# taz.de -- Lobbyismus und Immobilienbranche: Immo-Lobby der Ampel ganz nah | |
> Die Regierung trifft die Wohnungswirtschaft dreimal häufiger als | |
> Mieterorganisationen. Allein Habeck traf sich 2022 zehnmal mit Vonovia. | |
Bild: Buschmann, Geywitz und Habeck stritten 2022 um CO2-Kosten, Lobbyist*innen… | |
BERLIN taz | Während Mieter*innen in Großstädten angesichts | |
explodierender Preise vergeblich auf Verbesserungen des Mieterschutzes | |
warten, haben sich die Minister*innen und Staatssekretär*innen der | |
Ampel im Jahr 2022 zu 142 persönlichen Gesprächen mit Lobbyist*innen | |
der Immobilienwirtschaft getroffen. Die Wohnungskonzerne waren damit fast | |
dreimal häufiger zu Gast bei der Regierung als Mieterorganisationen. Mit | |
denen traf sich die Ampelkoalition im selben Zeitraum lediglich 50-mal. Das | |
geht aus mehreren Anfragen der Linken-Bundestagsabgeordneten Caren Lay | |
hervor, die der taz vorliegen. | |
Lobbyismus ist in Demokratien Teil politischer Entscheidungsprozesse. Ein | |
Ausgleich zwischen Betroffenen und verschiedenen Interessengruppen sollte | |
im Idealfall zum bestmöglichen Gesetz und guten Entscheidungen führen. | |
Problematisch wird es, wenn ein Ungleichgewicht entsteht oder Grenzen zur | |
Korruption überschritten werden. | |
In der Wohnungsfrage etwa ist die Immobilienlobby ausweislich der neuen | |
Zahlen deutlich überrepräsentiert. Besonders häufig traf die Regierung 2022 | |
den Zentralen Immobilienausschuss ZIA, den Spitzenverband der | |
Immobilienwirtschaft (31 Treffen), dicht gefolgt vom Bundesverband | |
deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen GdW (29). Das am häufigsten | |
empfangene Einzelunternehmen war Vonovia, das bei 23 Gesprächen zu Gast bei | |
Minister*innen und Staatssekretär*innen war. Allein Vonovia und | |
der ZIA kamen damit zusammen auf so viele Termine auf den höchsten Ebenen | |
wie alle Mieterorganisationen zusammen. | |
In den ersten sechs Monaten der Ampelregierung war das Verhältnis noch | |
ausgeglichener, da traf sich die Bundesregierung [1][“nur“ doppelt so | |
häufig mit der Immobilienlobby]. Im FDP-geführten Justizministerium liegt | |
das Verhältnis gar bei 5 zu 1. | |
## Linke fordert Schutz vor Profitinteressen | |
Bei direkten Treffen auf Ministerebene führen Wirtschaftsminister Robert | |
Habeck (Grüne) und Bauministerin Klara Geywitz (SPD) das Feld an: Sie | |
trafen sich jeweils 22-mal mit der Immobilienlobby. Während Geywitz | |
immerhin zweimal den Mieterbund empfing, traf sich Habeck mit diesem kein | |
einziges Mal. Dafür traf er Deutschlands größtes Immobilienunternehmen umso | |
häufiger: Den Dax-Konzern Vonovia traf Habeck gleich zehnmal persönlich im | |
Jahr 2022. Justizminister Marco Buschmann (FDP) traf sich zweimal mit der | |
Immo-Lobby und einmal mit dem Mieterbund. | |
Lay wies daraufhin, dass die Ampel deutlich häufiger die Immobilienlobby | |
empfing als die Vorgängerregierung unter Angela Merkel (CDU). | |
Minister*innen der schwarz-roten Koalition hatten sich in der gesamten | |
19. Legislaturperiode nur fünfmal mit der Immo-Lobby getroffen; zählt man | |
die Staatssekretär*innen hinzu, sind es 56 Treffen. | |
Lay sagte der taz: „Statt Vonovia und Co. den roten Teppich auszurollen, | |
sollte die Bundesregierung Mieterinnen und Mieter endlich besser vor | |
Profitinteressen schützen.“ Die Ampel sei bislang ein mieten- und | |
wohnungspolitischer Totalausfall, während die Mieten immer weiter stiegen, | |
so Lay: „Verbesserungen im Mietrecht oder das Vorkaufsrecht für Kommunen | |
schimmeln in den Schreibtischschubladen des Kabinetts und die erklärten | |
Wohnungsbauziele sind Makulatur.“ | |
Tatsächlich blockiert in der Ampelregierung insbesondere der | |
[2][Justizminister Buschmann Verbesserungen für Mieter*innen]. Seit | |
Längerem warten auf Umsetzung: das ohnehin lückenhafte Mieterschutzgesetz | |
und das Vorkaufsrecht für Kommunen. Zudem fordern Grüne, SPD und auch der | |
Bundesrat Verbesserungen bei inflationsgebundenen Indexmietverträgen – die | |
FDP sieht dafür dennoch keine Veranlassung. | |
„Die Bundesregierung muss endlich handeln, anstatt jeden zweiten Werktag | |
die Immobilienlobby zu hofieren“, so Lay. Ebenso fordert sie eine | |
Nachschärfung beim Lobbygesetz und die Einführung eines legislativen | |
Fußabdrucks, um nachvollziehbar zu machen, inwiefern Lobbyorganisationen | |
Einfluss auf Gesetze genommen haben oder sogar daran mitschrieben. | |
Seit der Einführung des [3][Lobbyregisters] Anfang 2021 zeigt sich, wie | |
unausgewogen die Verhältnisse zwischen Wirtschaft und Zivilgesellschaft | |
sind: Laut einer Auswertung der Linken aus dem vergangenen Jahr lobbyierten | |
2021 für Wohnungskonzerne 142 Personen – Jahresbudget: mehr als 8 Millionen | |
Euro. Mieterorganisationen hatten zum selben Zeitpunk nur 11 | |
Lobbyist*innen im Bundestag, finanziert mit 100.000 Euro jährlich. Die | |
[4][größte Lobbygruppe im Bundestag] ist die Finanzbranche. | |
21 Mar 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Treffen-mit-Ampel-Regierung/!5855170 | |
[2] /FDP-verschleppt-besseren-Mieterschutz/!5922641 | |
[3] https://www.lobbyregister.bundestag.de/startseite | |
[4] /Neues-Lobbyregister/!5903768 | |
## AUTOREN | |
Gareth Joswig | |
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