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# taz.de -- Bund-Länder-Gipfel zu Migration: Auf fruchtbaren Boden
> Die rechte Propaganda zeigt Wirkung auch auf den Mainstream und die
> Ampel. Für Menschen in Not sind das keine guten Vorzeichen.
Bild: Ackern am rechten Rand: Friedrich Merz (rechts) mit NRW-Ministerpräsiden…
Zu den Charakterzügen von CDU-Chef Friedrich Merz gehört es bekanntermaßen,
schnell beleidigt zu sein und das dann auch lange zu bleiben. Sein
Verhalten nach der Bund-Länder-Konferenz (MPK) im Kanzleramt Montagnacht
erklärt das aber nur zum Teil. Bei Pilzpfanne, Gulasch und Rotkohl berieten
die Ministerpräsidenten mit Kanzler Olaf Scholz über das wohl heißeste
Thema dieser Tage: die Migration – oder besser: [1][Wie die unerwünschten
Formen der Migration einzudämmen sind].
Merz hatte schon vor Monaten erklärt, dies sei „das größte Problem“ im
Lande, und alle nickten fleißig. Merz, der Staatsmann, bot Scholz damals
verantwortungsschwer an, bei dessen „Deutschlandpakt“ mitzuarbeiten, wenn
es dabei auch gegen die Migration gehe. Seither aber verabschiedete die
Ampel nur selbstgemachte Asylrechtsverschärfungen.
Bei der Bund-Länder-Runde sollte es nun um Reformen gehen, die auch die
Unionsländer mittragen. Merz ist kein Ministerpräsident und war nicht
dabei. Trotzdem setzten sich die Unions-Regierungschefs mit einigen
Forderungen durch. Es soll nun doch keinen Familiennachzug für subsidiär
schutzbedürftige Bürgerkriegsflüchtlinge geben und 3 Jahre statt bisher 18
Monate lang nur eingeschränkte Sozial- und Gesundheitsleistungen für
Asylsuchende.
## Echt sauer auf Scholz
Merz, der kürzlich sogar von [2][Bild-Kolumnist Franz Josef Wagner]
gerüffelt wurde, weil er sich über Zahnbehandlungen für Flüchtlinge
aufregte, müsste das gefallen haben. Tatsächlich war er so wütend, dass er
nicht mehr mit Scholz reden wollte. Zu viel, so fand er wohl, war in Sachen
Flüchtlingsabwehr an ihm vorbeigelaufen. „Damit ist das Thema
Deutschlandpakt zum Thema Migration aus meiner Sicht erledigt“, sagte er
beleidigt.
Dass Merz’ Geltungsdrang es nicht verträgt, wenn Scholz MPK-Beschlüsse, bei
denen er selbst nicht mitgeredet hatte, als „historisch“ verkauft, ist eine
Sache. Eine andere ist, dass die Union das Migrationsthema zu immer
größerer Dramatik hochkocht, um das angebliche Versagen der Ampel als umso
existenzieller hinstellen zu können. Gleichzeitig will man sich nicht dafür
verantwortlich machen lassen müssen, wenn es doch nicht läuft.
„Am Ende werden wir für einen Deutschlandpakt Migration mitverhaftet, weil
wir Regeln mittragen, die aus unserer Sicht nicht ausreichen – und die die
Zahlen im Frühjahr 2024 eben nicht wirklich nach unten bringen“, sagte ein
CDU-Bundesvorstandsmitglied der dpa. Im Frühjahr 2024 sind EU-Wahlen. Das
ist die strategische Seite von Merz’ Bockigkeit.
Wie sehr der Kampf gegen die Migration, die das Land ja eigentlich dringend
bräuchte, von rechts aufgeladen wird, zeigt auch die Wortwahl der
Parlamentarischen Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion, Katja Mast:
„Merz verabschiedet sich vom nationalen Konsens. Er will keine
Verantwortung für Deutschland übernehmen.“ Abschottung als „nationaler
Konsens“ und Merz als Windei, das in der Stunde der Not dem Vaterland nicht
zu Seite steht – mit solchen Sozialdemokraten braucht es keine
Rechtspopulisten mehr.
## Allenfalls jedeR Vierte
Natürlich reicht das, was die Ampel tut, um die Flüchtlinge draußen zu
halten, der Union grundsätzlich nie. Also geht es immer weiter mit den
Verschärfungen. Und die FDP macht mit. So forderte der
schleswig-holsteinische FDP-Abgeordnete Maximilian Mordhorst ein
politisches Betätigungsverbot für Nicht-EU-Ausländer. „[3][Kein Wahlrecht,
keine Mitbestimmung in Parteien oder anderen Gremien, keine
Versammlungsfreiheit.]“
Und schon am Morgen nach der MPK forderte Bundestags-Vize Wolfgang Kubicki,
dass „ein Viertel einer Stadt [4][nicht mehr als 25 Prozent]
Migrantenanteil haben darf, damit keine Parallelgesellschaften entstehen“.
Der offenkundig unerfüllbare Vorstoß wird ohne Folgen bleiben – anders als
der von der MPK an den Bund ergangene Auftrag zu prüfen, ob Asylverfahren
in Drittstaaten möglich sind.
In Dänemarks Hauptstadt Kopenhagen ist dies aufmerksam registriert worden.
Die dänische Regierung war 2020 die erste, die mit dem Diplomaten Anders
Tang Friborg einen „Migrationsbotschafter“ ernannt hatte. Seine Aufgabe:
Ein afrikanisches Land finden, in das Dänemark alle Ankommenden
Asylsuchenden bringen darf. Er antichambrierte unter anderem in Libyen,
Ruanda, Tunesien, Marokko, Ägypten und Sudan – fast durchgängig Länder mit
katastrophaler Menschenrechtsbilanz.
Friborg blitzte letztlich überall ab. Österreich und die Schweiz haben
zwischenzeitlich signalisiert, dass auch sie dabei wären. Und Friborgs
deutscher Amtskollege, [5][der „Migrationsbeaufragte“ der Ampel, Joachim
Stamp], machte schon früh klar, dass er die Verlegung von Asylverfahren
nach Afrika prüfen will. Da verhandelt Friedrich Merz sicher gern mit.
11 Nov 2023
## LINKS
[1] /Bund-Laender-Treffen-zur-Migration/!5967934
[2] https://www.bild.de/politik/kolumnen/franz-josef-wagner/post-von-wagner-lie…
[3] https://twitter.com/maxmordhorst/status/1721106786302734339
[4] https://www.youtube.com/watch?v=ryg94nPtxoY
[5] /Migrationsbeauftragter-der-Bundesregierung-Stamp/!5911993
## AUTOREN
Christian Jakob
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Schwerpunkt Flucht
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