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# taz.de -- Gründung der Werteunion-Partei: Mit Maaßen, aber ohne Mitte
> Ex-Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen will seinen ultrakonservativen
> Verein zur Partei machen. Eine Brandmauer zur AfD gibt es nicht.
Bild: Will seine Qualitäten als Steigbügelhalter testen: Hans-Georg Maaßen, …
Berlin taz | Die Parteienlandschaft wird unübersichtlicher: [1][Nach Sahra
Wagenknecht] hat auch der ehemalige Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg
Maaßen angekündigt, eine Partei gründen zu wollen. Möglich, dass er dafür
viele der rund 4.000 Mitglieder des [2][rechtskonservativen und CDU-nahen
Vereins Werteunion mitnimmt].
Nach Angaben von Maaßen soll deren Mitgliedschaft am Samstag in Erfurt bei
einer Versammlung über eine Übertragung des Namensrechts auf eine neu zu
gründende Partei abstimmen. Dafür bräuchte es innerhalb der Mitgliedschaft
eine Zwei-Drittel-Mehrheit, denkbar wäre ansonsten eine Abspaltung.
Der 61-jährige Maaßen hat mehrfach angekündigt, eine eigene Partei zu
gründen und mit dieser bei den Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und
Brandenburg im Herbst antreten zu wollen. Eine Abgrenzung zur AfD soll es
dabei nicht geben.
In einem Gespräch mit einer [3][rechten bis verschwörungsideologischen
Plattform] sagte er Anfang Januar, dass er sich selbst nicht als
nationalistisch sehe, aber dennoch mit der AfD sprechen würde: „Ich bin
gegen Brandmauern gegenüber Menschen, Gruppierungen und Parteien.“ So
besteht zumindest das Risiko, dass er sich mit einer erfolgreichen
Neugründung der AfD andienen könnte, um eine Mehrheit mit der extrem
rechten Partei auszuloten.
## Tipps für Frauke Petry
Der Versuch passt ins Bild: Angetreten war er eigentlich, um nach dem
Versagen beim rechten Terrornetzwerk NSU [4][Vertrauen in den
Verfassungsschutz] wieder herzustellen. Während seiner Zeit als
Verfassungsschutzpräsident warfen ihm aber viele vor, seine schützende Hand
über die AfD zu halten. Während seiner Amtszeit soll er etwa im direkten
Gespräch der damaligen Parteichefin Frauke Petry Tipps gegeben haben,
[5][wie man eine Beobachtung umgehen könne], ebenso soll er sehr
zurückhaltend bei der [6][Beobachtung der rechtsextremen Identitären
Bewegung] gewesen sein.
Auch hatte er als VS-Präsident etwa die [7][Existenz rechter Hetzjagden in
Chemnitz 2018] angezweifelt, was ihn am Ende unter anderem den Job kostete.
Nach seiner Demission beim Geheimdienst trat er als rechtskonservatives
CDU-Mitglied dem Verein Werteunion bei und war zeitweise unter anderem für
die Medienkanzlei Höcker tätig, die pikanterweise die AfD auch im Verfahren
gegen den Verfassungsschutz vertritt. In der Union blinkte er nach rechts
und hielt auch dort Koalitionen mit der AfD für denkbar.
Mit einer Direktkandidatur für den Bundestag in Südthüringen scheiterte er
2021 deutlich. Letztlich führte mangelnde Abgrenzung nach rechts auch zu
seinem Anfang 2023 initiierten Parteiausschlussverfahren in der CDU, wo ihm
„Sprache aus dem Milieu der Antisemiten und Verschwörungsideologen bis hin
zu völkischen Ausdrucksweisen“ vorgeworfen wurde.
## Maaßen blinkt gerne rechts
Der Vorwurf kommt nicht von ungefähr: Maaßen hat vielfältigen
verschwörungsideologischen bis rechtsextremen Medien Interviews gegeben und
sorgte mit Provokationen und teils auch antisemitischen Vokabular für eine
Anschlussfähigkeit rechtsextremer Milieus an rechtskonservative Kreise. Er
sprach von Staatsmedien, Kartellparteien, Ökosozialismus und
Gender-Wokismus, beklagte sich über „Globalisten“.
Zuletzt klang es gar nach völkischer AfD, als er von einer „grün-roten
Rassenlehre“ sprach, „nach der Weiße als minderwertige Rasse angesehen
werden und man deshalb arabische und afrikanische Männer ins Land holen
müsse“ oder wenn er einen „eliminatorischen Rassismus gegen Weiße“
beklagte.
Gerüchte um eine eigene Parteigründung halten sich bereits seit einigen
Monaten. Ob diese erfolgreich wird, ist unklar. Es sind bereits diverse
Parteineugründungen zwischen CDU und AfD gescheitert. Ausgegangen waren sie
vor allem von ausgetretenen AfD-Politikern, denen die Radikalisierung in
der AfD zu weit ging oder die keine Machtoptionen mehr hatten, und die mit
neuen Projekten reihenweise in der Bedeutungslosigkeit versanken.
Da wären etwa Bernd Lucke mit Alfa oder den Liberal-Konservativen Reformern
(LKR), Frauke Petry mit der Blauen Partei, Jörg Meuthen, der hoffte das
katholische Zentrum wieder zu beleben oder Steffen Große mit der
Ausgründung aus einem Sammelbecken aus Law-and-Order-Populist*innen und
versprengter ausgetretener und rausgeekelter AfDler im Bündnis Deutschland.
Mit den Freien Wählern gibt es eine weitere Konkurrenzveranstaltung in
diesem umkämpften Segment.
## Streit schon vor Beginn
Maaßen sagte, er lade verschiedene Kleinparteien ein, sich seinem Projekt
anzuschließen. Vorbereitungen, die Kräfte zu bündeln, gibt es schon länger,
angeblich soll es auch finanzkräftige Unterstützer*innen geben. Ebenso
sollten zumindest zwischenzeitlich diverse AfD-Abgeordnete aus Landtagen
und Bundestag zugesagt haben, einer möglichen Neugründung beizutreten.
Allerdings krachte es offenbar bereits während der Vorbereitung zur
Parteigründung. Ein abgestimmtes gemeinsames Vorgehen scheiterte nach
taz-Informationen, weil Maaßen es nun doch favorisierte, zunächst im
Alleingang die Werteunion als Partei zu gründen.
Ebenso gab es Werteunion-interne Verstimmungen: So sollte Markus Krall, ein
rechtsoffener und ultralibertärer Chrash-Prophet und ehemaliger
Geschäftsführer des Goldhandels Degussa nun anders als ursprünglich geplant
wohl doch nur eine untergeordnete Rolle spielen. Maaßen zufolge sei Krall
nicht für eine Führungsposition geeignet, weil er manchmal über das Ziel
hinaus schieße. Tatsächlich hatte Krall in der Vergangenheit krude
Positionen vertreten, leugnet den menschengemachten Klimawandel und hat
etwa bei einem Vortrag bei der AfD Sachsen vorgeschlagen, [8][Arbeitslosen
das Wahlrecht abzuerkennen].
Krall und Maaßen haben sich inzwischen scheinbar wieder zusammengerauft. So
soll Krall laut Maaßen Impulse für die politische Programmatik geben, er
schätze dessen „marktwirtschaftlich geprägte Expertise“. Krall selbst
schrieb in einem Statement, die neue Partei sei wichtiger „als die
möglichen Befindlichkeiten eines Markus Krall“. Es sei „jetzt nicht der
Moment für beleidigte Leberwürste, für Pussies und für Warmduscher“. Am
Samstag soll er eine Rede bei der Mitgliederversammlung der Werteunion
halten.
## Wundertüte und Projektionsfläche
Die inhaltliche Ausrichtung des neuen Projekt ist noch irgendwo zwischen
Projektionsfläche und Wundertüte. Ziemlich sicher enthalten sein dürften
eine restriktive Migrationspolitik, Law-and-Order-Forderungen, Sozialabbau,
Rückbau von EU-Kompetenzen und Steuersenkungen für Reiche sein.
Und auch eine gute Portion Selbstüberschätzung wird kaum fehlen: Maaßen
rechnet mit Rückenwind auch aus der Union. Nach seiner Einschätzung könnte
er nach Ende des Jahres in drei Landtagen vertreten sein und bereits
Regierungspolitik machen. „Ich mache nicht Politik für die Opposition“,
sagte er einem rechten Medienportal. Danach wolle er in Berlin
durchstarten. Maaßen hält es für realistisch, „dass wir dann auch schon
direkt in politischer Verantwortung nach der Bundestagswahl 2025 sind“.
Das tatsächliche Potential einer künftigen Maaßen-Partei ist unterdessen
schwer einzuschätzen. Neben der Anzahl der Parteien nimmt derzeit auch die
der flüchtigen Umfragen zu, die wöchentlich wahlweise per „Umfrage-Hammer“
oder „Schock-Umfrage“ mit neuen Höchstwerten für die AfD beunruhigen oder
Fantasiewerte für noch nicht einmal gegründete oder gerade in Gründung
befindliche Parteien erheben.
So dürfte Vorsicht geboten sein, wenn es zuletzt vom Umfrage-Institut Insa
hieß, dass das [9][Bündnis Sarah Wagenknecht in Brandenburg aus dem Stand
auf 13 Prozent kommen] könnte. Eine sechs Tage [10][zuvor veröffentlichte
Forsa-Erhebung] sah Wagenknechts Partei unter der Fünf-Prozent-Hürde bei 4
Prozent, was allerdings fast unterging.
## Gemischte Gefühle
Ähnlich viel Aufregung gibt es nun um eine Umfrage zur mutmaßlich in
Gründung befindlichen Maaßen-Partei. Laut einer Insa-Umfrage im Auftrag der
rechtsextremen Zeitung Junge Freiheit könnten sich angeblich 15 Prozent
bundesweit vorstellen, dessen Partei zu wählen. Dass der Insa-Gründer als
ehemaliges Mitglied der Werteunion durchaus Sympathien für das Projekt
haben könnte, wird aber über die landesweit verschickten Ticker-Meldungen
nicht mitverbreitet.
Gemischte Gefühle dürften sich nach einer Parteineugründung besonders bei
der CDU in Thüringen einstellen. Das langwierig und rechtlich schwer
durchsetzbare Parteiausschlussverfahren gegen Maaßen wäre damit zwar
obsolet, weil man nicht in zwei Parteien sein darf. Zudem wäre man die
querschießenden Leute von der Werteunion los, die zuletzt immer wieder
Aufregung gesorgt hatten – etwa durch Teilnahmen am von [11][Correctiv
aufgedeckten Potsdamer Geheimtreffen mit Neonazis und AfD-Politikern].
Auf der anderen Seite aber könnte eine Maaßen-Partei durchaus ein paar
Prozente kosten – insbesondere in Thüringen, wo Maaßen bereits für die CDU
antrat und in den eigenen Reihen durchaus Promi-Status genießt.
20 Jan 2024
## LINKS
[1] /Wagenknecht-Partei-gegruendet/!5982170
[2] /Vorbereitung-fuer-Parteigruendung/!5983670
[3] https://rechtemedieninfo.blogspot.com/2020/11/club-der-klaren-worte-langema…
[4] https://web.archive.org/web/20121017135429/http://www.bmi.bund.de/SharedDoc…
[5] https://www.welt.de/politik/deutschland/article180377688/Gespraeche-mit-der…
[6] https://www.spiegel.de/politik/deutschland/afd-alexander-gauland-berichtet-…
[7] https://www.t-online.de/nachrichten/deutschland/gesellschaft/id_100229914/n…
[8] https://www.fr.de/meinung/afd-sachsen-arbeitslosengeld-bekommt-soll-nicht-w…
[9] /Brandenburger-SPD-im-Wahlkampf/!5983131
[10] https://www.wahlrecht.de/umfragen/landtage/brandenburg.htm
[11] /Podcast-Bundestalk/!5986491
## AUTOREN
Gareth Joswig
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