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# taz.de -- CDU-Spitze tagt in Heidelberg: Im Zeitgeist der „Pinte“
> Die CDU-Spitze berät über das neue Grundsatzprogramm und die aktuellen
> Herausforderungen. Es soll um „CDU pur“ gehen, aber die AfD ist meistens
> mit dabei.
Bild: „Wir sind auch wieder eine konservative Partei“: CDU-Chef Friedrich M…
HEIDELBERG taz | Das Marriott-Hotel in Heidelberg liegt recht schön am
Neckarufer. Das Gebäude und seine Innenausstattung mit ihren dunkelroten,
gemusterten Teppichen und einer Bar voller Holz, über deren Eingang „Pinte“
steht, verströmen allerdings den Geist des letzten Jahrtausends. Insofern
passt es durchaus, dass sich der Bundesvorstand der CDU hier zu seiner
Jahresauftaktklausur trifft, auch wenn manche Christdemokrat*innen das
Ambiente spöttisch kommentieren.
Kern der Klausur ist ein Beschluss zum neuen Grundsatzprogramm, das mit
seinen Bekenntnissen zu [1][Leitkultur] und [2][Atomkraft], seiner Haltung
zum Islam und einer Verlagerung der Asylverfahren in Drittstaaten einen
ganz ähnlichen Zeitgeist wie der Veranstaltungsort verströmt. Die Partei
will den Kurs der Merkel-CDU korrigieren, ohne zu offensichtlich mit ihr zu
brechen. „Wir sind auch wieder eine konservative Partei und niemand hat
mehr ein Problem damit, das zu sagen“, erklärte Parteichef Friedrich Merz
sichtlich erfreut in seiner Abschlusspressekonferenz.
Atomkraft und Islam sind auch zwei der Punkte, die nach Auskunft von
Teilnehmer*innen in der Sitzung engagiert diskutiert wurden. Merz räumt
das ein. Insbesondere an der Formulierung ‚Muslime, die unsere Werte
teilen, gehören zu Deutschland‘ habe es Kritik gegeben. Manche
Christdemokrat*innen stört der Generalverdacht, der mitschwingt.
Geändert wurde die Formulierung nicht, wie es auch sonst keine
grundsätzlichen Veränderungen an dem Entwurf gegeben hat, bevor der
Bundesvorstand ihn absegnete.
Das liegt auch daran, dass die Parteispitze breit an der Erstellung des
Programmentwurfs beteiligt war – was als Erfolg für Merz und seinen
Generalsekretär Carsten Linnemann, der die Programmkommission geleitet
hat,verbucht werden kann. „Es wird eine Debatte auf dem Parteitag geben“,
sagte Merz. Es könne möglicherweise eine bessere Formulierung zu der
Islam-Passage geben, die inhaltliche Grundausrichtung aber müsse bleiben.
Auf dem Bundesparteitag im Mai in Berlin soll das neue Grundsatzprogramm
verabschiedet werden. Dort wird mit zahlreichen Änderungsanträgen
gerechnet.
Nach dem Willen von Merz und Linnemann sollen – neben dieser
Geschlossenheit – von der Klausur zwei Signale ausgehen: dass die Ampel
Schuld an der derzeitigen Lage im Land ist und die CDU das Gegenmodell zur
Ampel. Die Legitimation der politischen Parteien, Probleme zu lösen,
schwinde, sagte Linnemann. „Die Ampel, das muss man ganz klar sagen, ist
Hauptverursacher.“ Die CDU wolle mit dem Beschluss für das
Grundsatzprogramm, das vierte in der Geschichte der Partei, „Halt und
Orientierung geben“. Die CDU, meint Linnemann, müsse sich auf sich selbst
konzentrieren. „CDU pur“ nennt er das.
## „Das werden wir nicht dulden“
Allerdings ist an diesem Wochenende stets eine zweite Partei mit dabei: die
AfD. Das liegt an den Wahlen, die in diesem Jahr anstehen: Bei den
Kommunal- und Europawahlen im Juni sowie den Landtagswahlen in Sachsen,
Thüringen und Brandenburg im September droht ein Triumph der extrem rechten
Partei. Es liegt aber auch [3][an dem gerade bekannt gewordenen Treffen in
der Nähe von Potsdam], bei dem nach Correctiv-Recherchen Politiker der AfD
mit Unternehmern und anderen Rechtsextremisten einen Plan für die
massenhafte Deportation von Menschen mit Migrationshintergrund diskutiert
haben.
Mitglieder von CDU und Werteunion haben daran teilgenommen. „Das werden wir
nicht dulden“, sagte Merz. Gegen ein CDU-Mitglied aus NRW hat nach Angaben
von Paul Ziemiak, Generalsekretär der Landes-CDU, der zuständige
Kreisverband Schritte für den Parteiausschluss eingeleitet.
Drei Stunden dauerte die generelle Aussprache zu Beginn der Klausur, über
40 Wortmeldungen hat es dabei gegeben. Häufig, so ist zu hören, ging es um
den Zustand des Landes, den Umgang mit der AfD, die Sorge um die
Demokratie. Auch Merz hat dies in seinem Auftaktstatement thematisiert.
Einig war man sich laut Teilnehmer*innen in der klaren Abgrenzungen zur
AfD, nicht aber beim Umgang mit der extrem rechten Partei. Die einen sind
der Ansicht, dass die CDU die AfD offensiv inhaltlich herausfordern muss.
Die anderen befürchten, dass dies die AfD weiter stärken könnte.
Merz will eine „sehr klare, sehr harte Auseinandersetzung“ mit der AfD,
besonders über Europa-, Außen- und Wirtschaftspolitik, wie er bei der
Pressekonferenz auf Nachfrage ausführte. Viele Handwerker und
Mittelständler würden mit der AfD sympathisieren, ihnen müsse man klar
machen, dass diese Partei das Land wirtschaftlich nicht voranbringe,
sondern ihm schade. Auch forderte er den gesamten Bundesvorstand auf, im
Wahlkampf in den drei ostdeutschen Bundesländern aktiv zu werden. „Das ist
eine Aufgabe für die gesamte Bundespartei“, sagte Merz. „Ich möchte uns
nicht den Vorwurf machen nach diesen Wahlen, dass wir vor diesen Wahlen
möglicherweise zu wenig getan haben.“
Zum Team Attacke gehört wohl auch Thüringens CDU-Chef Mario Voigt, in
dessen Land die Lage besonders tricky ist. Auf X, früher Twitter, lieferte
er sich am Wochenende mit AfD-Rechtsextremist Björn Höcke einen
Schlagabtausch, der mit einer Zusage für ein öffentliches Streitgespräch
endete. Ein Parteiverbotsverfahren wurde nur am Rande thematisiert. „Ich
halte davon sehr wenig“, sagte Merz erneut. Die AfD müsse man politisch
bekämpfen.
Einen Schnitt will er bei der Werteunion vollziehen. „Der Zirkus mit der
Werteunion“ müsse ein Ende haben, soll Merz in der Sitzung gesagt haben.
Die Werteunion ist keine Parteiorganisation, sondern ein unabhängiger
Verein, deren Mitglieder aber zum großen Teil der CDU und der CSU
angehören. Wenn sich die Werteunion am kommenden Wochenende, [4][wie es ihr
Vorsitzender, Ex-Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen, plant], als
eigene Partei konstituiert, erledigt sich das Problem für die CDU auf
organisatorischer Ebene quasi von selbst. Wer Mitglied einer anderen Partei
wird, kann nicht gleichzeitig in der CDU sein. Macht die Werteunion das
nicht, will Merz auf dem nächsten Bundesparteitag einen
Unvereinbarkeitsbeschluss herbeiführen.
Heidelberger Erklärung
Damit von dem Treffen eine klare Botschaft ausgeht, verabschiedete die
CDU-Spitze nicht nur den minimal geänderten Entwurf des Grundsatzprogramms,
sondern auch eine „Heidelberger Erklärung“. Auch darin trägt alleine Schu…
an der derzeitigen Misere: die Bundesregierung. Die Ampel sei „kraftlos,
kopflos, planlos und zerstritten“ heißt es. Und: „Die Demokratie ist
stabil. Wir brauchen nur eine bessere Regierung.“ Inhaltlich kommt dann
vieles, was auch im Grundsatzprogramm-Entwurf steht. Bei einer
Regierungsübernahme will die CDU Bürgergeld und Heizungsgesetz abschaffen,
auch die Kürzung der Agrardiesel-Subventionen sollen zurückgenommen werden.
Menschen, die schon lange gearbeitet haben und unverschuldet arbeitslos
werden, sondern länger Arbeitslosengeld bekommen. „Auf die Option Kernkraft
können wir zur zeit nicht verzichten“, heißt es zudem etwas unbestimmt.
Kontrollen an den Binnengrenzen sollen bleiben, bis Frontex zu einer echten
Grenzschutzpolizei ausgebaut ist, Asylverfahren künftig in Drittsaaten
durchgeführt werden, wo die Flüchtlinge jenseits der Aufnahme eines
bestimmten Kontingents auch nach einer Anerkennung bleiben sollen.
Aber ist es nicht auch gefährlich, die Ampel permanent massiv zu
attackieren, weil dies nicht bei der CDU, sondern bei der AfD einzahlt?
„Für das, was in diesem Land passiert, ist zunächst einmal die
Bundesregierung zuständig“, antwortete Merz, betonte aber, man sei weiter
bereit, mit der Ampel zusammenzuarbeiten. In der Sitzung [5][hatte
Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst angeregt], der Ampel
ein neues Gesprächsangebot zu unterbreiten.
„Das ist keine leichte Zeit, in der die Ampel regiert“, sagte der
schleswig-holsteinische Ministerpräsident Daniel Günther und setzte damit
einen etwas anderen Ton. „Wir sollten den Leuten nicht vormachen, wenn die
Union in der Verantwortung ist, dass alles in Deutschland gut geregelt
ist.“ Manches sei zu lange liegengeblieben, deshalb gebe es viel zu tun.
Das kann man durchaus auch als Selbstkritik verstehen. Schließlich hat die
CDU vor der Ampel 16 Jahre lang regiert.
13 Jan 2024
## LINKS
[1] /Politologin-zu-Grundsatzprogramm-der-CDU/!5981094
[2] /Wiedereinstieg-in-die-Atomkraft/!5976218
[3] /Enthuellungen-ueber-AfD-Geheimtreffen/!5984997
[4] /Vorbereitung-fuer-Parteigruendung/!5983670
[5] /Merz-will-keinen-Streit-zu-Kanzlerschaft/!5981847
## AUTOREN
Sabine am Orde
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