| # taz.de -- Spielfilm über Guerilleros in Kolumbien: Körper als Kampfzone | |
| > Der Film Monos“ von Alejandro Landes folgt jugendlichen Rebellen auf | |
| > ihrer Mission in Kolumbien – und balanciert zwischen Ästhetik und | |
| > Grausamkeit. | |
| Bild: „Monos“: Fragwürdiges Vergnügen beim angeketteten Baden im See | |
| Alejandro Landes hätte einen Film über die lange Geschichte bewaffneter | |
| Kämpfe in [1][Kolumbien] drehen können. Stattdessen hat der | |
| kolumbianisch-ecuadorianische Regisseur sich für eine riskante Allegorie | |
| auf den Krieg und die Jugend entschieden. „Monos“ zeigt junge Soldat*innen, | |
| die mitten in der Pampa am Rande eines unbenannten Konflikts leben, | |
| verweigert dabei aber jede zeitliche oder räumliche Verankerung des | |
| Geschehens. | |
| Das Resultat ist verblüffend frei, dabei vom ersten bis zum letzten Bild | |
| träumerisch, verunsichernd und desorientierend. Landes vermischt politische | |
| Symbolik sowie Verweise auf Filmgeschichte und Populärkultur miteinander, | |
| als wäre das Kino dazu in der Lage, sämtliche Gegensätze der Welt in sich | |
| zu verschlingen und aufzulösen. | |
| Der Film steigt hoch oben auf einem Berg ein, weit über dem Regenwald. Es | |
| ist feucht, die Jugendlichen haben keine Berührungsängste mit dem Schlamm. | |
| Lady, Wolf, Swede, Rambo, Smurf, Boom Boom und Bigfoot leben dort meist | |
| isoliert vom Rest der Welt, sie haben eigene Rituale entwickelt. Wenn sie | |
| miteinander umgehen, vermischen sich Hormontaumel und militärisches | |
| Gebaren, das sie von einem namenlosen Ausbilder erlernt haben. Der kommt | |
| gleich zu Beginn ins Camp und drangsaliert die Gruppe, verteilt aber nicht | |
| nur Strafaufgaben, sondern gibt auch seinen Segen für Liebesbeziehungen. | |
| ## Affen, die ihre Pflicht erfüllen | |
| Warum er auftaucht? Um sicherzustellen, dass seine Einheit von „Monos“ | |
| (spanisch für Affen) ihre Pflicht erfüllt: Es gilt, eine englischsprachige, | |
| weiße Frau zu bewachen, die von „der Organisation“ als Geisel festgehalten | |
| wird, und auf nachfolgende Anweisungen zu warten. Hinzu kommt eine weitere | |
| Verpflichtung, als er der Gruppe eine Kuh namens Shakira präsentiert. Als | |
| diese kurz nach Filmbeginn auftritt, macht er eine klare Ansage: „Wisst | |
| ihr, was passiert, wenn eine Kuh nicht gemolken wird? Sie explodiert!“ Ein | |
| Sprachbild, das den nachfolgenden Film treffend beschreibt. | |
| Der Körper ist in Landes’ Film die zentrale Kampfzone. Nicht die Politik. | |
| Nicht das Faktische. Gewiss nicht der Sinn für „das Reale“. Über den Kör… | |
| der Jugendlichen versucht sich der Filmemacher an einer künstlerischen | |
| Verhandlung, die sich von der Last der Verbindlichkeiten ihres | |
| Kriegsszenarios mit aller Kraft zu befreien sucht. | |
| Mit dem TV-Sender Arte sprach Landes über die innere Logik des Films und | |
| darüber, wie Krieg und Adoleszenz seiner Wahrnehmung nach verwandte | |
| Gedankenräume und Themen eröffnen. So befänden sich Jugendliche in einer | |
| Art „erhöhtem Geisteszustand“, weil deren Physis und Gefühlshaushalt sich | |
| permanent verändern. Der Geist hat in der Jugend Mühe, mit dem Körper | |
| Schritt zu halten. Ähnliches sieht er bei Soldat*innen, deren | |
| Adrenalinspiegel die Sinneswahrnehmung beeinflusst. | |
| ## Idealismus und blinde Aggression | |
| Im Krieg begegnen sich Idealismus und blinde Aggression, Heldentaten und | |
| Gräuel, meint Landes. Er zieht Parallelen und meint: Beide Situationen | |
| werfen Menschen aus der Bahn und entziehen deren Handlungen einer klaren | |
| Lesbarkeit. „Monos“ entstand als Versuch, Unvereinbares zu vermengen, um | |
| auf eine Gegenwart zu reagieren, die Unvereinbares nun einmal vereint. In | |
| Kolumbien wurden letztes Jahr allein im Departement Chocó 4.000 Jugendliche | |
| von rechtsextremen Paramilitärs zwangsrekrutiert. | |
| Kämpfe zwischen der Regierung, den Paramilitärs und den kommunistischen | |
| [2][Farc-Guerilleros] dauerten dort, angestachelt durch die damals | |
| antikommunistisch aufgeheizten USA, seit der Nachkriegszeit an und | |
| forderten bis heute mehr als 260.000 Opfer. Rund 8 Millionen Menschen | |
| wurden über die Jahrzehnte innerhalb Kolumbiens zur Flucht gezwungen. | |
| Erst mit dem Friedensabkommen von Präsident Juan Manuel Santos kamen die | |
| Auseinandersetzungen 2016 zeitweise zum Erliegen und flammen seit 2018 | |
| unter der neuen, rechtsgerichteten Regierung von Iván Duqe wieder auf. Der | |
| Moment für einen politischen Kommentar wäre also günstig. Landes ist das | |
| politische Terrain außerdem keineswegs fremd. | |
| So drehte er 2007 den Dokumentarfilm „Cocalero“ über den Wahlkampf des | |
| ersten indigenen Staatsoberhaupts Evo Morales in Bolivien und dessen | |
| Kampagne für den Coca-Anbau. Sein zweiter Film „Porfirio“ erzählte in | |
| Spielfilmform die Geschichte des kolumbianischen Flugzeugentführers | |
| Porfirio Ramirez, der sich gegen politische Ignoranz auflehnen wollte, | |
| nachdem ihn der fehlgeleitete Schuss eines Polizisten an den Rollstuhl | |
| gefesselt hatte. Landes besetzte den echten Porfirio Ramirez als | |
| Protagonisten. | |
| ## Schritt zur Verfremdung | |
| „Monos“ markiert in Landes’ Karriere den bisher deutlichsten Schritt hin | |
| zur Verfremdung, obwohl der Filmemacher auch hier einen politischen Akteur | |
| involvierte. So spielt den Ausbilder der Monos-Gruppe der ehemaliger | |
| Guerillakämpfer Wilson Salazar, der sich im Alter von elf Jahren den | |
| Farc-Truppen anschloss und erst nach über zehn Jahren desertierte. „Monos“ | |
| positioniert sich also in einer unmittelbaren Nähe zu Kolumbiens Situation, | |
| verweigert allerdings sowohl eine ideelle Verortung als auch eine klare | |
| Problematisierung. | |
| Kaum verwunderlich also, dass Landes’ Film seit seiner Veröffentlichung in | |
| Cannes weniger mit politischen Fragen als mit der Filmgeschichte in Bezug | |
| gesetzt wurde – so fielen etwa Vergleiche zu Coppolas [3][„Apocalypse | |
| Now“], Kim Nguyens „War Witch“ und Cary Fukunagas „Beasts of No Nation�… | |
| Auch Landes selbst ließ sich von Werken wie Elem Klimovs „Come and See“ | |
| inspirieren und macht keinen Hehl aus der vorwiegend ästhetischen | |
| Überzeugung, die ihn zu „Monos“ motivierte. So lässt er die kriegerische | |
| Mission der Gruppe immer wieder komplett in den Hintergrund treten, damit | |
| anderes in den Fokus rückt: Liebeseskapaden, Baden im Waldsee, | |
| Dschungelperformances und Gummibärchen. Dann kehrt der Krieg zurück: | |
| Grausame Bestrafungen und Gewaltakte sprengen unvermittelt das Geschehen. | |
| Die Geisel verzweifelt. | |
| ## Pilze im Kuhfladen | |
| In der zentralen Sequenz des Films soll alles gleichzeitig funktionieren: | |
| ein Drogentrip mit Pilzen aus dem Kuhfladen, gemeinsames Lachen, Paranoia, | |
| Eifersucht, Dschungelromantik, Sexträume, Bomben, Bürgerkrieg, Panik, | |
| Fleischwunden, Flucht, Verzweiflung, lustiges Pfeifen, Überlebenskampf. In | |
| mehreren Situationen des Films gibt es derlei ausdrückliche Kurzschlüsse. | |
| Etwa auch, wenn Bomben einschlagen und die Wächterin der Geisel um den Hals | |
| fällt. | |
| Erst aus kindlicher Angst, dann, um ihr obsessiv den Hals zu küssen, als | |
| würde sie sie begehren. Sekunden später springt sie in ihre Rolle zurück | |
| und lacht sie aus. Die Szene gibt Rätsel auf, was formale Freiheit im | |
| Kriegsfilm von Taktlosigkeit und Zynismus unterscheidet. Einen Film über | |
| Krieg, Folter und Gewalt zu sehen, war selten so einfach. | |
| Weil jedes Bild das vorhergehende regelrecht ablöst und Landes immer | |
| schnell darin ist, die üppige Natur und die ausdrucksstarken Menschen im | |
| Zentrum seines Films, letztlich die Kriegstechnologie selbst, zur nächsten | |
| Sensation heraufzubeschwören. Die kolumbianischen Laiendarsteller*innen vor | |
| der Kamera stammen teils aus Slums und tragen eine Verwundbarkeit in den | |
| Film, der er in seiner Stilobsession im Grunde nicht gerecht wird. | |
| Landes studierte in den USA und produziert heute international. „Monos“ ist | |
| die Dämonenaustreibung eines privilegierten Filmemachers, der seine Dämonen | |
| für sich behält und lieber die der anderen zeigt. Das Risiko tragen | |
| Menschen, die für seinen nächsten Film vermutlich keine Rolle spielen. | |
| 6 Jun 2020 | |
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| ## AUTOREN | |
| Dennis Vetter | |
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