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# taz.de -- Streit um Tempo 30 in Berlin: CDU-Fraktion drückt aufs Gaspedal
> Dass in Berlin vieles schneller gehen sollte, ist gar nicht umstritten.
> Aber muss das wirklich auf den Straßen mit dem Abschaffen von Tempo 30
> sein?
Bild: Nur Tempo 30? Das muss doch auch schneller gehen
Von Berlins Verkehrssenatorin Manja Schreiner stammt das zeitlos schöne und
zugleich kryptische Regierungsmotto: „Wir machen keine Politik für das
Auto. Wir machen keine Politik gegen das Auto. Wir machen Politik mit dem
Auto.“ Hängengeblieben sind von der Aussage der CDU-Politikerin dabei
insbesondere die [1][letzten beiden Sätze].
Allein, aus Sicht ihrer Parteifreund:innen im Landesparlament scheint
die seit April 2023 amtierende Senatorin bislang zu wenig in diesem Sinne
geliefert zu haben. Weshalb die Kolleg:innen jetzt einfach selbst etwas
Schwung in die Autokiste gebracht haben.
Konkret geht es um die Hauptverkehrsstraßen. Wie CDU-Fraktionschef Dirk
Stettner fleißig zusammengerechnet hat, leiden Autofahrer:innen auf
rund 240 Kilometern des über 1.500 Kilometer langen Berliner
Hauptstraßennetzes noch immer unter einer [2][„bevormundenden
Umerziehungsmaßnahme“] aus rot-grün-roten Senatszeiten: der
Geschwindigkeitsbegrenzung auf Tempo 30. Damit soll Schluss sein.
Bis Mitte 2024 soll die Verkehrssenatorin auf mehr als zwei Dutzend
Hauptstraßen die dort einst angeordneten Tempo-30-Abschnitte wieder
aufheben. So der Plan Stettners. Das Versprechen des Auto-Zampanos im Namen
der größten Abgeordnetenhausfraktion: „Wir machen Berlin wieder mobil.“ U…
allzeit flotte Fahrt.
Abgesehen davon, dass der Autoverkehr durch das Abmontieren von
Tempo-30-Schildern mitnichten effizienter und schneller fließt.
Schließlich müssen hierfür erst die Ampelschaltungen in großem Stil
umprogrammiert werden. Das dauert, und in Berlin noch länger, nämlich oft
mehrere Jahre. Doch das nur nebenbei.
## Vekehrssicherheit als links-grüne Folklore
Weit ärgerlicher ist, dass in der Planung die Verkehrssicherheit als
links-grüne Folklore abgehandelt wird. Für die CDU-Fraktion sind Ausnahmen
vom Tempo-50-Gebot allenfalls vor Kitas, Schulen, Senioren- oder
Betreuungseinrichtungen „sinnvoll“.
Dass Tempo 50 auch ansonsten zu deutlich mehr und deutlich schwereren
Verkehrsunfällen führen kann als Tempo 30 – egal. Versierte
Autofahrer:innen haben ihr Gefährt stets unter Kontrolle,
Radfahrer:innen sind meist selbst schuld, und Fußgänger:innen
sollen gefälligst die Ampel bei Grün benutzen. Das freilich erst, nachdem
sie sich versichert haben, dass sie keinem Auto beim Rechtsabbiegen im Weg
sind.
Nun könnte es die Berliner Verkehrssenatorin herzlich unberührt lassen, was
ihre CDU-Kolleg:innen in ihren autoschwärmerischen Mußestunden zu Papier
bringen. Doch die Angelegenheit ist komplexer. Denn das eigentliche Problem
ist das antiquierte deutsche Straßenverkehrsrecht, das die Möglichkeit,
Tempo-30-Abschnitte auf Hauptstraßen anzuordnen, auf die Aspekte
Sicherheit, Lärmschutz und Luftreinhaltung beschränkt. In Berlin kam
seinerzeit Letzteres zum Tragen.
Die gute Nachricht mit hässlicher Nebenwirkung: Die Luftqualität hat sich
seither auch durch Tempo 30 deutlich verbessert, allerdings ist so die
Grundlage für die Geschwindigkeitsbegrenzung weggefallen. Gegen die
Maßnahme kann folglich geklagt werden. Und Verkehrssenatorin Schreiner ist
Juristin. Sie hat dann auch angekündigt, dass sie sich dem Vorstoß der
CDU-Fraktion nicht verschließen kann.
Noch im November hatte sie im Bundesrat übrigens für die [3][Novelle des
Straßenverkehrsgesetzes] gestimmt, die Erleichterungen bei der Einführung
von Tempo 30 vorsah. Die Kammer lehnte die Gesetzesänderung mehrheitlich
ab. Ein Ergebnis des Vetos darf demnächst auf Berlins Hauptstraßen
bewundert werden: Endlich mehr schwere Verkehrsunfälle. Danke für nichts,
Bundesrat! Und natürlich: Danke, CDU-Fraktion!
12 Jan 2024
## LINKS
[1] /Abgeordnetenhaus-von-Berlin/!5940373
[2] /CDU-Vorstoss-fuer-mehr-Tempo-50/!5982293
[3] /Verkehrsreformen-vorerst-gescheitert/!5972781
## AUTOREN
Rainer Rutz
## TAGS
Schwerpunkt Stadtland
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Verkehrspolitik
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