# taz.de -- Grüne Kulturpolitik in der Kritik: Claudia Roth grenzt sich klar z… | |
> Die Kulturstaatsministerin kündigt einen „Code of Conduct“ für das | |
> Berliner HKW an und wirbt um Vertrauen in grüne Politik. Ein Statement | |
> mit Folgen. | |
Bild: Claudia Roth (Grüne), Staatsministerin für Kultur und Medien, in ihrem … | |
Von allen Seiten wird derzeit weiter munter auf die Grünen eingedroschen. | |
Versuchen sie hart zu bleiben, wie bei der Energiewende, gilt dies vielen | |
als verwerflich. Sie seien calvinistische Moralapostel. | |
Und gehen die Grünen im Pragmatismus des Regierens einen Kompromiss ein, | |
wie jetzt beim Asylrecht, gibt es Dresche von der anderen Seite. | |
Moralischer Verrat heißt es, während Außenministerin Annalena Baerbock in | |
Brasilien und Kolumbien gerade ihre feministische Außenpolitik vertritt. | |
Da sage noch eine/r, Opposition sei Mist. Regieren kann auch ganz schön | |
enervierend sein. | |
Das weiß auch Claudia Roth (Grüne). Sie trat im Dezember 2021 die Nachfolge | |
von Monika Grütters (CDU) als Kulturstaatsministerin an. Für die | |
ökologische Nachbesserungen am Neubau des Museums für Moderne Kunst wurde | |
sie von konservativer Seite abgewatscht. Die ästhetische Reinheit der | |
Entwürfe sei in Gefahr. | |
## Christenkreuz und documenta | |
Auch als Roth Christenkreuz und fürstliche Bibelnachdichtung an der | |
Humboldtkuppel in Berlin ansprach, schäumten die Traditionalisten. Und noch | |
mehr als sie versuchte, eine Namensmodernisierung für die Stiftung | |
Preußischer Kulturbesitz (SPK) ins Spiel zu bringen: Frau Roth aus Bayern. | |
Und dann ist da noch die documenta-Debatte. Der Antisemitismusskandal | |
letzten Sommer auf der documenta 15 klebt ihr wie der Kaugummi an der | |
Schuhsohle. Dabei war die Ausrichtung auch hier bereits zuvor unter der | |
Ägide ihrer Vorgängerin Monika Grütters beschlossen. | |
Auf der documenta in Kassel wurden dann so ziemlich alle Versäumnisse der | |
Kulturpolitik von Ländern und Bund der letzten Jahre sichtbar. Angesichts | |
von Globalisierung, Migration, neuer plurinationaler Gesellschaft wünscht | |
man sich eine Internationalisierung und Öffnung des Kulturbetriebs. | |
Unterschätzte dabei aber, wie komplex das Vorhaben ist. Geeignete | |
Leitlinien gab es nicht, [1][das Personal war hoffnungslos überfordert.] | |
So konnten die Verantwortlichen der documenta15 künstlerisch offene | |
Kunstsprachen von geschlossenen Systemen der Propaganda nicht | |
unterscheiden. Die Folge: Hetze gegen Israel, USA, westliche Demokratien | |
und Juden im Allgemeinen. | |
## Keine Förderung von BDS | |
„Wir fördern keine Veranstaltungen, auf denen für den BDS geworben wird | |
oder Ziele des BDS vertreten werden“, hat Claudia Roth nun in Berlin bei | |
der [2][Neueröffnung des Hauses der Kulturen der Welt (HKW)] | |
unmissverständlich gesagt. BDS steht für die anti-israelische Kampagne | |
„Boycott, Divestment and Sanctions“. | |
Ihre Rede im HKW wurde mit Spannung erwartet, zumal der neue Intendant | |
Bonaventure Ndikung seinerseits vor Jahren mit einem antisemitischen Post | |
auffiel. Auch Ndikung („Herr der Ringe“ so Ijoma Mangold in der Zeit) war | |
noch von Monika Grütters berufen worden. Im Mai war Roth bei einem | |
inszenierten Eklat in Frankfurt von jüdischen Aktivist:innen | |
überraschend ausgebuht worden. | |
Im HKW wies sie nun erneut darauf hin, dass sie das Ausgrenzen „von | |
Künstlerinnen und Künstlern durch den BDS, durch Boykott und silent | |
boycott, durch Drohungen und oft genug auch durch Gewalt“ nicht hinnehmen | |
werde. Wer Menschen boykottiere, „weil sie jüdische Israelis oder weil sie | |
Jüdinnen und Juden sind, der handelt antisemitisch“. Punkt. | |
## Code of Conduct | |
Aber anders als so manche Kritiker:innen [3][meint Roth auch, dass | |
Dialog und Verknüpfung] mitunter bessere Optionen böten, als generell zu | |
polarisieren und gegeneinander abzuschotten. Ohne dabei allerdings | |
menschenrechtliche Standards aufzugeben. Anders als die Kassler documenta | |
liegt das Haus der Kulturen der Welt im Geschäftsbereich der | |
Kulturveranstaltungen des Bundes in Berlin GmbH. | |
Damit ist es stark mit dem Ministerium verbunden. Und weiteres nicht | |
unwesentliches Detail: Roth kündigt auch an, gemeinsam [4][mit Intendant | |
Ndikung einen „code of conduct“ für das HKW] zu entwickeln. | |
Damit Roth, Baerbock oder Habeck in der Regierung erfolgreich sein können, | |
sind sie auf das Vertrauen der kritischen Öffentlichkeit angewiesen. Genau | |
hier setzen die teilweise bewusst desinformierenden Kampagnen ihrer Gegner | |
an. Diese Mechanismen gilt es bei aller Kritik im Blick zu behalten. | |
9 Jun 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Antisemitismus-auf-der-documenta-fifteen/!5860742 | |
[2] /Kuenstler-ueber-Ausstellung-im-HKW/!5935621 | |
[3] /Roth-ueber-politische-Herausforderungen/!5901185 | |
[4] /Eroeffnung-des-HKW-in-Berlin/!5935618 | |
## AUTOREN | |
Andreas Fanizadeh | |
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