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# taz.de -- Bund-Länder-Treffen zur Migration: Union und Ampel überbieten sich
> Länder und Kommunen fordern mehr Geld für die Unterbringung von
> Geflüchteten. Einige Hardliner fordern immer mehr Abschreckung – und
> viele machen mit.
Bild: Abschreckung und Abschottung: eine Grenzmarkierung nahe Lebus an der Oder
Berlin taz | Am Montag treffen sich die Regierungschef*innen der
Länder mit Bundeskanzler Olaf Scholz, um wie schon im Mai über die
Unterbringung und Versorgung geflüchteter Menschen zu sprechen. Knapp
234.000 Erstanträge auf Asyl wurden in Deutschland bis Ende September
gestellt. Die Schutzquote ist hoch: Bei inhaltlichen Entscheidungen liegt
sie bei 70 Prozent. Doch die Vorzeichen haben sich geändert. Der neue Kurs
geht quer durch fast alle Parteien in eine Richtung: [1][Verschärfung des
Asylrechts.]
Die Ampel war einst angetreten für einen „Paradigmenwechsel“ in der
Migrationspolitik: mehr Humanität, mehr Pragmatismus im Umgang mit
Geflüchteten. Am 10. Mai aber trat der Kanzler nach stundenlangen
Gesprächen über die Belastung in den Kommunen vor die Presse, und bevor er
eine zusätzliche Milliarde Euro für Länder und Kommunen versprach, redete
er minutenlang über: Verschärfungen, Restriktionen, Abschottung.
Seither überbieten sich Spitzenpolitiker*innen mit harten Worten in
der Asylpolitik. Man müsse „endlich in großem Stil abschieben“, verkünde…
Scholz auf dem Cover des Spiegel. Die Zahlen müssten sinken, [2][erklärten
Grünen-Chefin Ricarda Lang und Baden-Württembergs Ministerpräsident
Winfried Kretschmann] jüngst im Tagesspiegel.
Daher wird es bei den Besprechungen der Regierungschef*innen von Bund
und Ländern nicht nur ums Geld gehen. Länder und Kommunen machen seit Tagen
deutlich, dass das, was der Bund bisher an Unterstützung gibt, nicht
reicht.
## Mehr Geld? Lindner blockt Forderungen ab
Hessens Ministerpräsident Boris Rhein bekräftigte am Freitag die einhellige
Forderung von Kommunen und Ländern nach einer Rückkehr zu einem „atmenden
System“ in der Finanzierung: Statt starrer Pauschalen fordern sie neben
einer Pauschale für „flüchtlingsbezogene Zwecke“ auch eine
Pro-Kopf-Pauschale, sodass die Summe sich an der Zahl eintreffender
Schutzsuchender orientiert.
Der Bund soll die Kosten der Unterbringung übernehmen, ebenso die Kosten
für unbegleitete Minderjährige unter den Geflüchteten. So war es nach den
großen Fluchtbewegungen von 2015 organisiert, der Bund hatte die Regelung
jedoch im Jahr 2021 nicht verlängert.
Forderungen nach mehr Geld hat Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP)
abgeblockt. Zum einen nehme der Bund Ländern und Kommunen schon die Kosten
für die mehr als eine Million geflüchteten Ukrainer*innen ab, erklärte
er im Kölner Stadtanzeiger. Zum anderen könnten die Länder die Zahl
Asylsuchender reduzieren, indem sie Sach- statt Geldleistungen auszahlten.
Lindner brachte erneut eine Absenkung der Leistungen für Geflüchtete ins
Spiel.
## Union und Ampelfraktionen überbieten sich
Sachleistungen, etwa in Form einer elektronischen Bezahlkarte, werden bei
der Ministerpräsidentenkonferenz Thema sein. [3][Laut Union und FDP könne
man damit „Pull-Faktoren“ abbauen] – es also für Menschen unattraktiver
machen, nach Deutschland zu kommen. Dass dies funktioniere, sei nicht
belegt, betonte jedoch Miriam Marnich vom Deutschen Städte- und
Gemeindebund. Sie verwies zudem auf den hohen Verwaltungsaufwand, den eine
solche Maßnahme bedeuten könne.
Absehbar ist: Am Montagabend wird es eine Einigung in der Finanzfrage
geben, in welcher Form auch immer – und wohl auch neue Ankündigungen für
Verschärfungen im Umgang mit Geflüchteten. Sowohl die Union als auch die
Ampelfraktionen haben den Druck zuletzt massiv erhöht.
„Wenn die Ampelkoalition nicht die Kraft für eigene Entscheidungen besitzt,
steht die Union grundsätzlich parat, um diese Herausforderungen anzugehen“,
hat am Freitag der parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion,
Thorsten Frei, erklärt – nur wenige Stunden, bevor CDU-Parteichef Friedrich
Merz und CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt zu einem Treffen im
Kanzleramt eintreffen sollten.
Die FDP will Leistungen für Geflüchtete in bestimmten Fällen auf „Null“
senken. Eine Handvoll SPD-Abgeordneter arbeitet an Vorschlägen, wie
Asylverfahren in Staaten außerhalb der EU verlagert werden könnten. Dabei
haben Bundesinnenministerin und Bundeskanzler dieser Forderung aus der
Union schon eine Absage erteilt.
3 Nov 2023
## LINKS
[1] /Verschaerfte-Abschieberegeln/!5966568
[2] /Gruene-Migrationspolitik/!5966948
[3] /Leistungen-fuer-Gefluechtete/!5964135
## AUTOREN
Dinah Riese
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Hendrik Wüst
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