.
## Generationenkonflikt auf dem Land
Als Clever, der Enkel des Paares, aus der Stadt zu Besuch kommt, ist er
fassungslos, wie Virginio und Sisa dieses Leben ertragen können. Er
versucht die beiden zu überzeugen, in die Stadt zu ziehen – und stößt
seinerseits auf Unverständnis. Durch den Enkel erweitert Loayza Grisi den
Abgesang auf eine Lebensform unter dem Druck der Natur in „Utama“ um einen
Generationenkonflikt.
Bei einem der Märsche durch die Ebene mit der Lamaherde im Schlepptau
liefern sich Virginio und Clever einen kindischen Wettkampf, gehen immer
schneller, überholen einander wiederholt. Das Unverständnis schlägt sich
auch in der Sprache des Films nieder. Clever [2][spricht kaum Quechua,]
sein Großvater wiederum weigert sich weitgehend, Spanisch mit ihm zu
sprechen.
Die Bewohner_innen der Ebene stehen dem ausbleibenden Regen zunehmend
ratlos gegenüber. Als letzten Versuch planen sie, einen Berg zu besteigen,
um Wasser zu holen, das in einem Ritual unten in der Ebene ausgesät werden
soll. Als auch dann noch der Regen ausbleibt, sehen viele keine Zukunft
mehr für sich.
Man darf es wohl Alejandro Loayza Grisis Prägung durch den Dokumentarfilm
zu Gute halten, dass der Alltag der beiden Protagonist_innen von „Utama“
mit großer Präzision gezeichnet wird. Die Routinen des alten Paares und
seine teils harsche Vertrautheit tragen den Film ebenso wie die unzähligen
kleinen Gesten, mit denen Sisa am Tisch mörsert und Virginio unterwegs
seine Mahlzeit auspackt.
## Laien als Hauptdarsteller
Vor „Utama“ arbeitete Alejandro Loayza Grisi als Kameramann, drehte
Musikvideos und arbeitete an der dokumentarischen Serie „Planeta Bolivia“
mit. Seine beiden Hauptdarsteller_innen José Calcina (Virginio) und Luisa
Quispe (Sisa) fand er im Vorbeifahren, als das Team nach Drehorten suchte.
Erst nach Monaten ließen sich die beiden schließlich überzeugen, die Rollen
zu übernehmen. Der Film feierte seine Premiere im Januar 2022 beim
Filmfestival in Sundance in den USA und gewann den Preis im Wettbewerb der
ausländischen Spielfilme.
Bei seinem Wechsel zum Spielfilm wurde Alejandro Loayza Grisi von seinem
Bruder Santiago Loayza Grisi und seinem Vater Marcos Loayza unterstützt,
die den Film produziert haben. Vater Marcos Loayza führte 1995 Regie bei
„Cuestión de fe“ (Eine Frage des Glaubens), der auf einer langen Reihe von
Festivals lief und unter anderem den Preis der internationalen Filmkritik
in Rotterdam erhielt.
„Utama“ ist ein zurückgenommener, kluger Film über eine störrische Liebe
und eine traditionsreiche Lebensweise, die von der Natur zunehmend bedroht
wird. Alejandro Loayza Grisi gelingt es in seinem Debüt auf beeindruckende
Weise, alle Fallstricke kitschigen Weltkinos zu umschiffen. Stattdessen
wird „U-tama“ getragen von der Schlichtheit seiner Erzählung, den visuellen
Freiräumen, die diese Schlichtheit eröffnet, und von Protagonist_innen,
denen man sich als Zuschauer gerne anvertraut.
Die Bilder von Bárbara Álvarez sind das Tüpfelchen auf dem i. Nur ein
Wunsch bleibt offen: Zu gern würde man „Utama“ in einem Freiluftkino sehen,
was im kalten Februar Utopie bleiben muss.
10 Feb 2023
## LINKS
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## AUTOREN
Fabian Tietke
## TAGS
Schwerpunkt Klimawandel
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