# taz.de -- Prozess wegen versuchten Mordes: Ein Nazi knallt durch | |
> In Hamburg steht ab Dienstag ein Mann vor Gericht: Er soll auf seine | |
> schwangere, muslimische Nachbarin geschossen haben. | |
Bild: In Hamburg hatte eine Frau Glück: Die Schüsse ihres rechten Nachbarn tr… | |
HAMBURG taz | Am 27. Mai hätte das Leben von Aliya Malik* zu Ende sein | |
können. Und mit ihr hätte auch ein ungeborenes Leben enden können. Um 21.45 | |
Uhr schoss an jenen Samstag Ulf M. mit einem Gewehr auf die Schwangere | |
durch die geschlossene Wohnungstür. Die muslimische Frau hatte Glück, dass | |
[1][ihr rechtsgerichteter Nachbar] sie nicht traf. Heute Nachmittag beginnt | |
vor der Großen Strafkammer des Landgerichts Hamburg der Prozess. Der | |
Vorwurf der Staatsanwaltschaft: versuchter Mord. | |
Die „Beratung für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer | |
Gewalt“ – kurz: Empower – befürchtet, dass die politische Dimension der … | |
eine zu geringe Beachtung finden könnte. Die Befürchtung kommt nicht ohne | |
Grund: Einige Medien stellten anfänglich den Angriff als | |
Nachbarschaftsstreit dar. Mit einigen Nachbarn soll Ulf M. auch öfters | |
Streit gesucht haben. | |
Nicht alleine mit der damals 24-Jährigen, mit der der Täter in dem | |
Mehrparteienhaus am Tibarg im Stadtteil Niendorf wohnt. Die Betroffene | |
berichtete jedoch nicht alleine von anhaltenden rassistischen Beleidigungen | |
und Bedrohungen, sagt Nissar Gardi von Empower. Weitere Nachbarn erzählten | |
Medien später ebenso, dass der Angeklagte immer wieder lautstark [2][durch | |
rassistische und rechtsextreme Äußerungen auffiel.] Der 48-Jährige soll | |
nicht nur die Frau bedrängt haben. | |
Empower begleitet die 24-Jährige. Über Jahre tyrannisierte Ulf M. seine | |
Nachbarin. Sie informierte ohne Erfolg den Vermieter. Sie soll auch Ulf M. | |
wegen Nötigung angezeigt haben. An dem Samstagabend schoss Ulf M. mehrmals | |
durch die Tür der Erdgeschosswohnung. Mit ihrer Schwiegermutter war das | |
Opfer in der Wohnung. Auch die Schwiegermutter hatte Glück. Sie blieb | |
unverletzt. | |
## Hitler-Bild und Dolch mit SS-Gravur | |
Malik wählte den Notruf. Mehrere Polizeiwagenbesatzungen als auch | |
Spezialeinsatzkräfte eilten zu dem Haus in der zweiten Reihe des | |
vermeintlich ruhigen Quartiers. Ohne Auseinandersetzung konnte die Polizei | |
den Täter festnehmen. Malik wurde vorsorglich ins Krankenhaus gebracht. | |
Bei der anschließenden Durchsuchung der Wohnung von Ulf M. stellten die | |
Polizeikräfte nicht bloß die mutmaßliche Tatwaffe und weitere Schusswaffen | |
und ein Messer sicher. Sie entdeckten auch rechte Utensilien. Ein Bild von | |
Adolf Hitler und einen Dolch mit eingravierten SS-Runen fanden sie. NPD- | |
und AfD-Material soll zudem entdeckt worden sein, ebenso Unterlagen zum | |
Ku-Klux-Klan. | |
Vor zehn Jahren bestellte Ulf M. beim rechtsextremen Versand „Hatecore | |
Lüneburg“, berichtet das Hamburger Bündnis gegen Rechts (HBgR). Die Funde | |
und Hinweise deuten auf ein rechtsextremes Weltbild hin, das sich lange | |
bildete und festigte. | |
Mit der Festnahme von Ulf M., der in Untersuchungshaft kam, erfolgte aber | |
keine Erleichterung für Malik. „Sie leidet an Belastungsstörungen“, sagt | |
Gardi der taz. | |
## Ähnliche Fälle finden kaum Beachtung | |
Die Polizei gab ihr zwar die Kontaktdaten zu Empower, aber schnelle weitere | |
Hilfe von staatlicher Seite erfolgte nicht. „Es kann nicht sein, dass | |
wiederholt die Unterstützung bei den gesundheitlichen und materiellen | |
Folgen solcher Taten im Wesentlichen von Betroffenen selbst erkämpft werden | |
müssen“, sagt Gardi. Die Referentin weist zudem darauf hin, dass es „ein | |
[3][beunruhigendes Signal an Betroffene] rechter, rassistischer und | |
antisemitischer Gewalt“ sei, „wenn in der Öffentlichkeit, Zivilgesellschaft | |
und Politik diese Vorfälle kaum Beachtung finden“. | |
Unterstützung bedeute, die Vorfälle ernst zu nehmen, so Gardi. Das HBgR | |
ruft deshalb zu einer „solidarischen Prozessbegleitung“ auf. „Wir vermiss… | |
bis heute den öffentlichen Aufschrei, dass es einen rechten Mordversuch in | |
Hamburg gab“, sagt Kim Uhrig vom Bündnis und schiebt nach: „Wir fragen uns, | |
warum 2023 ein eindeutig rechtes Tatmotiv nicht sofort als solches erkannt | |
wird.“ | |
Neun Verhandlungstage bis ins kommende Jahr hat das Gericht angesetzt. | |
Malik ist – trotz der Belastung – Nebenklägerin. | |
*Name geändert | |
21 Nov 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Verfassungswidrige-NS-Parole/!5960203 | |
[2] /Rechtsextreme-Jugendorganisation-der-AfD/!5928815 | |
[3] /Ausstellung-in-Hannover-ueber-rechte-Gewalt/!5916386 | |
## AUTOREN | |
Andreas Speit | |
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