# taz.de -- Kunst aus Israel: In Auflösung begriffen | |
> Die Berliner Ausstellung "Who By Fire" ist ungewöhnlich. Sie zeigt | |
> kritische Kunst aus Israel. 13 Künstler:innen zeichnen ein komplexes Bild | |
> des Landes. | |
Bild: Wirft Steine, bis das Glas zerbirst: Avner Pinchover in seiner Videoproje… | |
Überraschend, aber es ist etwas Besonderes, dass es gerade eine | |
Kunstausstellung gibt, die von Israel erzählt und deren | |
Teilnehmer:innen alle einen biografischen Bezug zum jüdischen Staat | |
haben. In der Schau „Who By Fire. On Israel“ lassen momentan 13 | |
Künstler:innen in das Innere des Landes blicken und auf seine ungelösten | |
Konflikte. Sie zeichnen das komplexe Bild von einem Land, [1][das hier so | |
viel und unter Beschwernissen diskutiert wird]. Die Schau wird nicht etwa | |
in einem jüdischen Museum gezeigt, sondern in einer Institution für | |
Gegenwartskunst, dem kleinen Haus am Lützowplatz in Berlin. | |
Und weil solch eine Ausstellung selten ist, deckt sie den unschönen Umstand | |
im Kunstbetrieb auf, dass dort zuletzt viel Israelkritik geübt, aber nur | |
wenig Kunst aus Israel gezeigt wurde. Die documenta fifteen, das Auftreten | |
antisemitischer Zerrbilder und die Vermutung, [2][eine BDS-Nähe der | |
documenta-Macher:innen habe zu einem Boykott israelischer Künstler:innen | |
geführt], war dann sein Kristallisationspunkt. Und so füllt „Who By Fire“, | |
betitelt [3][nach Leonard Cohens Songversion] eines hebräischen Gebets, | |
auch eine Leerstelle. | |
In Israel würde man diese Ausstellung nur in Privaträumen zeigen, nicht in | |
einem öffentlichen Museum, meint ihr Kurator Liav Mizrahi. Unter Benjamin | |
Netanjahus rechtsreligiöser Regierung fließen die Kulturgelder ohnehin | |
kaum einer unbequemen zeitgenössischen Kunst zu, lässt sich einem | |
Informationsblatt zu der Berliner Schau entnehmen. Die 13 Stimmen, die | |
Mizrahi hier nun versammelt, sind kritisch, geradezu aktivistisch. | |
Avner Pinchover wirft in seiner neunminütigen Videoprojektion vor der | |
Kulisse einer sonnenergrauten judäischen Wüste immer wieder Steine gegen | |
monumentale Glaswände. Doch das Panzerglas zerbricht nicht bei seiner | |
kräftezehrenden Aktion, die an ausufernde Proteste, aber unweigerlich auch | |
an Steine werfende Jugendliche an Grenzanlagen zu Palästina denken lässt. | |
Mit einem Brecheisen bringt Avner das Glas schließlich zum Zerbersten. | |
Laut, bildlich beeindruckend ist seine Metapher dafür, wie Gebietskonflikte | |
Israels zu explodieren drohen. | |
## Terrazzo als materielle Erinnerung | |
Ironisch, zugleich bedrückend ist Dina Shenhavs Merkava-Panzer aus | |
Schaumstoff. Ihr Nachbau eines besonders gesicherten Modells der | |
israelischen Armee, dessen martialische Präsenz in vielen Teilen Israels | |
zum Alltag gehört, wirkt wie eine gigantische Marzipanfigur, sackt in der | |
Ecke des Galerieraums unter der weichen, täuschend süßen Masse ein. | |
„Die kreative Klasse Israels scheint nur so zu explodieren vor Ideen, wie | |
sie ihre großen Ängste und ihre Wut zum Ausdruck bringen kann“, schreibt | |
der Kritiker der Jerusalem Post, Hagay Hacohen. Schon seit Wochen wird in | |
Israel demonstriert: Es geht auch um den Erhalt der Demokratie. [4][Ariel | |
Reichman] ruft dann in der Ausstellung mit seinen hochpräzisen Zeichnungen | |
von Terrazzokacheln eine materielle Erinnerung an optimistische Zeiten des | |
Landes hervor. Mit derartigem Terrazzo baute man einst in Israel viel, | |
häufig mit Facharbeiter:innen aus den palästinensischen Gebieten. | |
Subtil wird Fatma Shanan. Die Künstlerin, die der Minderheit der Drusen | |
angehört, fragt auf ihren Malereien nach den Bewegungen von Menschen im | |
Öffentlichen wie im Privaten. Auf ihrem Bild sieht man einen Teppich, wie | |
man ihn im traditionellen Haushalt der Drusen findet, ausgerollt in einem | |
Park, darauf ein kleines Mädchen – doch Körper und Raum lösen sich zu einem | |
Ornament auf. | |
16 Jun 2023 | |
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## AUTOREN | |
Sophie Jung | |
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