| # taz.de -- Jüdisches Leben in Deutschland: Die Suche hört niemals auf | |
| > In Berlin haben sich Menschen auf die Spuren einer jüdischen Familie | |
| > begeben. Was dabei zunehmend an Bedeutung gewinnt: die Rolle digitaler | |
| > Archive. | |
| Bild: Von den Nazis entrechtet, deportiert, in Auschwitz ermordet: Das Schicksa… | |
| Berlin taz | Die Hackerstraße liegt in einer der ruhigen und gut | |
| bürgerlichen Gegenden im Süden Berlins, gesäumt von Häusern, die Anfang des | |
| vorigen Jahrhunderts entstanden sind. Das gelbe Eckhaus mit der Nummer 22 | |
| ist 1911 erbaut worden. Im Berliner Telefonbuch von 1920 wird unter dieser | |
| Adresse die Familie von Sally Driesen und seiner Frau Selma, geborene | |
| Lewin, geführt: I. OG, also erstes Obergeschoss, links. Hier haben die | |
| Driesens mit den Söhnen Paul und Hans-Philipp sowie mit Selmas Schwester, | |
| Dorothea Lewin, gewohnt. | |
| Im Vorgarten wächst heute, gut 100 Jahre später, pflegeleichter Efeu, in | |
| dem aus besonderem Anlass fünf langstielige, weiße Rosen stecken: zwei | |
| rechts vom Weg für die Söhne der Driesens, die in den 1930ern nach | |
| Palästina geflüchtet sind; drei Rosen links für Sally und Selma Driesen | |
| sowie Dorothea Lewin. Sally Driesen starb 1940 in einem Berliner | |
| Krankenhaus, offiziell an Herzversagen; die beiden Schwestern wurden 1943 | |
| deportiert und in Auschwitz ermordet. | |
| Eine kleine Gruppe Menschen ist an diesem Freitag im Februar für eine | |
| ungewöhnliche Gedenkzeremonie ohne festes Zeremoniell zusammengekommen. | |
| [1][Gunter Demnig, bildender Künstler und Initiator der inzwischen | |
| europaweit verlegten Stolpersteine], ist mit einem roten Transporter und | |
| einem Gehilfen gekommen und wird fünf Gedenksteine für die einstigen | |
| jüdischen Bewohner:innen der Hackerstraße 22 setzen. Wortlos wird er | |
| seine Arbeit verrichten, während die kleine Gedenkfeier läuft. | |
| Die Kantorin der jüdischen Gemeinde Berlins, Avitall Gerstetter, wird am | |
| Ende das Kaddisch, das Gebet für die Toten, sagen und sehr schön singen. | |
| Auch Ori Avigdorov, Enkel von Paul Driesen, wird ein Kaddisch auf Hebräisch | |
| sprechen. Er ist aus Israel angereist, er ist zum ersten Mal in Berlin. | |
| Seine Frau und Tochter stehen neben ihm. | |
| Oris Mutter Alisa, die Tochter von Paul Driesen, hat sich die Reise aus | |
| gesundheitlichen Gründen nicht mehr zugetraut. Anders als 2005, als sie mit | |
| ihrer Schwester Nomi und ihrer deutschen Großkusine vor dem Haus Nummer 22 | |
| stand und von einer Hausbewohnerin angesprochen und hilfsbereit gefragt | |
| wurden, wonach sie suchten. Sie suchten die Wohnung, in der ihre Großeltern | |
| gelebt und ihre Väter groß geworden waren. | |
| Sie landeten in der Wohnung von Gundula Oertel, die heute sagt: „Nach | |
| diesem Besuch hatte ich das Gefühl, dass ich das nicht einfach wieder so | |
| ablegen kann. Und auch nicht wollte. Denn ab da war der Holocaust für mich | |
| nicht mehr abstrakt.“ | |
| Es sollten trotzdem noch etwa zehn Jahre vergehen, bis die freie Autorin | |
| und Journalistin die Geschichte der ehemaligen Hausbewohner:innen zu | |
| recherchieren begann und d[2][ie Verlegung der Stolpersteine] initiierte. | |
| Die Digitalisierung schafft neue Möglichkeiten und neue Zugänge, der | |
| Geschichte der eigenen Stadt, der eigenen Straße, des eigenen Hauses | |
| nachzuspüren. Die Driesens, weiß Oertel heute, haben nicht in ihrer, | |
| sondern in der Wohnung gegenüber gewohnt. Doch mit einem Klick ist die | |
| Suche lange nicht getan. | |
| Den entscheidenden Anstoß bekam Oertel 2014 durch ihre Schwägerin, eine | |
| Historikerin, und den Verein Tracing the Past. Der erstellt mit dem Projekt | |
| Mapping the Lives interaktive Stadtpläne, die Adressen der zwischen 1933 | |
| und 1945 Verfolgten des NS-Regimes enthalten, basierend auf den Daten der | |
| Volkszählung von 1939. | |
| Damals musste jeder Haushaltsvorstand eine sogenannte Ergänzungskarte | |
| ausfüllen, auf der gegebenenfalls der jüdische Hintergrund der einzelnen | |
| Familienmitglieder mit den Großeltern angegeben werden musste. Diese Karten | |
| überlebten den Krieg, sie gelangten in Besitz des DDR-Staatsarchivs und | |
| gingen nach der Wende ans Bundesarchiv. Einige Regionen fehlen, nicht aber | |
| Berlin. | |
| Die Idee zur Gründung von [3][Tracing the Past] hatte Roderick Miller. Der | |
| Verein ist bewusst klein gehalten: neun Leute, Historiker:innen, | |
| Bibliothekare und Informatiker. Miller, ein US-Amerikaner, ist „der einzige | |
| Amateur“ in dieser Gruppe, wie er spöttelnd bei einem Videotelefonat mit | |
| der taz sagt. Der Journalist und Musiker zog 2004 von New York nach Berlin, | |
| wo er 2016 die deutsche Staatsangehörigkeit beantragte. Als er von | |
| ehemaligen jüdischen Bewohner:innen in seinem Berliner Mietshaus | |
| erfuhr, versuchte er, Informationen zusammenzutragen. Es war schwierig. „Es | |
| standen jede Menge einzelne Zeugnisse oder Dokumente im Internet“, erinnert | |
| er sich, „ohne dass sie vernetzt gewesen wären.“ Auch die Archive waren der | |
| Öffentlichkeit oft nicht zugänglich. | |
| „Die Archiv-Regeln sind ein wenig antiquiert in Deutschland“, sagt Miller | |
| milde. Er sammelte private Spenden und steckte sein Erbe in das Projekt | |
| [4][Mapping the Lives], eine Datenbank, die heute Einträge zu über 950.000 | |
| Verfolgten des NS-Regimes mit verifizierbaren Quellen enthält, ergänzt um | |
| die Daten aus der Residentenliste des Bundesarchivs. Es ist ein langer Weg, | |
| work in progress. Auf die Authentizität der Quellen lege man großen Wert, | |
| erklärt Miller. „Auch wenn wir Bürgerforschung und Crowdsourcing betreiben, | |
| setzen wir höchste wissenschaftliche Standards an.“ | |
| Tracing the Past bot Oertel erste Ansatzpunkte, und doch bedurfte es von da | |
| an einer langwierigen Archivsuche, erzählt sie bei einem Treffen in ihrer | |
| Wohnung. Paul Driesen beispielsweise war 1933 nach seiner | |
| Zwangsexmatrikulation als fast fertiger Arzt ins damalige Palästina | |
| ausgewandert und wurde 1939 gar nicht mehr „gezählt“. | |
| Oertel drückt Enkel Ori Avigdorov beim Kaffee im Anschluss an die | |
| Gedenkfeier eine Kopie der Personal- oder Matrikelkarte Paul Driesens in | |
| die Hand, die in roter Farbe den Stempel „Gelöscht m 31.7.33. Wegen | |
| Nicht-Befolgung der Feststellung von Nicht-Ariern“ trägt. Durch Zufall ist | |
| Oertel im Internet auf eine Namensliste von Medizinstudenten der damaligen | |
| Friedrich-Wilhelm-Universität gestoßen, die jemand geerbt und zu | |
| Recherchezwecken ins Internet gestellt hat. Oertel fand den Namen Paul | |
| Driesen und darüber seine Matrikelnummer. Die heutige Humboldt-Universität | |
| hatte die Karte im Archiv. Etwas unsicher studiert Avigdorov die Kopie mit | |
| der alten deutschen Schrift. Er spricht kein Deutsch. | |
| Neben ihm sitzt Doris Kretschmer, die Großkusine seiner Mutter. Geboren | |
| 1951, ist sie die Enkelin des einzigen Überlebenden der Lewin-Geschwister. | |
| Ihr Großvater Georg Lewin war Uhrmacher im brandenburgischen Putlitz, | |
| verheiratet mit einer Nichtjüdin, was ihn anfangs vermutlich schützte. 1940 | |
| ging er nach Berlin. Er war nach dem Tod von Sally Driesen häufiger in der | |
| Hackerstraße zu Besuch und ab 1942 in der Hohenstauffenstraße gemeldet, | |
| wohin seine Schwestern Selma und Dorothea umziehen mussten, nachdem die | |
| Wohnung in der Hackerstraße beschlagnahmt worden war. | |
| Oertel ist im Landesarchiv Berlin auf den Wiedergutmachungsantrag von Paul | |
| und Hans-Philipp Driesen gestoßen. 1.310 D-Mark haben die Brüder 1959 für | |
| die 1942 übrig gebliebenen Möbel und Hausrat als Entschädigung zugesprochen | |
| bekommen. Was aus den China- und Japanwaren geworden ist, mit denen Sally | |
| Driesen handelte, ist nicht bekannt. | |
| Es sind viele Details, die die Recherche „immer komplexer“ werden lassen, | |
| wie Oertel sagt. Wer die Toten sind, ist – unzulänglich – bekannt. Gundula | |
| Oertel geht es darum, sie aus der Namenlosigkeit zu holen, sie vor dem | |
| Vergessen zu bewahren, einer Haltung auch Handlungen folgen zu lassen. Über | |
| die Täter weiß man nur so viel: Es waren, ganz allgemein gesprochen, die | |
| Nazis. | |
| Doris Kretschmer hat in einer Ausstellung in München über die Rolle der | |
| Reichsbahn den Tag und Ort der Deportation der Schwestern ihres Großvaters | |
| ausfindig gemacht. „Es war Zufall“, erzählt sie, „dass ich in München | |
| umsteigen musste. Und ich hatte in der Zeitung von der Ausstellung ‚Züge in | |
| den Tod‘ gelesen, die am Bahnhof zu sehen sein sollte, die aber ohne | |
| Hinweise schwer zu finden war. Dort lagen die Bücher zu den Transporten | |
| aus. Ich habe sie aufgeschlagen, und die Namen gesucht. Und da standen sie | |
| tatsächlich: Dorothea Lewin, Selma Lewin, Marta Lewin.“ | |
| Dorothea Lewin wurde mit dem 28. Osttransport am 3. Februar 1943 | |
| deportiert, Selma und Marta Lewin fuhren am 12. März 1943 mit dem 36. | |
| Osttransport in den Tod. Einzufinden hatten sie sich an der Putlitzbrücke, | |
| dem ehemaligen Güterbahnhof in Berlin-Moabit. | |
| Marta Lewin war die jüngste Schwester von Dorothea, Selma und Georg Lewin, | |
| die nach dem frühen Tod der Mutter adoptiert worden war. Kretschmer hält | |
| Kontakt zu den Nachfahren in den USA. Wie jede kinderreiche Familie sind | |
| die Driesens und Lewins weit verzweigt und die Nachfahren leben heute weit | |
| verstreut. | |
| „Allein in Zusammenhang mit dieser Familie müsste man noch weitere | |
| Stolpersteine setzen“, sagt Gundula Oertel. Bisher habe man überwiegend die | |
| mütterliche Seite, die der Lewins, recherchiert, weil es da die | |
| persönlichen Kontakte gab. Fast 10.000 Stolpersteine gibt es in Berlin, | |
| aber etwa 60.000 Berliner Juden und Jüdinnen wurden ermordet. Doris | |
| Kretschmer möchte ausfindig machen, wo Marta Lewin gelebt hat und dort für | |
| einen Stolperstein sorgen. | |
| Die ehemalige Kunst- und Ethiklehrerin hat zu Hause im brandenburgischen | |
| Wittstock/Dosse, eine halbe Stunde Fahrt von Putlitz entfernt, in ihrem | |
| Atelier ein Bild gemalt: eine schmale, mehrere Meter lange Leinwand, die | |
| den Deportationszug Richtung Auschwitz zeigt und die drei Frauen, die, | |
| bewacht von SS-Leuten, in den Zug steigen müssen – auch wenn sie damals | |
| nicht alle am selben Tag deportiert worden sind. Der Bruder – Kretschmers | |
| Großvater, mit Judenstern – steht auf dem Gemälde abseits, er bleibt | |
| zurück. „Das Bild verdichtet die Realität“, erklärt Kretschmer. Die | |
| Leinwand rollt sie bei der Gedenkstunde neben dem Hauseingang der | |
| Hackerstraße 22 aus und hält eine kleine Ansprache, in der sie von ihrem | |
| Großvater berichtet. | |
| „Er war der einzige Jude in Putlitz“, sagt sie. Einen Tag nach dem 9. | |
| November 1938 hatten Nazi-Schläger die Schaufenster und Einrichtung seines | |
| Geschäfts zertrümmert, ihn blutig geprügelt und Richtung Fluss geschleppt, | |
| um ihn zu ertränken. Die Aktion misslang, er wurde durch beherzte Mitbürger | |
| gerettet. Georg Lewin ging nach Berlin, lebte zeitweise bei den Schwestern | |
| und tauchte ab 1942 unter, wo und wie, ist Doris Kretschmer nicht bekannt. | |
| „Meine Großmutter wollte nicht darüber sprechen“, sagt sie. | |
| Georg Lewin starb 1953, da war seine Enkelin erst zwei Jahre alt. Alles, | |
| was Kretschmer weiß, hat sie von ihrer Mutter, die sich immer geärgert hat, | |
| wenn am 9. November in der DDR die Opfer des Faschismus geehrt wurden. | |
| „Mein Opa galt als Verfolgter des NS-Regimes. Dafür bekam er neben zwei | |
| anderen jährlich einen Kranz. Aber dass die Familie gelitten hat, dass sie | |
| entrechtet und gedemütigt wurde, darüber hat niemand gesprochen“, sagt | |
| Kretschmer. | |
| Entschädigungszahlungen gab es in der DDR nicht, Widerstandskämpfer oder | |
| ehemalige Lagerinsassen bekamen Ehrenpensionen – im antifaschistischen | |
| Selbstverständnis der DDR stand die moralische Anerkennung vor allem den | |
| politisch Verfolgten zu. „Meine Mutter nahm nicht an der Kranzlegung teil“, | |
| sagt Kretschmer. „Sobald die SED-Funktionäre weg waren, ging sie hin, nahm | |
| den Kranz und warf ihn in hohem Bogen auf den Abfallhaufen. Das war ihre | |
| Form des heimlichen Protests.“ | |
| Über ihre jüdischen Wurzeln wurde in Kretschmers Familie nicht gesprochen. | |
| Als Schülerin besuchte sie KZ-Gedenkstätten, das war Pflichtprogramm. „Da | |
| war auch immer von einem Anteil jüdischer Gefangener die Rede. Aber das | |
| traf ja alles auf meinen Opa gar nicht zu. Er war weder inhaftiert noch | |
| umgebracht worden.“ Sein Uhrmachergeschäft konnte Georg Lewin nach dem | |
| Krieg nicht wieder aufnehmen. „Er war fügsam,“ sagt seine Enkelin, „er | |
| blieb mit seiner Geschichte allein. Man hätte ihm den Rücken stärken | |
| müssen.“ | |
| Doris Kretschmer hat nach der Wende Kontakt zu ihren Verwandten in Israel | |
| aufgenommen und seit 2005 weiß sie, dass ihre Großtanten in Auschwitz ums | |
| Leben gekommen sind. „Dass sie tot waren, wussten wir. Aber wo und wann sie | |
| gestorben sind, wussten wir nicht.“ Das hat sie erst durch eine | |
| Online-Anfrage an das Archiv von Yad Vashem, der großen | |
| Holocaust-Gedenkstätte in Jerusalem, herausgefunden. | |
| Haben also die Öffnung der Archive nach dem Fall des Eisernen Vorhangs und | |
| die zunehmende Digitalisierung die Möglichkeiten der historischen und | |
| persönlichen Spurensuche vergrößert? Jein. „Ohne Tracing the Past wäre ich | |
| keinen Schritt weitergekommen“, sagt Oertel. Die Datenbank zeigte bei der | |
| ersten Suche für die Adresse Hackerstraße vier Namen der Familie | |
| Driesen-Lewin an – ohne Paul. „Aber mehr als das reine Faktum, die Namen | |
| der Familie, stand nicht drin. Kein Verweis auf Quellen – gar nichts.“ Die | |
| wesentlichen Bausteine habe ihre Schwägerin geliefert, sagt Oertel, die den | |
| Hinweisen gefolgt ist. Doris Kretschmer sagt, die wesentlichen Details habe | |
| Oertel gefunden. Die Suche in der Vergangenheit, es war und ist Teamarbeit. | |
| Oertels Schwägerin Caroline Flick ist Historikerin und von Anfang an | |
| Mitglied bei Tracing the Past. Der Verein arbeitet ehrenamtlich. Um die | |
| Datenbank zu erweitern und vor allem zu pflegen, um interaktive Karten und | |
| Apps zu entwickeln, braucht es eine entsprechende Software und „viel Geld“, | |
| sagt Flick, die inzwischen am Kaffeetisch von Gundula Oertel Platz genommen | |
| hat. „Mindestens 300.000 Euro“, schätzt sie, um alles aufzubauen. | |
| Bis heute hat der Verein keine öffentlichen Gelder erhalten, zwei | |
| Projektanträge wurden abschlägig beschieden. Gründer Roderick Miller setzt | |
| auf die EU, Caroline Flick ist da skeptisch. Es brauche allein eine Person, | |
| um die Bürokratie zu bewältigen. Sie hoffen, dass ihre Initiative bekannter | |
| wird. Die Zusammenarbeit mit dem [5][personell unterbesetzten Bundesarchiv] | |
| wie auch mit den Arolsen Archives, einst das Archiv der Alliierten, läuft | |
| gut. | |
| ## Etwa 80 Stolpersteine an drei Tagen | |
| Doch in kommunalen oder Landesarchiven ist es mit dem Wissen und den | |
| Mitteln für die Digitalisierung oft nicht weit her. Laut Presseberichten | |
| hat das brandenburgische Landeshauptarchiv gerade 42.000 Naziakten | |
| veröffentlicht. „Das stimmt so nicht“, erklärt Flick. „Sie haben 42.000 | |
| Datensätze eingestellt, also nur ihr Findbuch veröffentlicht.“ Die Akten | |
| müssen erst digitalisiert und aufgearbeitet werden, um sie dann digital zu | |
| veröffentlichen, „hoffentlich vollständig“. | |
| „Unser Plus, welches wir auch nicht aufgeben wollen: dass Mapping the Lives | |
| Archivalien und geprüfte Quellen an die Stammdaten anlagert“, sagt Flick. | |
| In Zukunft ließen sich so Links setzen, Fotos, Biografien und interaktive | |
| Karten würden sich öffnen, man könnte sich mit Gedenkstätten und | |
| Stadtarchiven vernetzen. Mit der Stadt München ist eine Zusammenarbeit | |
| geplant. „Es gibt so viele gute Arbeiten von Schülern und regionalen | |
| Initiativen“, sagt Flick. „Die könnten wir alle integrieren und so das | |
| Interesse auch der jungen Leute an der Geschichte am Leben halten.“ | |
| Etwa 80 Stolpersteine hat Gunter Demnig an drei Tagen an einem Wochenende | |
| in Berlin verlegt, fünf davon in der Hackerstraße. Das Interesse wächst, es | |
| gibt lokale Initiativen und in einigen Bezirken lange Wartelisten. Dreimal | |
| im Jahr kommt der Künstler nach Berlin und arbeitet die Aufträge ab, die | |
| von Angehörigen, Kirchengemeinden, Kommunen, Privatleuten, manchmal auch | |
| Schulen oder Parteien kommen, wie ein Mitarbeiter der Berliner | |
| Koordinierungsstelle erzählt. | |
| Auch in der Hackerstraße waren Kirchenkreis und Kirchengemeinde engagiert. | |
| 120 Euro kostet ein Stein, zehn mal zehn Zentimeter groß, von Demnig aus | |
| Zement gegossen und mit einer Messingplatte versehen, die die Lebensdaten | |
| der Ermordeten oder Vertriebenen trägt. Die Stadt Berlin hat für ihre | |
| Verlegung grundsätzlich die Genehmigung erteilt. In der Hackerstraße ist es | |
| ein Mosaikpflaster, das sich mit der mitgebrachten Spitzhacke einfach | |
| lockern lässt. | |
| Gundula Oertel ist erleichtert. „Der angekündigte Regen ist für die | |
| entscheidenden zwei Stunden ausgeblieben. Und Gunter Demnig hat die Steine | |
| bei uns sehr geschickt verlegt. Man kann vorbeigehen, ohne drauftreten. | |
| Aber fast alle stoppen und lesen die Inschriften.“ Ori Avigdorov findet: | |
| „An einer Hauswand würden die Inschriften nicht bemerkt.“ | |
| Drei Tage nach der Stolpersteinverlegung stößt Oertel im Internet auf vier | |
| bereits existente Stolpersteine für die Familie Driesen: der väterliche | |
| Zweig. Niemand wusste etwas davon. Es hört nicht auf mit dem Suchen. | |
| 23 Feb 2023 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Stolpersteine-fuer-Schwarze-NS-Opfer/!5796828 | |
| [2] https://www.stolpersteine-berlin.de/de | |
| [3] https://tracingthepast.org/ | |
| [4] https://tracingthepast.org/mapping-the-lives/ | |
| [5] https://www.bundesarchiv.de/DE/Navigation/Home/home.html | |
| ## AUTOREN | |
| Sabine Seifert | |
| ## TAGS | |
| Stolpersteine | |
| Jüdisches Leben | |
| Holocaust | |
| Israel | |
| Berlin | |
| GNS | |
| Podcast „Vorgelesen“ | |
| Stolpersteine | |
| Holocaust-Gedenktag | |
| Antisemitismus | |
| Judentum | |
| Holocaust | |
| NS-Straftäter | |
| Auschwitz | |
| NS-Widerstand | |
| Holocaust | |
| Schwerpunkt Stadtland | |
| NS-Verfolgte | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Antisemitismus in Sachsen-Anhalt: Stolpersteine in Magdeburg gestohlen | |
| Erneut wurden in Sachsen-Anhalt fünf Gedenksteine aus dem Pflaster gerissen | |
| – offenbar am helllichten Tag. Der Staatsschutz ermittelt wegen Diebstahl. | |
| Gedenkveranstaltung in Biesenthal: Antifaschistische Spurensuche | |
| Auf einem Spaziergang in Biesenthal wird NS-Opfern gedacht. Bald sollen in | |
| der brandenburgischen Kleinstadt die ersten Stolpersteine verlegt werden. | |
| Antisemitismus in Sachsen-Anhalt: Stolpersteine in Zeitz gestohlen | |
| Unbekannte haben am Jahrestag des Hamas-Massakers die zehn Gedenksteine | |
| herausgerissen, die in Zeitz an NS-Opfer erinnern. Der Staatsschutz | |
| ermittelt. | |
| Jüdisches Leben in Deutschland: „Es gibt kein Buch über Synagogen“ | |
| Alex Jacobowitz ist Musiker – und reist durch Deutschland, um Synagogen zu | |
| fotografieren. Warum er selbst oft staunt und was ihm Mut macht. | |
| Dokumentarfilm „Liebe Angst“: Überlebt und doch gebrochen | |
| In dem Film „Liebe Angst“ erzählt Sandra Prechtel von einer | |
| Mutter-Tochter-Beziehung, die von einer traumatischen Erfahrung im | |
| Holocaust geprägt ist. | |
| Bildatlas der Deportation im Netz: Unter aller Augen | |
| Deutsche Gedenkstätten haben einen Bildatlas der Deportation aus dem | |
| Deutschen Reich erarbeitet. Er zeigt mehr über die Verfolgten und die | |
| Täter. | |
| Auschwitz-Ausstellung in Berlin: Geboren im Schrecken | |
| Die Ausstellung „Geboren in Auschwitz“ erzählt die Geschichte der Kinder | |
| von Auschwitz. Im Haus der Demokratie ist sie bis Ende April zu sehen. | |
| Ausstellung über Reichsbahner: Retter auf Schienen | |
| Das Deutsche Technikmuseum widmet einem Arbeiter der Reichsbahn eine | |
| Sonderausstellung. Im Holocaust hatte er zwei Jüdinnen gerettet. | |
| Memo-Studie zur Erinnerungskultur: Ungenügend für den Unterricht | |
| Dass Jugendliche wenig über die NS-Zeit wissen, liegt nicht an mangelndem | |
| Interesse. Hitler und Holocaust kommen im Lehrplan zu kurz. | |
| Hamburger Sängerin über jüdische Musik: „Also habe ich Jiddisch gelernt“ | |
| An jiddischen Liedern berührt Inge Mandos das Fehlen von Pathos. Um sie zu | |
| singen, sagt sie, müsse man auch die Sprache verstehen. | |
| Ausstellung über den NS-Tatort Riga: Ein vergessener Ort des Holocausts | |
| Eine Ausstellung in Hamburg erinnert an den Holocaust-Tatort Riga. Dort | |
| starben 25.000 Menschen, darunter 753 Hamburger Jüdinnen und Juden. |