# taz.de -- Iranische Tarnfirmen in Deutschland: Die Iran-Connection von Meerbu… | |
> Eine iranische IT-Firma hilft in Iran bei der Internet-Abschottung. Ihr | |
> Ableger in Deutschland hilft, die US-Sanktionen zu vermeiden. | |
BERLIN taz | Das Reihenhaus in der Sackgasse der betuchten Wohngegend | |
Meerbusch bei Düsseldorf könnte kaum unscheinbarer sein. Grau-beiger | |
Klinker, vor den Fenstern Jalousien, die das Innere vor Blicken abschirmen. | |
Auf dem Briefkasten zeigt ein weißes Schild vier Nachnamen und drei | |
GmbH-Firmentitel. Bis vor einem Jahr hatte hier noch ein weiteres | |
Unternehmen seinen Sitz, die Firma Softqloud. Mittlerweile ist sie | |
umgezogen, in einen Bürokomplex, ein paar Ecken die Straße runter. Ein | |
klobiger Bau mit allerlei Logos, wie er so oder so ähnlich in vielen | |
Gewerbegebieten aus dem Boden gestampft wird. Jedoch funktioniert Softqloud | |
nicht wie jedes andere Unternehmen. Und auch die ansässigen Firmen in der | |
Meerbuscher Sackgasse sind keine zufällige Anhäufung. | |
Wie eine gemeinsame Recherche von [1][Correctiv], [2][netzpolitik.org] und | |
der taz zeigt, ist Softqloud ein Ableger des iranischen IT-Dienstleisters | |
Arvancloud. Das Unternehmen hilft dem islamistischen Regime in Teheran | |
dabei, eine eigene nationale Internet-Struktur aufzubauen. Somit wird die | |
Abschottung des Irans vom internationalen Netz erleichtert. Zahlungen für | |
IT-Dienstleitungen an Arvancloud landen bei der deutschen Firma in | |
Meerbusch. Softqloud ist quasi Arvanclouds Brückenkopf in Europa. Die | |
Server der Firma in Meerbusch sind für den Iran von Bedeutung. Die | |
gemeinsame Recherche zeigt: Sie bilden eine von nur wenigen digitalen | |
Verbindungsbrücken, die aus dem iranischen Netz ins Ausland führen. | |
Für unsere Recherche haben wir firmeneigene Unterlagen eingesehen, | |
Netzwerke und Serverdaten analysiert, Zahlungen nachvollzogen und mit | |
zahlreichen Expert*innen gesprochen. Der Blick nach Meerbusch, auf die | |
Firma Softqloud, ihre Verbindungen und die beteiligten Personen offenbart: | |
In dem Düsseldorfer Nobelvorort und seiner Umgebung sitzt ein Geflecht aus | |
Unternehmen und Tarnfirmen, die mindestens indirekt mit dem islamistischen | |
Regime in Teheran, den Revolutionsgarden und dem iranischen Geheimdienst | |
verbunden sind. Von hier aus umgehen sie US-Sanktionen. Sie sind verstrickt | |
in den Aufbau eines abgeschotteten nationalen Internets in Iran. Und: Sie | |
agieren bis heute unbehelligt in Deutschland. | |
Anders als die USA, die seit ihrem einseitigen Rückzug aus [3][dem | |
Atomabkommen mit dem Iran] 2018 umfangreiche Sanktionen eingeführt und die | |
Revolutionsgarden auf eine Terrorliste gestellt haben, zeigt sich die EU | |
toleranter, was den Iran und Firmen mit Verbindungen zu seinem autoritären | |
Machtapparat angeht. Deutschland ist Irans wichtigster Handelspartner in | |
der EU. Erst seit sich in Iran die Menschen unter der Parole [4][„Frauen, | |
Leben, Freiheit“] jeden Tag [5][aufs Neue auf den Straßen versammeln], wird | |
die Kritik an dem Regime auch hierzulande lauter. | |
Auslöser der aktuellen Proteste ist [6][der Tod der 22-jährigen Mahsa | |
Amini]. Die Sittenpolizei hatte sie festgenommen, weil sie ihr Kopftuch | |
angeblich nicht richtig trug. In Gewahrsam wurde sie laut Zeugen geschlagen | |
und misshandelt. Sie starb am 16. September. Im ganzen Land kommt es | |
seitdem [7][zu Demonstrationen gegen das islamische Regime]. | |
Sicherheitskräfte [8][gehen brutal gegen Kritiker*innen vor]. Es gibt | |
zahlreiche Tote. | |
Als Reaktion verhängte die EU Anfang der Woche [9][eine Reihe von | |
Sanktionen], unter anderem gegen die Sittenpolizei sowie das | |
Cyber-Abwehrkommando der Revolutionsgarde. Ebenfalls auf der Sanktionsliste | |
der EU steht jetzt der Iranische Minister für Informations- und | |
Kommunikationstechnologie – wegen der durch ihn verantworteten Abschaltung | |
des Internets. | |
Denn das iranische Regime hatte auf die Proteste auch [10][mit einer | |
massiven Blockade des Netzes reagiert], etwa um die weitere Organisation | |
von Demonstrationen zu unterbinden. Gesperrt wurden Social-Media-Netzwerke | |
wie Instagram sowie Messengerdienste wie Whatsapp oder Signal. Neben der | |
weitreichenden Zensur [11][kam es zu Drosselungen des Internets], in | |
einigen Regionen teilweise sogar zur kompletten Abschaltung. Wer versuchte, | |
internationale Webseiten zu besuchen oder zu chatten, kam nicht voran. | |
Aktivist*innen in Iran behalfen sich gegen die Zensur mit technischen | |
Umgehungen – mit sogenannten Proxy-Servern, VPN-Tunneln oder dem anonymen | |
Tor-Netzwerk. Mit der Infrastruktur für solche digitalen Umwege wurden sie | |
weltweit aus der Zivilgesellschaft unterstützt, [12][auch durch die taz]. | |
Doch sollen künftig solche technischen Umgehungen der Zensur unmöglich | |
gemacht werden. Der Iran arbeitet seit Jahren am Aufbau eines eigenen | |
unabhängigen nationalen Informationsnetzwerks. Und hier kommen die Firma | |
Arvancloud und ihr deutscher Ableger Softqloud ins Spiel. | |
## Firmengeflecht in Düsseldorfer Vorstadt | |
Auf ihrer Webseite präsentiert sich die deutsche Firma Softqloud wie jedes | |
andere IT-Unternehmen im Netz. Ein Bild von Serverschränken, ein Bild von | |
Computern, ein paar Zeilen oberflächliche Werbesprache. Mehrfach wechselte | |
der Firmensitz, blieb jedoch immer in der Nobelgegend Meerbusch bei | |
Düsseldorf. Schaut man genauer hin, eröffnet sich ein Geflecht an Firmen, | |
die mindestens indirekt mit dem iranischen Regime, Geheimdiensten oder den | |
Revolutionsgarden in Verbindung stehen. | |
Da ist etwa der Unternehmer aus Dubai. Als Softqloud am 24. Februar 2019 im | |
Handelsregister des Amtsgerichts angemeldet wird, tritt ein Mann als | |
Gründer in das Büro eines Düsseldorfer Notars ein, der in Dubai wohnt, | |
einen pakistanischen Pass vorlegt und persisch spricht. Er ist der Chef | |
einer IT-Firma, mit Ablegern in Dubai und Pakistan, die unter anderem die | |
Webseiten der Pasargad Bank hosten. Das iranische Finanzinstitut wurde | |
wegen Verbindungen zu den Iranischen Revolutionsgarden im Oktober 2020 von | |
den USA mit Sanktionen belegt. Von der Pasargad Bank gibt es auch eine | |
Verbindung zu ArvanCloud: Die mit der Bank assoziierte IT-Firma Fanap ist | |
Investor bei dem Cloud-Anbieter. | |
## Mann mit Verbindungen zum Geheimdienst | |
Da ist auch der Helfer mit Geheimdienstkontakten. Bei der Gründung von | |
Softqloud befindet sich ein Mann im Raum, der ebenfalls in Meerbusch wohnt, | |
rund 500 Meter entfernt von Softqlouds erstem Firmensitz. Er ist kein | |
unbeschriebenes Blatt. Sein Name taucht in einer Auskunft des Bundesamtes | |
für Verfassungsschutz von 1993 auf, in der es um das Mykonos-Attentat geht. | |
Bei dem Mordanschlag wurden im Auftrag des iranischen Geheimdienstes am 17. | |
September 1992 vier kurdisch-iranische Exilpolitiker im Berliner Lokal | |
„Mykonos“ erschossen. | |
Die Schriftstücke des Verfassungsschutzes sind dem Abschlussbericht eines | |
Untersuchungsausschusses des Berliner Abgeordnetenhauses angehängt, der | |
mögliche Versäumnisse der Sicherheitsbehörden bei dem Mordfall ergründete. | |
Zwei weitere Informationen erfährt man darin über die Vergangenheit des | |
Mannes: Anfang der 1990er Jahre steht er mit dem iranischen Geheimdienst in | |
Verbindung und zählt zu den engsten Freunden des Drahtziehers des | |
Mykonos-Attentats. | |
Heute leitet er ebenfalls ein Unternehmen in Düsseldorf. Dies gehört einem | |
großen iranischen Konzern, den die USA mit Sanktionen belegt haben, weil | |
sie ihm vorwerfen, Teil des iranischen Netzwerks zur Terror-Unterstützung | |
zu sein. Seit Juni 2020 treffen die US-Sanktionen auch diese Düsseldorfer | |
Firma. Der Mann bestreitet auf Nachfrage der taz über seinen Anwalt | |
jedweden Kontakt zu Geheimdiensten. Mit der Geschäftstätigkeit von | |
Softqloud habe er auch nichts zu tun. | |
Und da ist die Geschäftsführerin: Sie leitet Softqloud und ist gleichzeitig | |
Chefin weiterer Unternehmen, von denen eines ebenfalls auf dem Briefkasten | |
in der Sackgasse des Düsseldorfer Nobelviertels Meerbusch steht. Bis 2020 | |
war ein Geschäftsmann aus dem Iran mit Nähe zum Regime Geschäftsführer. | |
Auch für dieses Unternehmen gibt es Hinweise, dass es für die Abwicklung | |
von Zahlungsverkehr aus dem Iran benutzt wird. | |
## Aufbau eines abgeschotteten Netzes | |
Anders als die Firmen in Meerbusch steht Arvancloud in Iran deutlich | |
stärker in der Öffentlichkeit. Arvancloud ist laut deutsch-iranischer | |
Handelskammer der größte Cloud Service-Anbieter in Iran und sehr aktiv in | |
der iranischen Start-up-Szene. Die Firma präsentiert sich im Netz und auf | |
Konferenzen gern als modernes, aufstrebendes Unternehmen – ein Start-up mit | |
jungen Männern, die Kicker spielen und Frauen, die mit Kopftuch lächelnd an | |
Computern sitzen. Bei Youtube ist – anscheinend auf den deutschen Markt | |
zielend – von Arvancloud gar eine Art Imagevideo zu finden: Unterlegt mit | |
Choralmusik reitet eine Figur mit Deutschlandfahne auf einer Brezel. Dazu | |
der Slogan: „Riding the clouds“, auf Deutsch: „Auf den Wolken reiten“. | |
Doch das ist nur die eine, scheinbar gute Seite des Unternehmens: Denn | |
Arvancloud hilft der iranischen Regierung dabei, ein eigenes nationales | |
Informationsnetz aufzubauen. Seit 2013 arbeitet das Regime mit Hochdruck | |
daran, die Pläne dafür gab es schon Jahre zuvor. Alle Verbindungen aus dem | |
Iran nach außen sollen abgeschaltet werden können. Vorbild für diese Idee | |
ist China mit seiner „Great Firewall“, auch Russland hat mittlerweile | |
ähnliche Pläne. | |
Derzeit ist es für die iranische Wirtschaft ziemlich teuer, wenn das | |
Internet komplett abgeschaltet wird. [13][Laut iranischer Handelskammer] | |
kostet das etwa 1,5 Millionen Euro pro Stunde. Um sich in Zukunft besser | |
abschotten zu können und dabei die Kosten für den Iran geringer zu halten, | |
arbeitet Arvancloud unter anderem an einer nationalen Cloud-Struktur, der | |
sogenannten IranCloud. Die [14][staatliche Nachrichtenagentur Irna nennt | |
dies ein „nationales Projekt“], das „im Einklang mit der Entwicklung des | |
nationalen Informationsnetzwerks“ betrieben werde. | |
Bei einer sogenannten Cloud geht es um ein bestimmtes System, mit dem | |
Server und Datenspeicher dezentral miteinander vernetzt sind. Das Ziel ist | |
es, möglichst viele Unternehmen mit ihren Diensten auf diese nationale | |
Struktur zu holen. Werden die internationalen Verbindungen gekappt, würden | |
diese Dienste in Iran noch weiterlaufen und die Auswirkungen für die | |
Wirtschaft und den Alltag wären geringer. Sollte beispielsweise eine Person | |
in Teheran online eine Lieferbestellung aufgeben, würde dies weiterhin | |
funktionieren, solange der Bringdienst seine Webseite zuvor in die | |
nationale Cloud verlegt hat. Jedoch nur dann. | |
Derzeit sind zahlreiche Firmen Partner von Arvancloud und hosten dort ihre | |
Webseiten, darunter der in Iran weit verbreitete Taxidienstleister Snapp. | |
Auch viele Regierungsinstitutionen haben ihre Webseiten bei Arvancloud – | |
etwa das Innen- und das Außenministerium. Arvancloud nutzt dafür auch die | |
Infrastruktur von Softqloud in Meerbusch. Mehrere Webseiten iranischer | |
Botschaften, etwa der in Tunesien, liegen auf Servern der deutschen Firma. | |
Auch die Webseite des iranischen Agrarministeriums. | |
## Regime mit weitreichenden Befugnissen | |
Für das Projekt der iranischen Cloud-Infrastruktur räumt Arvancloud dem | |
Regime weitreichende Kontrollbefugnisse ein. Das geht aus einem Vertrag aus | |
dem Jahr 2020 hervor, der uns vorliegt. Geschlossen hat ihn die Firma mit | |
dem iranischen Kommunikationsministerium – eben jenem Ministerium, dessen | |
aktueller Minister wegen der Internetabschottung durch die EU sanktioniert | |
wurde. Die Kopie des Vertrages wurde, wie andere Unterlagen zu Arvancloud, | |
von Kritiker*innen des islamischen Regimes bei Twitter veröffentlicht. | |
Die tatsächliche Herkunft des Dokuments lässt sich nicht endgültig | |
verifizieren, es soll aus einer iranischen Informationsfreiheitsanfrage | |
stammen. Auch die BBC bezieht sich in einem Bericht auf diesen Vertrag. | |
In dem Dokument heißt es unter Artikel 4, dass die Vertragsparteien | |
verpflichtet seien, sich im Rahmen der Nationalen Verteidigung und | |
allgemeinen Sicherheit „vor jeder Entscheidung und jedem Vorgehen erst mit | |
dem Führungsausschuss abzustimmen bzw. das Handeln genehmigen zu lassen“. | |
Genannt wird dabei wenige Zeilen später: | |
„B) Durchführung der Unterbrechung, Verbindung oder Einschränkung der | |
[Internet-]Verbindung, Ausübung kurz- oder langfristiger Maßnahmen, | |
Umsetzen der Sicherheitsmaßnahmen sowie Nutzung jeglicher im Netz | |
vorhandener Datenbanken.“ | |
Weiter heißt es, dass Arvancloud verpflichtet sei, auf Verlangen des | |
Ministeriums „ohne Verzögerung bezüglich der Sicherheits- und | |
Schutzmaßnahmen mit den zuständigen Organisationen zu kooperieren.“ | |
## Iran nur an wenigen Punkten digital mit der Welt verbunden | |
Für die Abschottung des iranischen Netzes ist es relevant, alle digitalen | |
Verbindungen ins internationale Internet zu unterbinden. Wie die Recherche | |
zeigt, sind diese in Iran durchaus überschaubar. Netzwerkspezialisten, die | |
anonym bleiben wollen, haben sowohl die Netze von Softqloud, Arvancloud wie | |
auch das gesamte iranische Internet gescannt und analysiert. Correctiv, | |
netzpolitik.org und die taz konnten die Ergebnisse einsehen. | |
Aus diesen Untersuchungen geht hervor, dass das iranische Netz nur wenige | |
„Brücken“ nach außen in das internationale Internet hat. Fachlich korrekt | |
ausgedrückt, werden diese Brücken über das „Peering von Autonomen Systemen… | |
geschlagen. Solche Autonomen Systeme sind im Internet üblich, | |
beispielsweise bei Universitäten und großen Unternehmen. Verbundene | |
Autonome Systeme sind der Grundaufbau des Internets. | |
Die wichtigste Brücke aus dem Iran ins internationale Netz ist das | |
[15][Autonome System AS 49666], worüber die überwiegende Anzahl der Routen | |
nach außen führt. Es wird von der Telecommunication Infrastructure Company | |
(TIC) kontrolliert, die direkt dem iranischen Staat untersteht. Ein | |
weiterer Link nach außen ist das [16][iranische Wissenschaftsnetz], das | |
seine Route über Ungarn nach außen leitet. Eine recht kleine Verbindung | |
besteht zudem über den großen Telekommunikationsdienstleister Shatel nach | |
Frankfurt. Eine weitere führt laut [17][netzpolitik.org] von TIC über | |
Autonome Systeme von ArvanCloud zu Softqloud. | |
Somit kommt der Meerbusch-Verbindung eine bedeutende Rolle bei der | |
Kontrolle des iranischen Netzes zu. An einer Brücke könnte man das | |
weltweite Internet aussperren und zugleich ausgewählte Verbindungen per | |
„Whitelisting“ weiterhin zulassen – etwa zum Netzwerk von Softqloud, auf | |
dem zahlreiche iranische Webseiten laufen. | |
## Softqloud umgeht US-Sanktionen | |
Doch hat Softqloud für Arvancloud noch einen weiteren Nutzen. Unter anderem | |
wickelt Arvancloud Zahlungen über den deutschen Ableger ab. Wer sich etwa | |
Server bei der iranischen Firma kaufen wollte, konnte das über den | |
Online-Bezahldienst Stripe erledigen. Der sitzt in den USA und unterliegt | |
eigentlich den zahlreichen US-Regularien, die Transaktionen mit dem Iran | |
weitreichend sanktionieren und unter anderem einen Zugang des Irans zum | |
US-Finanzsystem verbieten. Der Online-Bezahldienst Stripe selbst erklärt | |
auf seiner Webseite, dass er die Nutzung seiner Dienste für Geschäfte | |
verbietet, die direkt oder indirekt mit Ländern verbunden sind, die der | |
Bezahldienst als hochriskant einstuft – darunter Iran. | |
Das handhaben auch andere Finanzdienstleister so. Schickt man sich | |
beispielsweise in Deutschland unter Freunden auf deutschen Konten Geld zu, | |
gehen beim US-Bezahldienstleister Paypal sogleich die Alarmglocken an, wenn | |
nur das Wort „Iran“ im Verwendungszweck vorkommt. „Ihre Zahlung wird | |
derzeit einbehalten und aus Sicherheitsgründen überprüft“, heißt es dann | |
sofort. | |
Anders jedoch beim Serverkauf von Arvancloud. Dort funktioniert die | |
Bezahlung beim Kauf eines Servers in Iran über den US-Dienst Stripe | |
reibungslos. Ein Blick auf die Abrechnung offenbart, dass der Account der | |
iranischen Firma mit Softqloud zusammenhängt, deren deutsche Telefonnummer | |
angegeben ist. | |
Auf Anfrage erklärt die US-Firma Stripe, sie gebe grundsätzlich keine | |
Stellungnahmen zu einzelnen Nutzern ab. Jedoch: Kurz nachdem wir unsere | |
Anfrage gestellt haben, ist die Bezahlung von Servern von Arvancloud in | |
Iran über den Online-Bezahldienst Stripe nicht mehr möglich. | |
## Verwischte Spuren | |
Die Geschäftsführerin von Softqloud erklärte: Arvancloud sei ein | |
gemeinsames Projekt der iranischen Firma Abr Arvan und Softqloud gewesen, | |
um internationalen Kunden eine Cloudinfrastruktur bereitzustellen. Die | |
Verträge seien gekündigt. Das iranische Unternehmen habe keinerlei Einfluss | |
auf das Unternehmen Softqloud. Dieses sei nicht daran beteiligt, das | |
Internet für den Iran abzuschotten. "Wir umgehen keine Sanktionen und | |
handeln als deutsches Unternehmen nach deutschem Recht. Es gibt keinerlei | |
Einfluss iranischer Geheimdienste auf die Softqloud GmbH." | |
Arvancloud kennt die Vorwürfe, die vor allem auch iranische | |
Internet-Aktivist*innen gegen die Firma vorbringen. Pouya Pirhosseinloo, | |
Chef von Arvancloud, wies die Vorwürfe auf Nachfrage des Rechercheteams | |
zurück. Seine Firma werde zu Unrecht ins Visier genommen und verleumdet. | |
„Ein Anbieter von Cloud-Diensten kann weder bei der Struktur noch bei der | |
Zensur des Internets eine Rolle spielen, nicht nur in Iran, sondern auch in | |
jedem anderen Land der Erde“, so Pirhosseinloo. Cloud-Anbieter seien | |
Verbraucher und nicht Anbieter des Internets. „Folglich können diese | |
Unternehmen keinen Einfluss auf die Qualität des Internets, Störungen oder | |
Ausfälle nehmen.“ | |
In Bezug auf die deutsche Firma Softqloud bestätigte Pirhosseinloo, dass | |
diese ein „internationaler Partner“ von Arvancloud war. Auch er sagt, | |
Softqloud habe den Vertrag zum 30. September 2022 gekündigt. | |
Nach unseren Recherchen wurden Zahlungen an Arvancloud allerdings noch bis | |
Mitte Oktober über die Firma Softqloud abgewickelt. Auch die | |
Arvancloud-Server in Europa laufen bis heute über das deutsche Unternehmen. | |
Geändert hat sich bislang nur das gemeinsame öffentliche Auftreten: In den | |
letzten Tagen sind jegliche Hinweise auf eine Beziehungen zwischen den | |
Unternehmen Arvancloud und Softqloud von den Webseiten verschwunden. Noch | |
vor ein paar Tagen war für den deutschsprachigen Bereich der | |
Arvancloud-Webseite Softqcloud im Impressum angegeben. So führte die | |
angegebene E-Mail-Adresse in den Kontaktdaten zu Arvancloud. | |
Zudem hindert Arvancloud das gemeinnützige Internet-„Archive“ daran, alte | |
Versionen seiner Webseiten zu sichern. Diese Archivierungen aktiv zu | |
verhindern, ist sehr unüblich – zumal für ein Unternehmen in der | |
IT-Branche. | |
Miriam Saage-Maaß, Expertin für juristische Verantwortung von Unternehmen | |
bei Menschenrechtsverletzungen und Legal Director beim European Center for | |
Constitutional and Human Rights (ECCHR) sagt zur Verbindung von Arvancloud | |
und Softqloud: Internationale Standards wie die UN-Leitprinzipien für | |
Wirtschaft und Menschenrechte würden Unternehmen wie Softqloud dazu | |
verpflichten, genau zu prüfen, ob ihre Geschäftstätigkeit die | |
Menschenrechtsverletzungen von Regierungen ermöglicht, fördert oder | |
unterstützt. „Wer der iranischen Regierung Technologien zur Verfügung | |
stellt, die es dieser ermöglichen, den Zugang zum Internet der iranischen | |
Bürger zu kontrollieren, verletzt diese Standards möglicherweise.“ | |
Dazu passt: Zu den neuen Sanktionen der EU gegen den Iran, die | |
Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) am Montag bekanntgab, gehört im | |
Bereich der Menschenrechte auch ein Verbot der Ausrüstung, die in Iran zur | |
Repression und zur Überwachung der Telekommunikation verwendet werden | |
könnte. | |
Annalena Baerbock ist am Abend in der [18][Caroline Kebekus]-Show im | |
Interview zu sehen. Angesprochen auf unsere Recherchen, sagte die grüne | |
Außenministerin: „Das ist dramatisch, wenn eine deutsche Firma bei solchen | |
Verbrechen helfen sollte“. Auch das Außenministerium habe den Hinweis | |
bekommen und die entsprechenden Sicherheitsbehörden darauf angesprochen. | |
Hinweis der Redaktion: Wir haben technische Details im Bezug auf Autonome | |
Systeme von ArvanCloud und Softqloud geändert und konkretisiert sowie im | |
Bezug auf die Verbindungen aus dem Irans ins weltweite Internet. | |
20 Oct 2022 | |
## LINKS | |
[1] https://correctiv.org/ | |
[2] https://netzpolitik.org/meerbusch-iran-connection-deutsche-firma-in-aufbau-… | |
[3] /Atomabkommen-mit-Iran/!t5753280 | |
[4] /Kundgebung-in-Berlin-zu-Iran/!5883280 | |
[5] /Proteste-in-Iran/!t5884344 | |
[6] /Frauenrechte-in-Iran/!5879645 | |
[7] /Proteste-in-Iran/!5885325 | |
[8] /Feministischer-Protest-im-Iran/!5885152 | |
[9] https://www.consilium.europa.eu/en/press/press-releases/2022/10/17/iran-eu-… | |
[10] /NetBlocks-Gruender-ueber-Internet-im-Iran/!5880188 | |
[11] /Proteste-in-Iran/!5879784 | |
[12] /Reaktion-auf-Unterdrueckung-in-Iran/!5883510 | |
[13] https://www.tagesschau.de/ausland/asien/iran-proteste-173.html | |
[14] https://web.archive.org/web/20220421021240/https://www.irna.ir/news/841848… | |
[15] https://ipinfo.io/AS49666 | |
[16] https://ipinfo.io/AS6736 | |
[17] https://netzpolitik.org/2022/meerbusch-iran-connection-deutsche-firma-in-a… | |
[18] https://www.ardmediathek.de/sendung/die-carolin-kebekus-show/Y3JpZDovL2Rhc… | |
## AUTOREN | |
Jean-Philipp Baeck | |
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