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# taz.de -- Chinas Rolle im Nahost-Konflikt: Blogger dürfen pro Israel sein
> China verfolgt im Nahost-Konflikt eine Doppelstrategie. Offiziell ist man
> auf der Seite der Palästinenser, aber auch proisraelische Meinungen sind
> erlaubt.
Bild: Peking, 13. 10. 2023: Polizeipatrouille vor der israelischen Botschaft
Seit Jahr und Tag sind Stellungnahmen des chinesischen Außenministeriums,
egal zu welchen internationalen Angelegenheiten, nicht mehr so eindeutig
und unmissverständlich gewesen wie die, die Außenminister Wang [1][nach dem
7. Oktober] gab: China, so der Chefdiplomat in Peking, stelle fest, dass
das israelische Volk bereits zu seinem Recht gekommen sei, das Volk
Palästinas aber nicht. Israels Vorgehen sei eindeutig über die Grenzen der
Selbstverteidigung hinausgegangen.
Wie andere chinesische Diplomaten mied auch Wang Yi dabei ein klares Wort
gegen die Hamas, die [2][Hunderte unschuldige Menschen in Israel getötet
hatte]. Sobald klare Vorwürfe gegen die Hamas gefordert wurden, lautete
Pekings Antwort fast zynisch: Vorwürfe helfen ja nicht, Probleme zu lösen.
Nun, so die Forderung Chinas, müsse man sich endlich den Belangen der
Palästinenser zuwenden, den Entrechteten sozusagen.
Trotz der klaren Position aus Peking fallen einige Dinge auf, darunter
dies: Diesmal war die Propaganda zugunsten des „palästinensischen Volkes“
keineswegs einheitlich. Obwohl Linientreue, in China „xiaofenhong“ genannt
(kleine Rosarote), auf der Website der israelischen Botschaft die grausame
Politik Tel Avivs beschimpften, waren auf chinesischen Social-Media-Seiten
auch die gegenteiligen Meinungen zu lesen.
Niemand könne irgendeinem Menschen zu seinem Recht verhelfen, wenn er
Unschuldige niedermetzle, schrieb jemand wenige Minuten, nachdem die
Stellungnahme von Wang Yi online ging, auf der größten Online-Plattform
Chinas, „jinri toutiao“ (Schlagzeilen von heute). Ein anderer bewunderte
Juden, die nach Israel zurückkehren, um sich dem Kampf gegen Terroristen
anzuschließen: „Warum sehe ich keinen Palästinenser zur Hamas eilen, um bei
deren heiligem Krieg dabei zu sein? Bei einem Straßenmob brüllen viele.
Beim ersten Kampf der Kerle verstreuen sie sich in alle Himmelsrichtungen,
soviel zum Thema ‚eigene Rechte wiederherstellen!‘“
## Ohne Hamas gäbe es längst einen Palästinenser-Staat
Interessanter noch: Diesmal trauen sich Blogger, zwischen Palästinensern zu
unterscheiden: „Unter [3][der Fatah], die sich mit Israel versöhnt hat,
verbessert sich das Leben. Die Einkommen der Leute im Westjordanland sind
zehnmal so hoch wie die der Leute in Gaza … Ohne die Hamas, die
querschießt, hätten die Palästinenser längst ihren Staat gegründet, mit
mehr internationaler Unterstützung. Na also.“
Das Allererstaunlichste: All diese bisweilen hoch emotionalisierten
Meinungen gegen die offizielle Außenpolitik bleiben unzensiert. Es wirkt
so, als würde die Führung diesmal, anders als zu Beginn der russischen
Aggression gegen die Ukraine, eine Doppelstrategie verfolgen: Offiziell
versucht Peking wie Moskau, den Konflikt mit Schönreden in die Länge zu
ziehen. Die UNO solle erstmal darüber beraten, lautete einer der Vorschläge
von Lawrow wie auch von Wang Yi, mit klarer Verurteilung Israels. Um sich
aber Optionen offen zu halten, lässt man inoffiziell den Volkszorn auch in
die andere Richtung kochen. Wendet sich das Blatt, kann sich das politische
Peking mit wenden: Denn repräsentierten wir nicht schon immer den
Volkswillen?
Diesmal gab es bei der scheinbar gelockerten Zensur nur eine Ausnahme:
Niemand darf hinterfragen, warum Peking die Taliban offiziell zum Forum
[4][des staatspolitischen Großprojekts Neue Seidenstraße], favorisiert vom
Präsidenten Xi Jinping höchstpersönlich, eingeladen hat. Jene Taliban, die
alle islamischen Bruderstaaten darum baten, den Weg bis nach Palästina
freizuhalten, damit sie, die Taliban-Kämpfer, den Brüdern der Hamas zur
Hilfe eilen könnten, um diesen zu ihren Rechten zu verhelfen.
27 Oct 2023
## LINKS
[1] /Angriff-auf-Israel/!5963843
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[3] /Fatah/!t5024176
[4] /Gipfel-in-Peking/!5963729
## AUTOREN
Shi Ming
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Kolumne Fernsicht
Schwerpunkt Nahost-Konflikt
China
Hamas
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