| # taz.de -- Wissing blockiert Aus von Verbrennern: E-Fuels könnten Big Oil ret… | |
| > Die FDP kämpft gegen das Aus für Verbrennermotoren und für den Einsatz | |
| > von synthetischen Kraftstoffen. Wer dafür lobbyiert – und wer davon | |
| > profitiert. | |
| Bild: Das Land könne nur mit Vorschlägen, nicht mit „Klima-Blabla“ vorang… | |
| Berlin taz | Die FDP hat Europa ins Chaos gestürzt: Sie will dem längst | |
| beschlossenen Aus für Neuwagen mit Verbrennungsmotor ab 2035 in der | |
| Europäischen Union plötzlich nicht mehr zustimmen. Dass die | |
| EU-Mitgliedstaaten den im vergangenen Jahr gefallenen Beschluss noch einmal | |
| bestätigen, galt eigentlich als reine Formsache. [1][Seit | |
| Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) nicht mehr mitspielen will], | |
| haben auch andere Länder signalisiert, an ihrer Unterstützung zu zweifeln. | |
| Plötzlich steht das fertige EU-Paket für mehr Klimaschutz im Straßenverkehr | |
| auf der Kippe. | |
| „Wir können unser Land nur mit konkreten Vorschlägen voranbringen, nicht | |
| mit Klima-Blabla“, sagte Wissing am Wochenende auf einem FDP-Parteitag in | |
| Rheinland-Pfalz, bei dem er erneut zum Landeschef der Partei gewählt wurde. | |
| „Wir wollen diesem Land jede technische Innovation offenhalten“, sagte er | |
| und sprach sich für die Nutzung synthetischer Kraftstoffe aus, die mittels | |
| Strom aus Wasser und Kohlenstoffdioxid hergestellt werden. Diese | |
| sogenannten E-Fuels können je nach Stromquelle klimaneutral sein – und in | |
| Verbrennungsmotoren genutzt werden. | |
| [2][Die neue EU-Regelung soll Neuwagen ab 2035 aber Emissionsfreiheit | |
| abverlangen]. Das ist ein Kriterium, das Autos mit Verbrennungsmotor nicht | |
| erfüllen können. Sie produzieren immer Abgase, auch mit E-Fuels. Das bei | |
| der Herstellung der synthetischen Kraftstoffe genutzte Kohlendioxid wird | |
| wieder frei, außerdem Gifte wie Stickoxide und Kohlenmonoxid. | |
| Die geplante Regelung entspricht deswegen einem Aus für | |
| Verbrennungsmotoren. E-Fuels könnten dann immer noch helfen, vor 2035 | |
| zugelassene Verbrenner klimafreundlicher zu machen. Wenn deren Lebenszeit | |
| abgelaufen ist, stünde aber der Abschied von den synthetischen Kraftstoffen | |
| im Straßenverkehr an. Das verhindert Wissing mit seiner Blockade auf | |
| europäischer Ebene. | |
| ## Viele Autokonzerne setzen freiwillig ein Ausstiegsdatum | |
| Wem brächte es Vorteile, wenn er damit Erfolg hätte? Für E-Fuels setzt sich | |
| in Deutschland beispielsweise der Verband der Automobilindustrie ein. „Wir | |
| brauchen alle klimafreundlichen Technologien, um die EU-Klimaziele zu | |
| erreichen. Es ist daher richtig, dass die Debatte über den Beitrag von | |
| E-Fuels nun nochmals geführt wird“, sagte Verbandschefin Hildegard Müller | |
| Anfang März. „Nur mit einem Kurs, der technologieoffen alle | |
| Lösungspotenziale zulässt, kann Europa seine ambitionierten | |
| CO2-Reduktionsziele erreichen.“ | |
| Die Technologieoffenheit scheinen die Autokonzerne indes gar nicht | |
| unbedingt zu teilen. Viele deutsche Hersteller haben sich selbst freiwillig | |
| ein Ausstiegsdatum für den Verbrennungsmotor gesetzt, und zwar noch vor | |
| 2035: Audi, Volkswagen, Mercedes-Benz, Opel. Audi und Volkswagen sind zwar | |
| selbst an Pilotprojekten zur Herstellung von E-Fuels beteiligt, haben aber | |
| schon signalisiert, dass das kaum von Bedeutung für die künftige | |
| Neuwagenflotte sei. „Synthetische Kraftstoffe sind für uns nur eine | |
| Brückentechnologie“, sagte Audi-Entwicklungschef Oliver Hoffmann dem | |
| britischen Branchen-Magazin TopGear im vergangenen Jahr. | |
| „Etliche Autohersteller setzen in ihren Planungen mittlerweile stärker auf | |
| Elektromobilität“, sagt auch Johanna Büchler, Verkehrsexpertin der | |
| Deutschen Umwelthilfe. Das gilt aber nicht für die ganze Branche. „Etwa BMW | |
| plant weiter große Investitionen in die Verbrennertechnologie“, meint | |
| Büchler. Gerade erst ist bekannt geworden, dass der Münchner Konzern sogar | |
| noch eine neue Plattform entwickelt, die für Autos mit Verbrennungsmotor | |
| genutzt werden kann. Eine Plattform ist eine Art bauliches Fundament für | |
| Autos, auf dem dann verschiedene Modelle aufbauen können. | |
| Auch Sportwagenbauer Porsche will seine Flotte nicht zu 100 Prozent | |
| elektrifizieren. Erst im Dezember hat er eine Pilotanlage zur | |
| E-Fuel-Herstellung in Chile eröffnet, Partner ist unter anderem die | |
| Erneuerbare-Energien-Sparte von Mischkonzern Siemens. | |
| ## E-Autos brauchen weniger Bauteile | |
| Während Autobauer ihre Produkte umstellen können, gibt es aber auch | |
| Branchen, denen die Elektromobilität einen Strich durch die Rechnung macht. | |
| „Bei der Zuliefererindustrie steht weiter der Verbrenner im Fokus“, so | |
| Büchler. Das hat der Expertin zufolge einen einfachen Grund: „Ein | |
| Elektroantrieb braucht viel weniger Bauteile als ein Verbrennungsmotor“, | |
| erklärt sie. Für Unternehmen, die den Autobauern genau solche Teile | |
| liefern, werden E-Autos also wohl nie so lukrativ sein wie die alten | |
| Verbrenner. | |
| Auch Zulieferer wie Bosch oder ZF Friedrichshafen sind im Verband der | |
| Automobilindustrie organisiert. Sie machen aber auch einen großen Teil des | |
| Verbands eFuel Alliance aus, der konkret für E-Fuels lobbyiert und schon im | |
| vergangenen Jahr die europäische Einigung zu den emissionsfreien Neuwagen | |
| [3][verhindern wollte]. Zu der Gruppe gehören auch einige Autokonzerne wie | |
| der japanische Autobauer Mazda – und Ölkonzerne wie ExxonMobil. | |
| Teilweise sind diese Ölkonzerne an den Pilotprojekten zur Herstellung von | |
| E-Fuels beteiligt. Exxon ist beispielsweise Partner der Porsche-Anlage in | |
| Chile. Umwelthilfe-Vertreterin Büchler vermutet aber, dass die Ölwirtschaft | |
| mit dem Lobbyismus für E-Fuels nicht nur ihr neues Geschäftsfeld retten | |
| will – sondern ihr altes gleich mit. | |
| „Das Interesse der Öllobby ist klar: Es ist ausgeschlossen, dass E-Fuels | |
| für den Straßenverkehr in relevantem Umfang zur Verfügung stehen werden“, | |
| sagt sie. „Jedes weitere Verbrennerfahrzeug, das noch zugelassen wird, wird | |
| auf fossilen Sprit angewiesen sein. Das Festhalten am Verbrennungsmotor | |
| dient dazu, einen gewaltigen Absatzmarkt für fossiles Öl langfristig zu | |
| sichern.“ | |
| ## Bei E-Autos wird der Strom direkt genutzt | |
| So sieht das auch der Verkehrsforscher Andreas Knie vom | |
| Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung. „Wir haben rund 50 | |
| Millionen Pkw in Deutschland. Die alle mit E-Fuels zu betanken ist weder | |
| möglich noch wünschenswert“, sagt der Experte. Klimaneutral sind die | |
| Kraftstoffe schließlich nur, wenn sie mit Ökostrom produziert werden – und | |
| der muss erst mal irgendwo herkommen. | |
| Das gilt prinzipiell auch für E-Autos. In denen wird der Strom aber direkt | |
| genutzt, während es auf dem Weg zum E-Fuel mehrere Umwandlungsschritte | |
| gibt. Dabei geht Energie ungenutzt verloren. Man braucht also weniger | |
| Ökostrom für Autos mit Elektroantrieb als für solche mit Verbrennungsmotor | |
| und E-Fuel-Tankfüllung. | |
| Viele Verkehrsforscher:innen sehen synthetische Kraftstoffe eher als | |
| Option für Verkehrsmittel, in denen der Einsatz von Batterien schwer ist. | |
| Bei Autos ist das nicht der Fall, aber etwa bei Flugzeugen. | |
| Auch Knie sieht hinter dem Lobbyismus für E-Fuels den Versuch, fossile | |
| Kraftstoffe weiterzunutzen – und den Stellenwert von Autos im Allgemeinen | |
| zu sichern. Der müsste eigentlich schrumpfen, argumentiert der | |
| Verkehrsforscher: „Wenn der Verkehr klimafreundlich werden soll, brauchen | |
| wir weniger Pkw-Kilometer – egal ob es um E- oder Verbrennungsmotoren | |
| geht.“ | |
| 12 Mar 2023 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Ende-der-Verbrennermotoren-in-der-EU/!5919152 | |
| [2] /EU-besiegelt-Verbrenneraus/!5912669 | |
| [3] https://www.epure.org/wp-content/uploads/2022/05/220531-EXT-Joint-letter_CO… | |
| ## AUTOREN | |
| Susanne Schwarz | |
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