# taz.de -- Rechtsextreme Jugendorganisation der AfD: Sicherheitsbehörden ohne… | |
> Nur in einzelnen Ländern gibts es Daten zu Mitgliedern der Jungen | |
> Alternativen, die Waffen besitzen. Grüne und Linke warnen vor einem | |
> „Sicherheitsrisiko“. | |
Bild: Demo der AfD in Erfurt Ende April mit Björn Höcke, Alice Weidel und Ste… | |
BERLIN taz | Nancy Faesers Ansage war deutlich. Die Junge Alternative (JA) | |
verbreite „nichts als Hass und Ausgrenzung“, erklärte die | |
Bundesinnenministerin, als vor einer Woche das Bundesamt für | |
Verfassungsschutz [1][den AfD-Jugendverband als gesichert | |
rechtsextremistisch einstufte], zusammen mit dem neurechten Institut für | |
Staatspolitik und dem Verein Ein Prozent. Die Gruppen seien „geistige | |
Brandstifter“, deren Gefahr „niemand unterschätzen sollte“, warnte sie. | |
Und auch eine zweite Ansage wiederholte die Sozialdemokratin zuletzt | |
beständig: Rechtsextreme [2][gehörten entwaffnet] und aus dem Staatsdienst | |
entfernt. Beide Absichtserklärungen richten sich nun auch auf die neu | |
eingestuften Rechtsextremisten. Nach einer taz-Umfrage in den | |
Innenministerien und Verfassungsschutzämtern von Bund und Ländern aber wird | |
klar: Eine Übersicht, wie viele Mitglieder der JA Waffen besitzen oder im | |
öffentlichen Dienst arbeiten, fehlt bisher. Und auch den Bundestag stellen | |
die Neueinstufungen vor Probleme. | |
Eine Sprecherin von Faeser erklärte der taz, gefragt nach dem Umgang mit | |
der JA nach der rechtsextremen Einstufung, nur allgemein, der Entzug von | |
waffenrechtlichen Erlaubnissen und die Entfernung von Extremist*innen | |
aus dem öffentlichen Dienst habe für die Sicherheitsbehörden „hohe | |
Priorität“. Aber: „Zu konkreten Prüfungen oder aktuellen Zahlen können w… | |
uns nicht äußern.“ | |
Eine taz-Umfrage in allen 16 Bundesländern macht klar, was der Grund dafür | |
sein dürfte: Nur die wenigsten Behörden haben einen genauen Überblick über | |
Waffenerlaubnisse der JA-Mitglieder und Tätigkeiten im öffentlichen Dienst. | |
Insgesamt zählen die Länder bundesweit inzwischen etwas mehr als die | |
zuletzt offiziell benannten 1.600 JA-Mitglieder. | |
## Bayern sagt nichts | |
Zu Waffenerlaubnissen heißt es aber lediglich aus Mecklenburg-Vorpommern, | |
wo die JA bereits zuvor als gesichert rechtsextrem eingestuft war, dass es | |
hier Erkenntnisse im „unteren einstelligen Bereich“ gebe. Beschäftigungen | |
im öffentlichen Dienst seien nicht bekannt. | |
In Hessen wiederum, wo die JA seit 2019 ein Beobachtungsobjekt ist, meldete | |
der Verfassungsschutz in zwei Fällen eine Waffenerlaubnis von | |
JA-Mitgliedern an die Waffenbehörden. Eine Entwaffnung der Szene bleibe ein | |
festes Ziel, erklärt das Landesamt. Und die JA sei „fest in die | |
rechtsextremistische Szene in Hessen integriert“. | |
Rheinland-Pfalz teilt mit, eine „einstellige Anzahl von bekannten | |
JA-Mitgliedern“ verfüge über waffenrechtliche Erlaubnisse. Die zuständigen | |
Waffenbehörden seien darüber in Kenntnis gesetzt und prüften die Fälle nun. | |
Die anderen Länder geben sich zugeknöpfter. In Bayern, wo die AfD-Jugend | |
seit 2019 eingestuft ist, will man sich zu Waffenbesitz von JA-Mitgliedern | |
grundsätzlich nicht äußern – um keine Rückschlüsse auf die „Arbeitswei… | |
des Verfassungsschutzes zuzulassen. | |
## Teils wird in den Ländern noch separat geprüft | |
Aus Baden-Württemberg, wo die JA noch Verdachtsfall ist, heißt es zum | |
Waffenbesitz oder zu JA-Mitgliedern im öffentlichen Dienst fehlten | |
„belastbare umfassende Erkenntnisse“. „Nicht jedes JA-Mitglied unterliegt | |
den Voraussetzungen der verfassungsschutzrechtlichen Bearbeitung“, so ein | |
Sprecher des Innenministeriums. | |
„Nicht jedes JA-Mitglied unterliegt den Voraussetzungen der | |
verfassungsschutzrechtlichen Bearbeitung“, so ein Sprecher des | |
Innenministeriums. Und Thüringen und Sachsen erklären, es würden | |
grundsätzlich „keine personen- oder organisationsbezogenen Statistiken zum | |
Waffenbesitz“ geführt. In Thüringen ist die JA schon länger als | |
rechtsextremistisch eingestuft. Der sächsische Verfassungsschutz reagierte | |
nun prompt und stufte nach der Entscheidung des Bundesamts auch die | |
sächsische JA sofort als gesichert rechtsextrem ein. | |
Auch in Niedersachsen, wo der Verfassungsschutz die Parteijugend bereits | |
seit 2018 beobachtet und aktuell eine „stetige Radikalisierung“ | |
konstatiert, fehlen Erkenntnisse zu Waffenbesitz. Aus Bremen, wo der | |
Verband ebenfalls seit 2018 eingestuft ist, heißt es, die JA entfalte seit | |
2020 keinerlei öffentliche Aktivität mehr – und es sei auch kein Mitglied | |
mit Waffenerlaubnis oder im öffentlichen Dienst bekannt. | |
Andere Länder – wie Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein oder | |
Brandenburg – prüfen dagegen immer noch, ob auch die dortige JA als klar | |
rechtsextrem einzustufen ist. Solange gibt es von dort auch keine Zahlen zu | |
Waffenbesitz. Sachsen-Anhalt, Saarland oder Berlin wollten sich, jenseits | |
ihrer Jahresberichte, grundsätzlich nicht zur JA äußern. Auch in Hamburg, | |
wo die AfD-Parteijugend „nahezu inaktiv“ sei, prüfe man Auswirkungen der | |
bundesweiten Einstufung. | |
## Auch im Bundestag keine Übersicht | |
Der Grünen-Innenpolitiker Marcel Emmerich hält die fehlende Übersicht für | |
gefährlich. „Es ist jetzt die Aufgabe der Länder und des Bundes, sich | |
schnell einen Überblick über die Zahl an Waffen bei JA-Mitgliedern zu | |
verschaffen und die Informationen an die Waffenbehörden weiterzugeben“, so | |
Emmerich zur taz. „Jeder Rechtsextremist mit Zugang zu Waffen ist eine | |
enorme Gefahr für die öffentliche Sicherheit und darf unter keinen | |
Umständen daran kommen.“ Gleiches gelte für JA-Mitglieder im Staatsdienst, | |
so Emmerich. „Bund und Länder müssen wissen, wer Mitglied einer | |
rechtsextremen Organisation ist und dann disziplinarrechtliche Schritte ins | |
Auge fassen. Wer Diener dieses Staates ist, darf ihn nicht bekämpfen.“ | |
Auch den Bundestag beschäftigt die Einstufung der AfD-Jugend. Mit Hannes | |
Gnauck sitzt dort [3][der JA-Bundesvorsitzende] als Abgeordneter im | |
Parlament. Im Verteidigungsausschuss, dem er angehört, wird bereits | |
geprüft, ob und wie Gnauck dort abberufen werden kann. Wenigstens fünf | |
weitere AfD-Abgeordnete sind oder waren Teil der JA, die meisten davon in | |
Führungspositionen. Und die Fraktion gibt sich uneinsichtig: So gab der | |
AfD-Abgeordnete Roger Beckkamp kurz nach der Einstufung von „Ein Prozent“ | |
bekannt, dort aus Trotz Fördermitglied geworden zu sein. | |
Auch unter Mitarbeitenden der AfD-Fraktion sollen sich etliche | |
JA-Mitglieder befinden. Indes: Auch hier fehlt eine Übersicht. Auf eine | |
diesbezügliche Anfrage der Linkenabgeordneten Martina Renner antwortete die | |
Bundesregierung nur, es sei bekannt, dass Mitglieder als Abgeordnete und | |
Mitarbeiter*innen im Bundestag arbeiteten. Nähere Angaben aber seien | |
nicht zulässig – aus „Gründen des Schutzes der Grundrechte, insbesondere | |
der Persönlichkeitsrechte“, so die Antwort, die der taz vorliegt. | |
Renner hält das für unbefriedigend. Es sei „ein akutes Sicherheitsrisiko“, | |
wenn Mitglieder der JA, des Instituts für Staatspolitik oder „Ein Prozent“ | |
als Abgeordnete oder Mitarbeitende Zugang zum Bundestag und sensiblen | |
Informationen hätten. Umso mehr angesichts der jüngsten Umsturzpläne aus | |
dem Reichsbürgermilieu, die konkret den Bundestag zum Ziel hatten und bei | |
denen auch die frühere AfD-Abgeordnete Birgit Malsack-Winkemann zu den | |
Beschuldigten zählt. „Aufgrund erwiesener Bezüge von AfD-Abgeordneten und | |
ihren Mitarbeiter*innen zu Rechtsterrorplanungen ist die Gefahr real, | |
dass über sie Waffen und Personen unkontrolliert in den Bundestag | |
eingeschleust werden könnten“, so Renner zur taz. | |
## Demonstrative Nähe zu Kubitschek | |
Der Bundestag hatte zuletzt bereits angekündigt, in Kürze die | |
Zugangsvoraussetzung im Bundes zu verschärfen. Möglich seien dann | |
stichprobenartige Kontrollen von Inhaber*innen eines | |
Bundestagsausweises und jährlich sich wiederholende | |
Zuverlässigkeitsprüfungen, die auch zu Zutrittsbeschränkungen führen | |
könnten. Anlass waren auch hier die Reichsbürgerumsturzpläne, aber auch | |
Aktionen der „Letzten Generation“. | |
Die AfD selbst reagierte mit Solidarität auf die Einstufung ihrer | |
Parteijugend und der verbandelten neurechten Vereine. Demonstrativ zeigten | |
sich die Parteivorsitzende Alice Weidel und Thüringens Landeschef Björn | |
Höcke am Wochenende bei einem gemeinsamen Auftritt in Erfurt im trauten | |
Einklang mit der JA – inklusive Selfies mit dem Parteinachwuchs. Und auf | |
der AfD-Demo mit rund 1.000 Teilnehmenden lief wohl nicht zufällig Götz | |
Kubitschek mit, Lenker des nun ebenso eingestuften Institut für | |
Staatspolitik. | |
Auf der Bühne hielt Höcke eine betont radikale Rede, nannte | |
Verfassungsschutz-Chef Thomas Haldenwang einen „Typus williger | |
Vollstrecker“ und verkündete: „Ich stehe zu unserer Parteijugend!“ Der | |
Verfassungsschutz sei Teil eines „Regierungsextremismus“, der die | |
Demokratie gefährde. „Und allen Spitzeln, die jetzt gerade ihren | |
minderwertigen und primitiven Dienst an diesem Ort leisten, zeigen wir | |
gemeinsam die Rote Karte: Stasi in die Produktion!“ | |
Wie zum Beweis seiner Verfassungsfeindlichkeit sprach Höcke in der selben | |
Rede der BRD ab, ein Rechtsstaat mit Gewaltenteilung zu sein – die Gerichte | |
„in diesem besetzten Land und seinen besetzten Institutionen“ seien | |
durchsetzt mit „Kartellparteienproporz“, weswegen er sich keine gute | |
Chancen ausrechne für einen Klage gegen die Einstufung – schließlich sei | |
man ja in keinem „wirklich demokratischen Staatswesen“. | |
## Ideologische Taktgeber für die Rechten | |
Aus diesen antidemokratischen Erklärungen lässt sich wohl auch die | |
PR-Strategie für einen möglichen bevorstehenden Prozess gegen Höcke | |
ableiten, dessen Immunität erneut wegen Ermittlungen wegen des Verwendens | |
von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen kürzlich aufgehoben | |
wurde. Er hatte bei einer Kundgebung die verbotene SA-Losung „Alles für | |
Deutschland“ verwendet, als rechtsextremer Geschichtslehrer hat er wohl | |
schlechte Karten sich mit Nichtwissen herauszureden – eine Anklage steht | |
offenbar kurz bevor. | |
Tatsächlich sind Höcke und Kubitschek denn auch mehr ideologische Taktgeber | |
für das rechtsextreme Vorfeld und die Junge Alternative als anders herum. | |
Und weil Höckes Ruf ohnehin schon ruiniert ist, verbreitete er auf der | |
Bühne auch gleich Reichsbürgerideologie: „Deutschland ist kein souveränes | |
Land. Die Politik für Deutschland wird überwiegend in Washington gemacht“, | |
rief er. Die Politiker seien Theaterpuppen und Russland der natürliche | |
Verbündete Deutschlands. | |
Höcke hat auch Verbindungen zu Bekannten des inhaftierten Heinrich XIII. | |
Prinz Reuß, dessen Gruppe der „Patriotischen Union“ in einem rechtsextremen | |
Terrorakt unter anderem mutmaßlich plante, den Bundestag zu stürmen. Am | |
Ende schloss Höcke damit, dass die AfD in Regierungsverantwortung kommen | |
müsse, inklusive einer wenig verklausulierter Gewaltandrohung – die AfD sei | |
die „letzte friedliche Chance für dieses Land.“ | |
5 May 2023 | |
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## AUTOREN | |
Gareth Joswig | |
Konrad Litschko | |
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