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# taz.de -- Antisemitismus in Großbritannien: London will BDS-Aktionen verbiet…
> Ein neues Gesetz soll verhindern, dass britische Kommunen oder
> Universitäten Israel-Boykotte beschließen können. Das geht zu weit, sagen
> Kritiker.
Bild: Der konservative Minister Michael Gove
London taz | Das Unterhaus des britischen Parlament hat am Mittwoch in
dritter Lesung einen Gesetzentwurf diskutiert, der britische Kommunen und
andere öffentliche Körperschaften daran hindern soll, Sanktionen gegen
ausländische Staaten zu verhängen, die nicht von der britischen Regierung
beschlossen wurden.
Kern des Gesetzentwurfs mit dem umständlichen Titel „[1][Economic Activity
of Public Bodies (Overseas Matters) Bill“] ist, wie die Regierung es
bereits im Juni bei der Vorlage im Parlament klargemacht hatte, das
Verhindern von gegen Israel gerichteten Maßnahmen im Rahmen der
internationalen BDS-Kampagne (Boycott, Divestments, Sanctions). Die will
Israel wegen der Besetzung palästinensischer Gebiete international
isolieren.
Das Gesetz soll „öffentliche Körperschaften daran hindern, bei gewissen
Wirtschaftsentscheidungen von politischer oder moralischer Missbilligung
ausländischer Staaten beeinflusst zu werden“, heißt es im Text.
Verantwortliche in Gemeinden, Universitäten oder Behörden dürfen dann in
Entscheidungen keine Erwägungen einfließen lassen, die den Eindruck
erzeugen können, dass ihre Entscheidung von „politischer oder moralischer
Missbilligung“ eines bestimmten Staates beeinflusst seien.
## Sonderklausel im Hinblick auf Israel
Die Regierung darf zwar Ausnahmen von diesem Totalverbot zulassen – etwa,
um ihre eigenen Sanktionsbeschlüsse gegen andere Länder umzusetzen. Aber
eine eigene Klausel stellt ausdrücklich klar, dass solche Ausnahmen nicht
„spezifisch oder hauptsächlich auf Israel, die besetzten palästinensischen
Gebiete oder die besetzten Golanhöhen“ bezogen sein dürfen.
Man wolle „klarstellen, dass britische Außenpolitik die Sache der
britischen Regierung ist“, hatte im Juni der zuständige Minister Michael
Gove im Parlament erklärt. Außerdem gehe es um [2][„Schutz für
Minderheiten, insbesondere die jüdische Gemeinschaft], gegen Kampagnen, die
dem gesellschaftlichen Zusammenhalt schaden und Antisemitismus befördern“.
Die regierenden Konservativen hatten ein solches Gesetz versprochen,
nachdem mehrere britische Gemeinden vor Gericht das Recht für einen Boykott
von Produkten aus illegalen israelischen Siedlungen in der besetzten
palästinensischen Gebieten erstritten hatten.
Dieses Thema wird in europäischen Ländern sehr unterschiedlich behandelt.
Die BDS-Seite sieht darin eine legitime, da gegen illegale Besatzung
gerichtete Sanktionsmaßnahme, Israel und seine Unterstützer hingegen eine
antisemitische, da gegen Juden gerichtete Boykottaufforderung.
## Kommunale Sanktionen an der Regierung vorbei?
Bisher existierte im britischen Recht lediglich eine Regierungsanweisung an
öffentliche Körperschaften, keine Sanktionsbeschlüsse an der Regierung
vorbei zu verhängen. Das Oberste Gericht in London kippte diese Anweisung
im Jahr 2020, nach einem jahrelangen Rechtsstreit gegen unter anderen die
Stadtverwaltungen von Leeds in Nordengland und Swansea in Wales. Die
hatten BDS-Maßnahmen beschlossen und waren dann verklagt worden.
Die Richter wiesen auf die fehlende gesetzliche Grundlage eines Verbots
solcher Maßnahmen hin. Diese Gesetzeslücke will die Regierung nun
schließen.
Wegen des aktuellen Krieges zwischen Israel und der Hamas erregt das
Vorhaben jetzt viel mehr Aufmerksamkeit als im Juni, als es zuerst ins
Parlament eingebracht wurde. So hat eine große Gruppe von Abgeordneten
einen Änderungsantrag eingebracht, der die Klausel, wonach israelbezogene
Ausnahmen vom Boykottverbot unmöglich sind, wieder streicht.
Damit würde Israel auf eine Stufe mit allen anderen Ländern gestellt,
argumentieren die Abgeordneten um den Konservativen Kit Malthouse, einen
Handelsspezialisten. Der Änderungsantrag fiel am Mittwochabend mit 207
gegen 269 Stimmen durch.
## Grundsatzkritik von Human Rights Watch
Der Gesetzentwurf ist unabhängig davon auf Kritik gestoßen. Die
Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch warnte, damit würden
Gemeinden oder Universitäten auch keine Maßnahmen zugunsten beispielsweise
der von China verfolgten Minderheit der Uiguren mehr treffen dürfen.
Die Abstimmung in dritter Lesung, womit das Unterhaus das Gesetz beschließt
und es dann ans Oberhaus geht, steht noch aus.
26 Oct 2023
## LINKS
[1] https://publications.parliament.uk/pa/bills/cbill/58-03/0325/220325.pdf
[2] /Juedische-Gemeinden-in-Grossbritannien/!5965150
## AUTOREN
Dominic Johnson
## TAGS
Großbritannien
BDS-Movement
Israel
Sanktionen
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Claudia Roth
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