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# taz.de -- Iranische Tarnfirmen in Deutschland: Die Iran-Connection von Meerbu…
> Eine iranische IT-Firma hilft in Iran bei der Internet-Abschottung. Ihr
> Ableger in Deutschland hilft, die US-Sanktionen zu vermeiden.
Berlin taz | Das Reihenhaus in der Sackgasse der betuchten Wohngegend
Meerbusch bei Düsseldorf könnte kaum unscheinbarer sein. Grau-beiger
Klinker, vor den Fenstern Jalousien, die das Innere vor Blicken abschirmen.
Auf dem Briefkasten zeigt ein weißes Schild vier Nachnamen und drei
GmbH-Firmentitel. Bis vor einem Jahr hatte hier noch ein weiteres
Unternehmen seinen Sitz, die Firma Softqloud. Mittlerweile ist sie
umgezogen, in einen Bürokomplex, ein paar Ecken die Straße runter. Ein
klobiger Bau mit allerlei Logos, wie er so oder so ähnlich in vielen
Gewerbegebieten aus dem Boden gestampft wird. Jedoch funktioniert Softqloud
nicht wie jedes andere Unternehmen. Und auch die ansässigen Firmen in der
Meerbuscher Sackgasse sind keine zufällige Anhäufung.
Wie eine gemeinsame Recherche von [1][Correctiv], [2][netzpolitik.org] und
der taz zeigt, ist Softqloud ein Ableger des iranischen IT-Dienstleisters
Arvancloud. Das Unternehmen hilft dem islamistischen Regime in Teheran
dabei, eine eigene nationale Internet-Struktur aufzubauen. Somit wird die
Abschottung des Irans vom internationalen Netz erleichtert. Zahlungen für
IT-Dienstleitungen an Arvancloud landen bei der deutschen Firma in
Meerbusch. Softqloud ist quasi Arvanclouds Brückenkopf in Europa. Die
Server der Firma in Meerbusch sind für den Iran von Bedeutung. Die
gemeinsame Recherche zeigt: Sie bilden eine von nur wenigen digitalen
Verbindungsbrücken, die aus dem iranischen Netz ins Ausland führen.
Für unsere Recherche haben wir firmeneigene Unterlagen eingesehen,
Netzwerke und Serverdaten analysiert, Zahlungen nachvollzogen und mit
zahlreichen Expert*innen gesprochen. Der Blick nach Meerbusch, auf die
Firma Softqloud, ihre Verbindungen und die beteiligten Personen offenbart:
In dem Düsseldorfer Nobelvorort und seiner Umgebung sitzt ein Geflecht aus
Unternehmen und Tarnfirmen, die mindestens indirekt mit dem islamistischen
Regime in Teheran, den Revolutionsgarden und dem iranischen Geheimdienst
verbunden sind. Von hier aus umgehen sie US-Sanktionen. Sie sind verstrickt
in den Aufbau eines abgeschotteten nationalen Internets in Iran. Und: Sie
agieren bis heute unbehelligt in Deutschland.
Anders als die USA, die seit ihrem einseitigen Rückzug aus [3][dem
Atomabkommen mit dem Iran] 2018 umfangreiche Sanktionen eingeführt und die
Revolutionsgarden auf eine Terrorliste gestellt haben, zeigt sich die EU
toleranter, was den Iran und Firmen mit Verbindungen zu seinem autoritären
Machtapparat angeht. Deutschland ist Irans wichtigster Handelspartner in
der EU. Erst seit sich in Iran die Menschen unter der Parole [4][„Frauen,
Leben, Freiheit“] jeden Tag [5][aufs Neue auf den Straßen versammeln], wird
die Kritik an dem Regime auch hierzulande lauter.
Auslöser der aktuellen Proteste ist [6][der Tod der 22-jährigen Mahsa
Amini]. Die Sittenpolizei hatte sie festgenommen, weil sie ihr Kopftuch
angeblich nicht richtig trug. In Gewahrsam wurde sie laut Zeugen geschlagen
und misshandelt. Sie starb am 16. September. Im ganzen Land kommt es
seitdem [7][zu Demonstrationen gegen das islamische Regime].
Sicherheitskräfte [8][gehen brutal gegen Kritiker*innen vor]. Es gibt
zahlreiche Tote.
Als Reaktion verhängte die EU Anfang der Woche [9][eine Reihe von
Sanktionen], unter anderem gegen die Sittenpolizei sowie das
Cyber-Abwehrkommando der Revolutionsgarde. Ebenfalls auf der Sanktionsliste
der EU steht jetzt der Iranische Minister für Informations- und
Kommunikationstechnologie – wegen der durch ihn verantworteten Abschaltung
des Internets.
Denn das iranische Regime hatte auf die Proteste auch [10][mit einer
massiven Blockade des Netzes reagiert], etwa um die weitere Organisation
von Demonstrationen zu unterbinden. Gesperrt wurden Social-Media-Netzwerke
wie Instagram sowie Messengerdienste wie Whatsapp oder Signal. Neben der
weitreichenden Zensur [11][kam es zu Drosselungen des Internets], in
einigen Regionen teilweise sogar zur kompletten Abschaltung. Wer versuchte,
internationale Webseiten zu besuchen oder zu chatten, kam nicht voran.
Aktivist*innen in Iran behalfen sich gegen die Zensur mit technischen
Umgehungen – mit sogenannten Proxy-Servern, VPN-Tunneln oder dem anonymen
Tor-Netzwerk. Mit der Infrastruktur für solche digitalen Umwege wurden sie
weltweit aus der Zivilgesellschaft unterstützt, [12][auch durch die taz].
Doch sollen künftig solche technischen Umgehungen der Zensur unmöglich
gemacht werden. Der Iran arbeitet seit Jahren am Aufbau eines eigenen
unabhängigen nationalen Informationsnetzwerks. Und hier kommen die Firma
Arvancloud und ihr deutscher Ableger Softqloud ins Spiel.
## Firmengeflecht in Düsseldorfer Vorstadt
Auf ihrer Webseite präsentiert sich die deutsche Firma Softqloud wie jedes
andere IT-Unternehmen im Netz. Ein Bild von Serverschränken, ein Bild von
Computern, ein paar Zeilen oberflächliche Werbesprache. Mehrfach wechselte
der Firmensitz, blieb jedoch immer in der Nobelgegend Meerbusch bei
Düsseldorf. Schaut man genauer hin, eröffnet sich ein Geflecht an Firmen,
die mindestens indirekt mit dem iranischen Regime, Geheimdiensten oder den
Revolutionsgarden in Verbindung stehen.
Da ist etwa der Unternehmer aus Dubai. Als Softqloud am 24. Februar 2019 im
Handelsregister des Amtsgerichts angemeldet wird, tritt ein Mann als
Gründer in das Büro eines Düsseldorfer Notars ein, der in Dubai wohnt,
einen pakistanischen Pass vorlegt und persisch spricht. Er ist der Chef
einer IT-Firma, mit Ablegern in Dubai und Pakistan, die unter anderem die
Webseiten der Pasargad Bank hosten. Das iranische Finanzinstitut wurde
wegen Verbindungen zu den Iranischen Revolutionsgarden im Oktober 2020 von
den USA mit Sanktionen belegt. Von der Pasargad Bank gibt es auch eine
Verbindung zu ArvanCloud: Die mit der Bank assoziierte IT-Firma Fanap ist
Investor bei dem Cloud-Anbieter.
## Mann mit Verbindungen zum Geheimdienst
Da ist auch der Helfer mit Geheimdienstkontakten. Bei der Gründung von
Softqloud befindet sich ein Mann im Raum, der ebenfalls in Meerbusch wohnt,
rund 500 Meter entfernt von Softqlouds erstem Firmensitz. Er ist kein
unbeschriebenes Blatt. Sein Name taucht in einer Auskunft des Bundesamtes
für Verfassungsschutz von 1993 auf, in der es um das Mykonos-Attentat geht.
Bei dem Mordanschlag wurden im Auftrag des iranischen Geheimdienstes am 17.
September 1992 vier kurdisch-iranische Exilpolitiker im Berliner Lokal
„Mykonos“ erschossen.
Die Schriftstücke des Verfassungsschutzes sind dem Abschlussbericht eines
Untersuchungsausschusses des Berliner Abgeordnetenhauses angehängt, der
mögliche Versäumnisse der Sicherheitsbehörden bei dem Mordfall ergründete.
Zwei weitere Informationen erfährt man darin über die Vergangenheit des
Mannes: Anfang der 1990er Jahre steht er mit dem iranischen Geheimdienst in
Verbindung und zählt zu den engsten Freunden des Drahtziehers des
Mykonos-Attentats.
Heute leitet er ebenfalls ein Unternehmen in Düsseldorf. Dies gehört einem
großen iranischen Konzern, den die USA mit Sanktionen belegt haben, weil
sie ihm vorwerfen, Teil des iranischen Netzwerks zur Terror-Unterstützung
zu sein. Seit Juni 2020 treffen die US-Sanktionen auch diese Düsseldorfer
Firma. Der Mann bestreitet auf Nachfrage der taz über seinen Anwalt
jedweden Kontakt zu Geheimdiensten. Mit der Geschäftstätigkeit von
Softqloud habe er auch nichts zu tun.
Und da ist die Geschäftsführerin: Sie leitet Softqloud und ist gleichzeitig
Chefin weiterer Unternehmen, von denen eines ebenfalls auf dem Briefkasten
in der Sackgasse des Düsseldorfer Nobelviertels Meerbusch steht. Bis 2020
war ein Geschäftsmann aus dem Iran mit Nähe zum Regime Geschäftsführer.
Auch für dieses Unternehmen gibt es Hinweise, dass es für die Abwicklung
von Zahlungsverkehr aus dem Iran benutzt wird.
## Aufbau eines abgeschotteten Netzes
Anders als die Firmen in Meerbusch steht Arvancloud in Iran deutlich
stärker in der Öffentlichkeit. Arvancloud ist laut deutsch-iranischer
Handelskammer der größte Cloud Service-Anbieter in Iran und sehr aktiv in
der iranischen Start-up-Szene. Die Firma präsentiert sich im Netz und auf
Konferenzen gern als modernes, aufstrebendes Unternehmen – ein Start-up mit
jungen Männern, die Kicker spielen und Frauen, die mit Kopftuch lächelnd an
Computern sitzen. Bei Youtube ist – anscheinend auf den deutschen Markt
zielend – von Arvancloud gar eine Art Imagevideo zu finden: Unterlegt mit
Choralmusik reitet eine Figur mit Deutschlandfahne auf einer Brezel. Dazu
der Slogan: „Riding the clouds“, auf Deutsch: „Auf den Wolken reiten“.
Doch das ist nur die eine, scheinbar gute Seite des Unternehmens: Denn
Arvancloud hilft der iranischen Regierung dabei, ein eigenes nationales
Informationsnetz aufzubauen. Seit 2013 arbeitet das Regime mit Hochdruck
daran, die Pläne dafür gab es schon Jahre zuvor. Alle Verbindungen aus dem
Iran nach außen sollen abgeschaltet werden können. Vorbild für diese Idee
ist China mit seiner „Great Firewall“, auch Russland hat mittlerweile
ähnliche Pläne.
Derzeit ist es für die iranische Wirtschaft ziemlich teuer, wenn das
Internet komplett abgeschaltet wird. [13][Laut iranischer Handelskammer]
kostet das etwa 1,5 Millionen Euro pro Stunde. Um sich in Zukunft besser
abschotten zu können und dabei die Kosten für den Iran geringer zu halten,
arbeitet Arvancloud unter anderem an einer nationalen Cloud-Struktur, der
sogenannten IranCloud. Die [14][staatliche Nachrichtenagentur Irna nennt
dies ein „nationales Projekt“], das „im Einklang mit der Entwicklung des
nationalen Informationsnetzwerks“ betrieben werde.
Bei einer sogenannten Cloud geht es um ein bestimmtes System, mit dem
Server und Datenspeicher dezentral miteinander vernetzt sind. Das Ziel ist
es, möglichst viele Unternehmen mit ihren Diensten auf diese nationale
Struktur zu holen. Werden die internationalen Verbindungen gekappt, würden
diese Dienste in Iran noch weiterlaufen und die Auswirkungen für die
Wirtschaft und den Alltag wären geringer. Sollte beispielsweise eine Person
in Teheran online eine Lieferbestellung aufgeben, würde dies weiterhin
funktionieren, solange der Bringdienst seine Webseite zuvor in die
nationale Cloud verlegt hat. Jedoch nur dann.
Derzeit sind zahlreiche Firmen Partner von Arvancloud und hosten dort ihre
Webseiten, darunter der in Iran weit verbreitete Taxidienstleister Snapp.
Auch viele Regierungsinstitutionen haben ihre Webseiten bei Arvancloud –
etwa das Innen- und das Außenministerium. Arvancloud nutzt dafür auch die
Infrastruktur von Softqloud in Meerbusch. Mehrere Webseiten iranischer
Botschaften, etwa der in Tunesien, liegen auf Servern der deutschen Firma.
Auch die Webseite des iranischen Agrarministeriums.
## Regime mit weitreichenden Befugnissen
Für das Projekt der iranischen Cloud-Infrastruktur räumt Arvancloud dem
Regime weitreichende Kontrollbefugnisse ein. Das geht aus einem Vertrag aus
dem Jahr 2020 hervor, der uns vorliegt. Geschlossen hat ihn die Firma mit
dem iranischen Kommunikationsministerium – eben jenem Ministerium, dessen
aktueller Minister wegen der Internetabschottung durch die EU sanktioniert
wurde. Die Kopie des Vertrages wurde, wie andere Unterlagen zu Arvancloud,
von Kritiker*innen des islamischen Regimes bei Twitter veröffentlicht.
Die tatsächliche Herkunft des Dokuments lässt sich nicht endgültig
verifizieren, es soll aus einer iranischen Informationsfreiheitsanfrage
stammen. Auch die BBC bezieht sich in einem Bericht auf diesen Vertrag.
In dem Dokument heißt es unter Artikel 4, dass die Vertragsparteien
verpflichtet seien, sich im Rahmen der Nationalen Verteidigung und
allgemeinen Sicherheit „vor jeder Entscheidung und jedem Vorgehen erst mit
dem Führungsausschuss abzustimmen bzw. das Handeln genehmigen zu lassen“.
Genannt wird dabei wenige Zeilen später:
„B) Durchführung der Unterbrechung, Verbindung oder Einschränkung der
[Internet-]Verbindung, Ausübung kurz- oder langfristiger Maßnahmen,
Umsetzen der Sicherheitsmaßnahmen sowie Nutzung jeglicher im Netz
vorhandener Datenbanken.“
Weiter heißt es, dass Arvancloud verpflichtet sei, auf Verlangen des
Ministeriums „ohne Verzögerung bezüglich der Sicherheits- und
Schutzmaßnahmen mit den zuständigen Organisationen zu kooperieren.“
## Iran nur an wenigen Punkten digital mit der Welt verbunden
Für die Abschottung des iranischen Netzes ist es relevant, alle digitalen
Verbindungen ins internationale Internet zu unterbinden. Wie die Recherche
zeigt, sind diese in Iran durchaus überschaubar. Netzwerkspezialisten, die
anonym bleiben wollen, haben sowohl die Netze von Softqloud, Arvancloud wie
auch das gesamte iranische Internet gescannt und analysiert. Correctiv,
netzpolitik.org und die taz konnten die Ergebnisse einsehen.
Aus diesen Untersuchungen geht hervor, dass das iranische Netz nur wenige
„Brücken“ nach außen in das internationale Internet hat. Fachlich korrekt
ausgedrückt, werden diese Brücken über das „Peering von Autonomen Systemen…
geschlagen. Solche Autonomen Systeme sind im Internet üblich,
beispielsweise bei Universitäten und großen Unternehmen. Verbundene
Autonome Systeme sind der Grundaufbau des Internets.
Die wichtigste Brücke aus dem Iran ins internationale Netz ist das
[15][Autonome System AS 49666], worüber die überwiegende Anzahl der Routen
nach außen führt. Es wird von der Telecommunication Infrastructure Company
(TIC) kontrolliert, die direkt dem iranischen Staat untersteht. Ein
weiterer Link nach außen ist das [16][iranische Wissenschaftsnetz], das
seine Route über Ungarn nach außen leitet. Eine recht kleine Verbindung
besteht zudem über den großen Telekommunikationsdienstleister Shatel nach
Frankfurt. Eine weitere führt laut [17][netzpolitik.org] von TIC über
Autonome Systeme von ArvanCloud zu Softqloud.
Somit kommt der Meerbusch-Verbindung eine bedeutende Rolle bei der
Kontrolle des iranischen Netzes zu. An einer Brücke könnte man das
weltweite Internet aussperren und zugleich ausgewählte Verbindungen per
„Whitelisting“ weiterhin zulassen – etwa zum Netzwerk von Softqloud, auf
dem zahlreiche iranische Webseiten laufen.
## Softqloud umgeht US-Sanktionen
Doch hat Softqloud für Arvancloud noch einen weiteren Nutzen. Unter anderem
wickelt Arvancloud Zahlungen über den deutschen Ableger ab. Wer sich etwa
Server bei der iranischen Firma kaufen wollte, konnte das über den
Online-Bezahldienst Stripe erledigen. Der sitzt in den USA und unterliegt
eigentlich den zahlreichen US-Regularien, die Transaktionen mit dem Iran
weitreichend sanktionieren und unter anderem einen Zugang des Irans zum
US-Finanzsystem verbieten. Der Online-Bezahldienst Stripe selbst erklärt
auf seiner Webseite, dass er die Nutzung seiner Dienste für Geschäfte
verbietet, die direkt oder indirekt mit Ländern verbunden sind, die der
Bezahldienst als hochriskant einstuft – darunter Iran.
Das handhaben auch andere Finanzdienstleister so. Schickt man sich
beispielsweise in Deutschland unter Freunden auf deutschen Konten Geld zu,
gehen beim US-Bezahldienstleister Paypal sogleich die Alarmglocken an, wenn
nur das Wort „Iran“ im Verwendungszweck vorkommt. „Ihre Zahlung wird
derzeit einbehalten und aus Sicherheitsgründen überprüft“, heißt es dann
sofort.
Anders jedoch beim Serverkauf von Arvancloud. Dort funktioniert die
Bezahlung beim Kauf eines Servers in Iran über den US-Dienst Stripe
reibungslos. Ein Blick auf die Abrechnung offenbart, dass der Account der
iranischen Firma mit Softqloud zusammenhängt, deren deutsche Telefonnummer
angegeben ist.
Auf Anfrage erklärt die US-Firma Stripe, sie gebe grundsätzlich keine
Stellungnahmen zu einzelnen Nutzern ab. Jedoch: Kurz nachdem wir unsere
Anfrage gestellt haben, ist die Bezahlung von Servern von Arvancloud in
Iran über den Online-Bezahldienst Stripe nicht mehr möglich.
## Verwischte Spuren
Die Geschäftsführerin von Softqloud erklärte: Arvancloud sei ein
gemeinsames Projekt der iranischen Firma Abr Arvan und Softqloud gewesen,
um internationalen Kunden eine Cloudinfrastruktur bereitzustellen. Die
Verträge seien gekündigt. Das iranische Unternehmen habe keinerlei Einfluss
auf das Unternehmen Softqloud. Dieses sei nicht daran beteiligt, das
Internet für den Iran abzuschotten. "Wir umgehen keine Sanktionen und
handeln als deutsches Unternehmen nach deutschem Recht. Es gibt keinerlei
Einfluss iranischer Geheimdienste auf die Softqloud GmbH."
Arvancloud kennt die Vorwürfe, die vor allem auch iranische
Internet-Aktivist*innen gegen die Firma vorbringen. Pouya Pirhosseinloo,
Chef von Arvancloud, wies die Vorwürfe auf Nachfrage des Rechercheteams
zurück. Seine Firma werde zu Unrecht ins Visier genommen und verleumdet.
„Ein Anbieter von Cloud-Diensten kann weder bei der Struktur noch bei der
Zensur des Internets eine Rolle spielen, nicht nur in Iran, sondern auch in
jedem anderen Land der Erde“, so Pirhosseinloo. Cloud-Anbieter seien
Verbraucher und nicht Anbieter des Internets. „Folglich können diese
Unternehmen keinen Einfluss auf die Qualität des Internets, Störungen oder
Ausfälle nehmen.“
In Bezug auf die deutsche Firma Softqloud bestätigte Pirhosseinloo, dass
diese ein „internationaler Partner“ von Arvancloud war. Auch er sagt,
Softqloud habe den Vertrag zum 30. September 2022 gekündigt.
Nach unseren Recherchen wurden Zahlungen an Arvancloud allerdings noch bis
Mitte Oktober über die Firma Softqloud abgewickelt. Auch die
Arvancloud-Server in Europa laufen bis heute über das deutsche Unternehmen.
Geändert hat sich bislang nur das gemeinsame öffentliche Auftreten: In den
letzten Tagen sind jegliche Hinweise auf eine Beziehungen zwischen den
Unternehmen Arvancloud und Softqloud von den Webseiten verschwunden. Noch
vor ein paar Tagen war für den deutschsprachigen Bereich der
Arvancloud-Webseite Softqcloud im Impressum angegeben. So führte die
angegebene E-Mail-Adresse in den Kontaktdaten zu Arvancloud.
Zudem hindert Arvancloud das gemeinnützige Internet-„Archive“ daran, alte
Versionen seiner Webseiten zu sichern. Diese Archivierungen aktiv zu
verhindern, ist sehr unüblich – zumal für ein Unternehmen in der
IT-Branche.
Miriam Saage-Maaß, Expertin für juristische Verantwortung von Unternehmen
bei Menschenrechtsverletzungen und Legal Director beim European Center for
Constitutional and Human Rights (ECCHR) sagt zur Verbindung von Arvancloud
und Softqloud: Internationale Standards wie die UN-Leitprinzipien für
Wirtschaft und Menschenrechte würden Unternehmen wie Softqloud dazu
verpflichten, genau zu prüfen, ob ihre Geschäftstätigkeit die
Menschenrechtsverletzungen von Regierungen ermöglicht, fördert oder
unterstützt. „Wer der iranischen Regierung Technologien zur Verfügung
stellt, die es dieser ermöglichen, den Zugang zum Internet der iranischen
Bürger zu kontrollieren, verletzt diese Standards möglicherweise.“
Dazu passt: Zu den neuen Sanktionen der EU gegen den Iran, die
Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) am Montag bekanntgab, gehört im
Bereich der Menschenrechte auch ein Verbot der Ausrüstung, die in Iran zur
Repression und zur Überwachung der Telekommunikation verwendet werden
könnte.
Annalena Baerbock ist am Abend in der [18][Caroline Kebekus]-Show im
Interview zu sehen. Angesprochen auf unsere Recherchen, sagte die grüne
Außenministerin: „Das ist dramatisch, wenn eine deutsche Firma bei solchen
Verbrechen helfen sollte“. Auch das Außenministerium habe den Hinweis
bekommen und die entsprechenden Sicherheitsbehörden darauf angesprochen.
Hinweis der Redaktion: Wir haben technische Details im Bezug auf Autonome
Systeme von ArvanCloud und Softqloud geändert und konkretisiert sowie im
Bezug auf die Verbindungen aus dem Irans ins weltweite Internet.
20 Oct 2022
## LINKS
[1] https://correctiv.org/
[2] https://netzpolitik.org/meerbusch-iran-connection-deutsche-firma-in-aufbau-…
[3] /Atomabkommen-mit-Iran/!t5753280
[4] /Kundgebung-in-Berlin-zu-Iran/!5883280
[5] /Proteste-in-Iran/!t5884344
[6] /Frauenrechte-in-Iran/!5879645
[7] /Proteste-in-Iran/!5885325
[8] /Feministischer-Protest-im-Iran/!5885152
[9] https://www.consilium.europa.eu/en/press/press-releases/2022/10/17/iran-eu-…
[10] /NetBlocks-Gruender-ueber-Internet-im-Iran/!5880188
[11] /Proteste-in-Iran/!5879784
[12] /Reaktion-auf-Unterdrueckung-in-Iran/!5883510
[13] https://www.tagesschau.de/ausland/asien/iran-proteste-173.html
[14] https://web.archive.org/web/20220421021240/https://www.irna.ir/news/841848…
[15] https://ipinfo.io/AS49666
[16] https://ipinfo.io/AS6736
[17] https://netzpolitik.org/2022/meerbusch-iran-connection-deutsche-firma-in-a…
[18] https://www.ardmediathek.de/sendung/die-carolin-kebekus-show/Y3JpZDovL2Rhc…
## AUTOREN
Jean-Philipp Baeck
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