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# taz.de -- Trotz des Treffens mit Rechtsextremisten: Zweifel an Machbarkeit vo…
> Nach den „Correctiv“-Enthüllungen wird der Ruf nach dem Verbot der Partei
> lauter. Menschen gehen dafür auf die Straße. Juristen sehen nur geringe
> Erfolgsaussichten.
Bild: Nach den Enthüllungen über das Geheimtreffen von Potsdam hat die Jugend…
Frankfurt am Main/Berlin epd/afp/dpa | Die Verfassungsrechtlerin Gertrude
Lübbe-Wolff hält ein AfD-Verbot nach wie vor für unwahrscheinlich. Für ein
Parteiverbot bedeuteten einzelne Enthüllungen wie jene über die
„Remigrationspläne“ in Kreisen der AfD noch nichts Entscheidendes. „Daf�…
kommt es auf das Gesamtbild an, also darauf, wie viel Unterstützung solche
Positionen in der Partei und unter ihren Anhängern finden“, sagte die
ehemalige Bundesverfassungsrichterin dem Evangelischen Pressedienst.
Das Recherche-Netzwerk „Correctiv“ hatte über ein [1][Treffen von
hochrangigen AfD-Politikern, Neonazis und spendenwilligen Unternehmern Ende
November berichtet]. Dem Bericht zufolge wurde dort ein Plan zur
Vertreibung von Millionen Menschen mit Migrationshintergrund aus
Deutschland vorgestellt und von den Teilnehmern unterstützt. Die Enthüllung
befeuert erneut die Debatte über einen Antrag für ein Verbot der AfD, den
Bundestag, Bundesrat oder Bundesregierung stellen müssten.
Laut Lübbe-Wolff müssen die Äußerungen bei dem Treffen, bei denen zum Teil
noch strittig ist, ob und wie sie gefallen sind, jedenfalls den
Verfassungsschutz interessieren. Pläne einer „Remigration“, für die Bürg…
nach ihrer Herkunft sortiert werden sollen, seien eindeutig
verfassungsfeindlich.
Aus der Beunruhigung, die solche „Remigrationsfantasien“ auslösten,
entstehe ein politischer Handlungsdruck. Mit Blick auf ein AfD-Verbot
handle es sich bei den Enthüllungen aber nur „um einen wichtigen
Mosaikstein“. Für ein Verbot der Partei komme es darauf an, wie viel
Unterstützung solche Positionen in der Partei und unter ihren Anhängern
finden. Weil es so schwierig sei, für eine Partei als Ganzes festzustellen,
ob sie die freiheitliche Demokratie gefährdet, hält Lübbe-Wolff Verfahren
der Grundrechtsverwirkung gegen einzelne Akteure für wirksamer. Das sei
nach dem Grundgesetz möglich.
Lübbe-Wolff zufolge lasse sich verfassungsfeindliches Verhalten einzelner
Politiker, [2][wie etwa des Thüringer AfD-Landesvorsitzenden Björn Höcke],
viel leichter nachweisen. „Einzelne Personen aus dem Spiel zu nehmen, indem
ihnen in einem Verfahren der Grundrechtsverwirkung die Wählbarkeit entzogen
und politische Betätigung untersagt wird“, würde nach Meinung von
Lübbe-Wolff auch „deutlicher machen als ein Parteiverbot, dass es wirklich
um den Schutz der Verfassung und nicht darum geht, politische Konkurrenz
grundsätzlich auszubooten“.
## Steinmeier zurückhaltend zu Verbotsverfahren gegen AfD
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat sich zurückhaltend zu einem
Verbotsverfahren gegen die AfD geäußert. „Ich kann die Erfolgsaussichten
nicht beurteilen – ein Verfahren würde vermutlich sehr lange dauern“, sagte
[3][Steinmeier der Süddeutschen Zeitung vom Samstag]. Er rate deshalb
„dazu, dass wir uns auf das konzentrieren, was unmittelbar in diesem Jahr
möglich und notwendig ist: Wir sollten die besseren Antworten geben, wir
sollten demokratische Mehrheiten organisieren und diese stärken.“
Auf die Frage, ob die Demokratie in Gefahr sei, wenn die AfD Landtagswahlen
im September in Ostdeutschland gewinne, sagte der Bundespräsident, er
hoffe, „dass jeder, der wählt, das nicht nur in einer Stimmung von Wut oder
Frust tut – sondern auch im Bewusstsein über die Folgen“.
Die gerade veröffentlichten Recherchen zu dem Treffen rechtsextremer
Aktivisten in Potsdam würden zeigen, dass Politik und Gesellschaft „sehr
wachsam“ sein müssten, betonte Steinmeier.
„Wenn wir in die Geschichte zurückschauen, stellen wir fest: Extremisten
waren immer das Unglück unseres Landes“, sagte Steinmeier. „Die Demokratie
ist nicht vom Himmel gefallen, die Demokratie ist nie auf Ewigkeit
garantiert – sie lebt nicht nur vom Grundgesetz, sondern auch vom
Engagement ihrer Bürgerinnen und Bürger.“
Er sei „deshalb erschüttert über die Beschimpfungen und die tätlichen
Angriffe, die es sogar schon auf der kommunalen Ebene gibt“, sagte der
Bundespräsident. „Wenn sich deshalb Verantwortungsträger zurückziehen oder
sich Menschen erst gar nicht entschließen, Verantwortung zu übernehmen,
dann trocknet die Demokratie von unten aus.“
Der Respekt vor demokratischen Institutionen und ihren Repräsentanten
schwinde, beklagte der Bundespräsident. „Immer mehr Menschen nehmen ihr
eigenes Interesse für das Ganze und leiten daraus das Recht ab, die Dinge
selbst in die Hand zu nehmen.“ Dabei denke er „nicht nur an den Umgang mit
Vizekanzler Robert Habeck, der am Fähranleger in Schlüttsiel von
Demonstranten bedrängt wurde, sondern auch an manche Aktivisten der Letzten
Generation“.
## Hans-Jürgen Papier rät von AfD-Verbotsverfahren ab
Der frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier,
hält einen Verbotsantrag gegen die AfD derzeit für falsch. „Das würde der
AfD nur in die Hände spielen“, [4][sagte er dem in Berlin erscheinenden
Tagesspiegel]. Der Grundgesetzartikel, der das Parteiverbot regelt, setze
hohe Hürden.
Für ein Parteiverbot müssten die grundlegenden Prinzipien des Rechtsstaates
und der Demokratie angegriffen werden, und zwar in einer
aggressiv-kämpferischen Art, etwa in Form eines mehr oder weniger
gewaltsamen Umsturzes, erläuterte Papier. Zudem müsste die Partei von ihrem
Gewicht her in der Lage sein, die grundlegende Werteentscheidung der
Verfassung zu beseitigen.
Auch wenn die AfD nach Einschätzung Papiers im Gegensatz zur NPD dieses
Gewicht hätte, sieht er einen Verbotsantrag kritisch. Man sollte ihn nur
dann stellen, „wenn man hinreichende Informationen hat, um alle die
genannten Punkte wirklich zu belegen und man mit großer Wahrscheinlichkeit
von einem Erfolg ausgehen kann“, sagte der Staatsrechtler.
Statt eines Verbotsverfahrens sieht Papier die gemäßigten Volksparteien der
demokratischen Mitte in der Pflicht. Sie müssten Wähler zurückgewinnen.
„Die AfD hat Anhänger aus dem rechtsextremen Spektrum, aber viele ihrer
Wähler sind keine Rechtsextremisten“, gab der Jurist zu bedenken. Sie
hätten ihre politische Heimat verloren und früher etwa Union gewählt oder
sogar die Linke. „Die schleichende Erosion unserer Demokratie beruht auf
dem eklatanten Versagen der Volksparteien als Mittler zwischen Bürgerschaft
und politischer Führung“, sagte Papier.
## CDU-Ministerpräsident Günther für AfD-Verbotsverfahren
Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) sieht in der AfD
eine Gefahr für die Demokratie und plädiert für ein Verbotsverfahren. Die
Partei werde „in drei Bundesländern als gesichert rechtsextrem eingestuft“,
sagte Günther der Welt am Sonntag. In zwei dieser Länder habe sie bei den
Landtagswahlen im Herbst gute Aussichten, stärkste Kraft zu werden. Hier
müsse „eine wehrhafte Demokratie die Instrumente, die ihr zu ihrem eigenen
Schutz zur Verfügung stehen, auch nutzen“, forderte Günther.
Ein solches Verfahren müsse aber „sehr gut vorbereitet werden“, da es am
Ende auch erfolgreich sein müsse, sagte Günther. Er verstehe deshalb, dass
zum Beispiel CDU-Parteichef Friedrich Merz dem Versuch, die AfD zu
verbieten, mit Skepsis begegne. „Ein Parteiverbot ist ein scharfes Schwert,
mit dem man nicht leichtfertig hantieren soll“, sagte Günther. „Dennoch
komme ich angesichts der Gefahr, die von der AfD ganz offenkundig ausgeht,
zu einem anderen Schluss.“
Die AfD sei „schlicht eine echte Bedrohung für unsere Demokratie“, betonte
der CDU-Politiker. „Weggucken und achselzuckend zur Kenntnis nehmen, dass
so viele Menschen sich einer solchen Partei zuwenden, ist für eine
Demokratin oder einen Demokraten nicht akzeptabel.“
Verein Deutsche Sprache berät über Konsequenzen
Der Verein Deutsche Sprache (VDS) will kommende Woche über den Ausschluss
eines Vorstandsmitglieds befinden, das an dem Potsdamer Treffen radikal
rechter Aktivisten teilgenommen haben soll. Der Vorsitzende Walter Krämer
teilte der Deutschen Presse-Agentur am Samstag auf Anfrage mit: „Wir haben
nächste Woche eine Vorstandssitzung, wo auch über den Ausschlussantrag
entschieden wird.“ Er bestätigte außerdem, dass der Philosoph Peter
Sloterdijk den Verein verlassen hat. Zuvor hatte ein Redakteur des
Deutschlandfunks [5][Sloterdijks Kündigungsschreiben auf der Plattform X]
verbreitet.
Der Verein widmet sich der Bewahrung der deutschen Sprache in ihrer
alterhergebrachten Form und wendet sich dabei besonders gegen die
übermäßige Verwendung von Anglizismen und gegen das Gendern. Er hatte sich
bereits nach Bekanntwerden des Potsdamer Treffens durch eine
Correctiv-Recherche in einer Stellungnahme vom Mittwoch „von den privaten
Tätigkeiten seines Vorstandsmitglieds“ distanziert. „Insbesondere war die
aktuell kritisierte Aktion von Silke Schröder weder mit dem VDS
abgesprochen noch gar von diesem initiiert oder autorisiert.“ Weiter hieß
es: „Der VDS unterstützt keine Aktionen, die nicht mit dem Grundgesetz
vereinbar sind und lehnt Diskriminierungen jeder Form ab.“
Dem Kabarettisten und Berliner Theaterintendanten Dieter Hallervorden, der
dem Verein angehört, war das nicht genug. Nach den Berichten über das
Potsdamer Treffen sagte er dem Deutschlandfunk: „Ich bin entsetzt. Und die
Frau muss diesen Verein schnellstens verlassen.“
## Demonstranten vor Kanzleramt fordern AfD-Verbotsverfahren
Vor dem Bundeskanzleramt in Berlin [6][haben Demonstranten am Freitagabend
die Prüfung eines AfD-Verbots gefordert]. Nach Angaben der Polizei lag die
Teilnehmerzahl im „unteren dreistelligen“ Bereich. Die Veranstalter teilten
mit, sie forderten von der Bundesregierung, von Bundestag und Bundesrat,
die Prüfung eines Verbots der AfD zu veranlassen.
Auch Klimaaktivistin Luisa Neubauer war bei der Demonstration dabei. Auf
Transparenten war unter anderem „Demokratie in Gefahr“ und „Nie wieder“…
lesen.
Veranstalter der Demo am Kanzleramt ist nach eigenen Angaben eine Gruppe
demokratischer Bürger aus der Zivilgesellschaft, die sich nach der
Veröffentlichung der Correctiv-Recherche spontan über die sozialen Medien
kennengelernt hätten.
Bisher ist die AfD in drei ostdeutschen Länder vom Verfassungsschutz als
gesichert rechtsextrem eingestuft. Für ein Verbot muss ihr aber
nachgewiesen werden, dass sie aggressiv-kämpferisch gegen die demokratische
Grundordnung vorgeht, also einen Umsturz anstrebt. Einen Verbotsantrag
können Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat stellen. Darüber
entscheiden würde das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe.
13 Jan 2024
## LINKS
[1] /Enthuellungen-ueber-AfD-Geheimtreffen/!5982734
[2] /Stoppt-Hoecke-Petition/!5985179
[3] https://www.sueddeutsche.de/projekte/artikel/politik/bundespraesident-sz-in…
[4] https://www.tagesspiegel.de/politik/ex-verfassungsgerichtsprasident-hans-ju…
[5] https://twitter.com/radiovladi/status/1745823951081640224
[6] /Demonstration-fuer-AfD-Verbot/!5985229
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