# taz.de -- taz-Recherchen 2022: Was danach geschah | |
> Manchmal stößt Journalismus etwas an: Ein Blick auf einige taz-Recherchen | |
> des Jahres 2022 – und auf ihre Folgen. | |
Bild: Ist der Bundestag sicher? Wer rettet den Rettungsdienst? Fragen, zu denen… | |
Arbeitet eine Firma in Düsseldorf daran, das Internet in Iran zu zensieren? | |
Hilft Sternenstaub wirklich gegen eine Corona-Infektion? Und hat der | |
Rettungsdienst ein Problem mit Rassismus in den eigenen Reihen? | |
Das sind drei von vielen Fragen, die uns in der taz im vergangenen Jahr | |
beschäftigt haben. Zum Ende des Jahres haben wir nachgehakt, was aus | |
unseren Geschichten geworden ist – und wollen Danke sagen. Denn Recherchen | |
brauchen Zeit. Und sind nur möglich durch Unterstützung von Ihnen, unseren | |
LeserInnen und GenossInnen. | |
Wollen Sie die taz über Missstände informieren oder uns Dokumente zukommen | |
lassen? Wenden Sie sich an die Autor:innen oder an taz.de/investigativ. | |
## Rechte im Rettungsdienst | |
Nelson Mbugu hat wieder Hoffnung. [1][Vier Monate ist der Angriff her, bei | |
dem ihm der Arm gebrochen wurde.] Der Mann aus Kenia ist Lieferfahrer für | |
McDonald’s in Brandenburg an der Havel. An einem Abend im September brachte | |
er eine Bestellung zur Geschäftsstelle der Johanniter. Er hatte eine | |
Portion Pommes vergessen, ein Sanitäter der Johanniter rastete offenbar aus | |
und brach Mbugu brutal den Arm. Mbugu musste operiert werden, von den | |
Johannitern hörte er zunächst nichts. Der verdächtige Sanitäter wechselte | |
auf eigenen Wunsch in einen anderen Landesverband. Der wurde nach | |
taz-Informationen aber gar nicht vollständig über die Vorwürfe informiert. | |
Freigestellt wurde der Mitarbeiter erst, als die taz bei den Johannitern | |
nachfragte. | |
Die taz-Recherche fand große Verbreitung: Bundesweit griffen Medien sie | |
auf, viele Menschen boten ihre Hilfe an. Die Opferhilfe Brandenburg hat | |
einen Anwalt organisiert und bezahlt, der Mbugu juristisch vertritt. Dank | |
der Opferhilfe fand er auch einen englischsprachigen Psychologen, der ihm | |
helfen soll, die traumatische Erfahrung zu verarbeiten. Seine Armschlinge | |
trägt Mbugu mittlerweile nicht mehr, aber die beiden Brüche in seinem | |
linken Arm heilen nur langsam. Es wird noch einige Monate dauern, bis er | |
wieder arbeiten kann. Das ist für ihn auch ein finanzielles Problem: 30 | |
Euro Krankengeld bekommt er am Tag, im Monat hat er so zwischen 300 und 400 | |
Euro weniger. Aber da er so viel Unterstützung bekomme, erzählt seine | |
Ehefrau am Telefon, gehe es ihm schon viel besser. | |
Die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen laufen noch. Aber seit Anfang | |
Dezember steht fest: Der Sanitäter, der Mbugu den Arm gebrochen haben soll, | |
muss die Johanniter verlassen. Ebenfalls aus dem Dienst ausscheiden wird | |
ein Sanitäter der Johanniter aus Köln. [2][Mitte September hatten wir über | |
Vorwürfe gegen ihn berichtet.] Er soll die Namen von Adolf Hitler und | |
anderen Nazigrößen in einem Wandkalender der Feuerwache 9 eingetragen haben | |
– und das war nicht der einzige rechtsextreme Vorfall auf der Wache. | |
Mitarbeiter berichteten uns von Kollegen, die für die Identitäre Bewegung | |
warben, von rassistischen Spielen unter den Sanitätern. Und von | |
Patient:innen mit Migrationshintergrund, die offenbar schlechter | |
behandelt würden, weil Sanitäter rassistische Vorurteile pflegten. Auch | |
andere Hilfsorganisationen wie die Malteser waren betroffen. | |
Die Johanniter haben nach unserem Bericht eine externe Agentur beauftragt, | |
die Vorwürfe zu untersuchen. Guttman Communications ist spezialisiert auf | |
Krisenkommunikation. Drei Vertreter:innen der Agentur haben 20 | |
Mitarbeitende der betroffenen Rettungswache in Köln befragt. In jedem | |
dieser Gespräche saß auch ein Mitarbeiter der Johanniter dabei. Er habe | |
nicht den Eindruck gehabt, dass die befragten Mitarbeiter dadurch weniger | |
frei gesprochen hätten, sagt der Johanniter-Bundesvorstand Jörg Lüssem auf | |
Nachfrage der taz. Die Johanniter wollen nun einen Verhaltenskodex | |
erarbeiten und gemeinsam mit anderen Rettungsdiensten einen Maßnahmenplan | |
gegen Rassismus aufstellen. [3][Auch die Malteser haben Maßnahmen | |
angekündigt.] | |
Im Untersuchungsbericht steht: Die in der taz beschriebenen Vorfälle seien | |
„überwiegend wie beschrieben oder ähnlich passiert“. Manches konnte nicht | |
nachvollzogen werden, was aber offenbar vor allem daran lag, dass keine | |
ehemaligen Beschäftigten befragt wurden. Ein paar neue Dinge kamen heraus. | |
So soll es auch auf einer anderen Kölner Wache einen Kalender mit | |
Nazi-Einträgen gegeben haben. | |
Die Interpretation der Untersuchungsergebnisse bringt aber gewisse | |
Widersprüche mit sich. So heißt es im Bericht zum Beispiel, dass der | |
Gebrauch diffamierender und rassistischer Begriffe unter den Beschäftigten | |
weit verbreitet sei. Einen strukturellen Rassismus will man aber nicht | |
erkennen. Das „Führungsversagen“ lasten die Johanniter dem damaligen | |
Regionalvorstand an; der ist inzwischen in Rente. Und allzu viel | |
Transparenz wollen sie auch nicht. Der Untersuchungsbericht wurde zwar | |
zunächst online gestellt, dann aber direkt wieder gelöscht. | |
## Machos beim WWF | |
Das Berliner Arbeitsgericht verhandelte im Mai 2022 eine ungewöhnliche | |
Klage: Die Personalchefin der Naturschutzorganisation WWF ging gegen ihren | |
Arbeitgeber vor – wegen [4][mangelnder Transparenz, Interessenskonflikten | |
und möglichen Machtmissbrauchs]. Die Personalchefin hatte mitbekommen, dass | |
der langjährige geschäftsführende Vorstand des WWF Deutschland, Eberhard | |
Brandes, eine Affäre mit der WWF-Finanzchefin gehabt habe, ohne das seinem | |
Arbeitgeber zu melden. Das hätte er nach internen Richtlinien wohl tun | |
müssen. | |
Die Personalchefin zeigte die Affäre intern an, eine externe Anwaltskanzlei | |
wurde mit einer Untersuchung beauftragt. Das Ergebnis blieb unter | |
Verschluss. Die Personalchefin sei seit ihrer Anzeige drangsaliert und mit | |
Kündigung bedroht worden, sagte ihr Anwalt vor Gericht. Sie wollte nun | |
Auskunft erstreiten über das Ergebnis der Untersuchung. | |
Wenige Tage nachdem die taz die Sache öffentlich gemacht hatte, verkündete | |
der WWF Deutschland, [5][dass Vorstand Brandes die Organisation verlässt]. | |
Die Stimmung in der NGO ist schon länger schlecht gewesen, zeigte die | |
taz-Recherche. Mitarbeiterbefragungen hatten ein von Sexismus und | |
Chauvinismus geprägtes Arbeitsklima aufgezeigt. Fast das komplette mittlere | |
Management hatte der WWF-Führung per Brief das Misstrauen ausgesprochen. | |
Seit Brandes’ Weggang ist es ruhiger geworden beim WWF. Die Personalchefin | |
hat ihre Klage mittlerweile zurückgezogen. Auf taz-Nachfrage erklärt eine | |
WWF-Sprecherin, es habe eine Mediation zwischen dem Stiftungsrat und der | |
Personalchefin gegeben. Volle Einsicht in den Untersuchungsbericht habe sie | |
allerdings nicht bekommen. WWF Deutschland wird derzeit weiter vom | |
Interimsvorstand Christoph Heinrich geführt. Und der WWF Deutschland will | |
seine Führungsebene neu aufstellen. Drei Frauen wurden kommissarisch in die | |
Geschäftsleitung geholt, zwei waren zuvor im operativen Naturschutzbereich. | |
Der Richtungsstreit über mehr Basisdemokratie oder eine straffe, aber | |
schlagfertigere Führung, so hört man, ist noch nicht entschieden. | |
## Der Bundestag und seine Polizei | |
Wie sicher ist das deutsche Parlament? Seit der [6][Razzia gegen ein | |
Netzwerk von Reichsbürger:innen], die einen Staatsstreich geplant haben | |
sollen und dabei mutmaßlich in den Bundestag eindringen wollten, wird diese | |
Frage breit diskutiert. Der Bundestag selbst hat angekündigt, [7][seine | |
Zutrittsregeln zu verschärfen.] | |
Bereits im vergangenen Jahr hatten Recherchen der taz gezeigt, dass die | |
Sicherheit des Parlaments auch von innen bedroht ist. [8][Wir hatten über | |
rechtsextreme Vorfälle in der Bundestagspolizei berichtet.] Danach wurden | |
alle 200 Polizist:innen in Einzelgesprächen befragt und gegen fünf | |
Beamt:innen Disziplinarverfahren eingeleitet. Der damalige | |
Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble hatte damals zudem verpflichtende | |
Schulungen zu „gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit“ für die | |
Polizist:innen angekündigt. | |
Bisher nahmen an den vierstündigen Schulungen offiziellen Angaben zufolge | |
etwa 80 der 132 Beamt:innen des mittleren Dienstes teil. Lernziel der | |
Veranstaltung ist laut internen Unterlagen, dass die Teilnehmenden aktuelle | |
extremistische Organisationen kennen, sich mit Rassismus, Antisemitismus | |
und Radikalisierung beschäftigt haben sowie „mit aktuellen | |
Präventionsansätzen“ vertraut sind. | |
Die Bundestagsverwaltung bewies dann gleich selbst, dass diesbezüglich | |
offenbar immer noch Verbesserungspotenzial besteht. Im Januar berichteten | |
wir, dass der gerade erst neu berufene Chef des Sicherheitsreferats [9][in | |
einer ultrarechten Burschenschaft aktiv ist.] Er wurde nach unserem Bericht | |
versetzt, ist aber weiterhin Referatsleiter und nun bei den | |
wissenschaftlichen Diensten unter anderem für den Bereich Strafrecht | |
zuständig. | |
Drei Disziplinarverfahren laufen indes weiter, zwei Polizisten sind immer | |
noch vom Dienst suspendiert. Das Strafverfahren, das gegen den Polizisten | |
eröffnet wurde, der mutmaßlich den Hitlergruß gezeigt hatte, wurde von der | |
Berliner Staatsanwaltschaft eingestellt. Auf Anfrage teilte sie mit, dass | |
der mutmaßliche Hitlergruß nicht öffentlich gezeigt wurde, sondern in einem | |
Pausenraum – und das sei nicht strafbar. | |
## Mit Sternschnuppenstaub gegen Covid | |
Meteoreisen, der Staub erloschener Sternschnuppen, soll in verdünnter Form | |
Coronainfektionen lindern – glaubt man im anthroposophischen | |
Gemeinschaftskrankenhaus Havelhöhe in Berlin. | |
Der Umgang mit der Pandemie war in Havelhöhe nicht nur bei den Behandlungen | |
alternativ. Mit Coronaschutzmaßnahmen wurde lax umgegangen. Während in | |
anderen Krankenhäusern Besuchsverbote galten, wurde in Havelhöhe ein | |
öffentliches Flamenco-Konzert veranstaltet – ohne Maskenpflicht. Dem | |
Krankenhauspersonal in Havelhöhe wurde ein Impfschema angeboten, für das es | |
keine Zulassung gibt. Der zuständigen Amtsärztin „sträubten sich die | |
Haare“, als sie von der Impfmethode erfuhr, bei der eine Impfdosis in | |
mehrere Injektionen aufgeteilt wird. | |
[10][Nachdem die taz diese Missstände im Februar öffentlich machte], drohte | |
die Krankenhausleitung mit einer Klage. Auch bei manchen taz-Leser:innen | |
stieß die Recherche auf Unverständnis. Einige Abos wurden gekündigt, | |
wütende E-Mails landeten in den Posteingängen der Chefredaktion. Anhand der | |
ähnlichen Schreibweise liegt nahe, dass die Mailaktion abgesprochen war. | |
Wenige Monate später bekam Chefarzt Harald Matthes Ärger – wegen seiner | |
Forschung. Im Rahmen seiner Stiftungsprofessur an der Charité, die von | |
einer anthroposophischen Stiftung finanziert wird, leitete er eine Studie | |
über mögliche Nebenwirkungen der Coronaimpfung. Laut Matthes zeigt die | |
Umfrage, dass Impfnebenwirkungen häufiger auftreten würden als bisher | |
registriert. Die Charité distanzierte sich wegen methodischer Schwächen von | |
der Studie. Ein Problem: Personen sollen doppelt teilgenommen haben. | |
Auch andere angebliche alternative Heilmethoden hatten es in diesem Jahr | |
nicht leicht. Im Mai entschieden die Ärztekammern, keine Weiterbildungen | |
mehr für Homöopathie anzubieten. Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) | |
will prüfen, ob Homöopathika weiterhin von den Krankenkassen übernommen | |
werden sollen. Diese Entwicklung könnte auch ungemütlich für | |
Anthroposoph:innen werden, da sie Krankheiten ebenfalls mit verdünnten | |
Mitteln behandeln, für deren Wirksamkeit es keinen wissenschaftlichen Beleg | |
gibt. | |
Harald Matthes hatte der taz im Februar versprochen, die empirischen Belege | |
für die Wirkung von Meteoreisen gegen eine Coronainfektion nachzuliefern. | |
Noch ist nichts angekommen. | |
## #LinkeMeToo | |
Die Empörung war groß, als im Frühjahr in den sozialen Medien der Hashtag | |
#LinkeMeToo trendete. Sexismusverdacht, ausgerechnet bei einer | |
feministischen Partei? Der Spiegel hatte über Sexismusvorwürfe im | |
hessischen Landesverband berichtet. Susanne Hennig-Wellsow trat unter | |
anderem deswegen von ihrem Amt als Vorsitzende zurück, was die Partei in | |
eine Führungskrise stürzte. | |
[11][Kurz darauf zeigten taz-Recherchen], dass es vor den Vorwürfen aus | |
Hessen bereits einen anderen Fall gab, der bis in die Parteispitze hinein | |
für Ärger gesorgt hatte. In Nürnberg warfen mehrere Parteimitglieder einem | |
Stadtrat sexuelle Übergriffe und Grenzüberschreitungen vor. Sie | |
beschuldigten ihn, sie ohne ihr Einverständnis berührt zu haben, am Gesäß, | |
am Oberschenkel, im Nacken. Die Vorwürfe erreichten auch den Bundesverband. | |
Der Parteivorstand gründete eine Vertrauensgruppe, die die Vorwürfe | |
aufarbeiten sollte, aber zu keinem definitiven Ergebnis kam. Nach dem | |
taz-Bericht traten mehrere Mitglieder aus der Vertrauensgruppe aus, auch | |
aus Protest darüber, wie die Partei mit den Vorwürfen umgeht. | |
Die Linke will ihren Umgang mit Sexismusvorwürfen nun grundlegend | |
überarbeiten. Eine feministische Kommission soll einen Leitfaden | |
erarbeiten, den der Bundesparteitag 2023 verabschieden soll. In jedem | |
Landesverband und auf Bundesebene soll es eine Vertrauensgruppe geben, die | |
Betroffenen von sexistischen Belästigungen und Übergriffen beratend zur | |
Seite stehen und auf Kosten der Partei geschult werden soll. | |
In Bayern sind derweil einige der zentralen Akteure in der Partei | |
aufgestiegen. Die Anwältin des beschuldigten Stadtrats wurde im September | |
zur Co-Vorsitzenden der bayerischen Linken gewählt. Auch der Stadtrat sitzt | |
nun im Landesvorstand. | |
## Wie das Internet im Iran zensiert wird | |
Die Aussagen, mit der die Europäische Union im November einen [12][neuen | |
Eintrag in ihrer Sanktionsliste] begründet, sind deutlich: „Arvan Cloud“ | |
sei ein IT-Unternehmen, das der iranischen Regierung helfe, den Zugang zum | |
Netz zu kontrollieren. Es sei verantwortlich für Zensur und stehe mit | |
Einrichtungen in Verbindung, „die für schwere Menschenrechtsverletzungen in | |
Iran verantwortlich sind“. | |
Gut drei Wochen zuvor hatte die taz eine [13][Recherche über eben jene | |
iranische IT-Firma ArvanCloud veröffentlicht]. In dem Bericht geht es um | |
Verbindungen nach Deutschland, ins Nobelviertel Meerbusch bei Düsseldorf. | |
Mit Kollegen von [14][Correctiv] und [15][netzpolitik.org] hatte die taz | |
aufgedeckt, dass dort ein Netz aus Firmen angesiedelt ist, die mindestens | |
indirekt mit den islamischen Revolutionsgarden, Geheimdiensten und dem | |
Mullah-Regime verbunden sind. Bis vor Kurzem war unter anderem die Webseite | |
Arvancloud.com auf eine deutsche Firma in Nordrhein-Westfalen angemeldet. | |
Auch iranische Regierungswebseiten liefen über die Infrastruktur der | |
deutschen Firma. | |
Sowohl ArvanCloud als auch die deutsche Firma bestreiten die Vorwürfe, an | |
Internetfiltern, Zensur oder dem Aufbau oder Ausbau von nationalen Netzen | |
in Iran seien sie nicht beteiligt. Ein Vertrag beider Firmen sei gekündigt | |
worden. Nach Bekanntgabe der [16][EU-Sanktion kündigte ArvanCloud an, | |
dagegen vorzugehen]. | |
Die taz, Correctiv und netzpolitik.org hatten von einem Vertrag von 2020 | |
zwischen ArvanCloud und dem iranischen Kommunikationsministerium berichtet. | |
ArvanCloud hilft demnach beim Aufbau einer iranischen Cloud-Infrastruktur, | |
wobei dem Regime weitreichende Kontrollbefugnisse eingeräumt werden. | |
Bemühungen um national abgeschottete Netze gibt es auch in China oder in | |
Russland. Das Ziel dabei ist es, die Kosten von Zensur und Abschottung zu | |
verringern. Wenn ein nationales Netz ausgebaut ist, sollen Onlinedienste, | |
Geschäfte und Behörden möglichst ungestört weiterlaufen, obwohl | |
internationale Verbindungen gekappt sind. | |
Das iranische Regime reagiert nach dem Tod der 22-jährigen Jina Mahsa Amini | |
mit massiven Netzblockaden auf die Proteste im Land. Die Organisation von | |
Demos und Berichterstattung soll erschwert werden. [17][Neben Zensur kam es | |
zu Drosselungen des Internets, in einigen Regionen sogar zur kompletten | |
Abschaltung]. Gesperrt werden in Iran auch Social-Media-Netzwerke wie | |
Twitter, Facebook und Instagram sowie Messengerdienste wie Whatsapp oder | |
Signal. Signal wird von einer gemeinnützigen Stiftung getragen und bietet | |
eine sogenannte Ende-zu-Ende-Verschlüsselung an. | |
Die [18][taz war im September einem Aufruf gefolgt, Signal zu | |
unterstützen]. Wie andere richtete die taz einen sogenannten Proxy-Server | |
ein, über den die Kommunikation umgeleitet werden kann. Das macht es den | |
Zensoren in Iran schwerer, Datenverkehr an Signal zu erkennen. Die Adresse | |
kann per E-Mail an [19][[email protected]] angefragt werden. Seit | |
September haben wir Hunderte Anfragen beantwortet. Viele suchen nach einer | |
Möglichkeit, um weiter sicher mit ihren Verwandten in Iran zu | |
kommunizieren. Eine weitere digitale Hilfe für die Menschen in autoritären | |
Regimen ist die Unterstützung des anonymen Tor-Projektes. Die taz stellt | |
auch dafür Infrastruktur zur Verfügung. Privat kann man über eine | |
Erweiterung seines [20][Internet-Browsers namens „Snowflake“] helfen. | |
## Was macht eigentlich Hannibal? | |
Am 20. Januar 2022 fällt das Landgericht Mosbach sein Urteil. Der ehemalige | |
KSK-Soldat André S. alias „Hannibal“ muss wegen des „fahrlässigen | |
unerlaubten Führens von Schusswaffen“ eine Geldstrafe zahlen, 50 Tagessätze | |
à 30 Euro. Im Urteil wird knapp erwähnt, dass es sich um ein Training der | |
„Defence Group“ von Uniter e. V. gehandelt habe. Die Teilnehmer des | |
paramilitärischen Trainings wurden freigesprochen oder die Verfahren | |
eingestellt. | |
[21][Wie die taz 2018 aufgedeckt hatte], wollte Uniter eine bewaffnete | |
Einheit aufbauen und diese sogar ins Ausland schicken. Unter anderem | |
deswegen wird die Organisation inzwischen vom Verfassungsschutz [22][als | |
rechtsextremer Verdachtsfall beobachtet.] All das spielte vor Gericht keine | |
Rolle. Die Verurteilung von André S. in einem Verfahren vor dem Landgericht | |
Stuttgart aus dem Sommer (75 Tagessätze wegen unerlaubten Besitzes von | |
Nebelgranaten und Übungshandgranatenzündern) ist noch nicht rechtskräftig. | |
Das Wort „rechtsextrem“ kommt in beiden Urteilen nicht vor. Zwar wird das | |
Hannibal-Netzwerk inzwischen [23][von den Sicherheitsbehörden sehr ernst | |
genommen], aber juristische Konsequenzen fallen davon mitunter weit ab. Das | |
ist bei einem prominentem Mitglied des Netzwerkes anders. Der | |
Bundeswehroffizier [24][Franco A. wurde im Juli als Rechtsterrorist | |
verurteilt,] in der Urteilsbegründung wurde auch auf seine Vernetzung in | |
der Prepperchatgruppe Süd verwiesen. | |
Die Terrorermittlungen gegen zwei Mitglieder der Preppergruppe Nordkreuz | |
[25][hat der Generalbundesanwalt vor einem Jahr hingegen eingestellt.] Für | |
andere (ehemalige) Mitglieder gab es bereits Konsequenzen, oft aber nur | |
dienstrechtlich. Im Frühjahr wurde Anklage gegen den Mann erhoben, über | |
dessen Schießplatz sich die Nordkreuz-Leute Munition beschafften und der | |
dem damaligen Innenminister Lorenz Caffier (CDU) eine Waffe schenkte. Auch | |
der Mitarbeiter einer Waffenbehörde ist angeklagt. [26][Es geht unter | |
anderem um einen mutmaßlichen Verstoß gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz | |
und versuchte Strafvereitelung.] Das Landgericht Schwerin hat bis heute | |
nicht entschieden, ob es den Fall verhandeln wird. Ein Gerichtssprecher | |
verweist auf die dauerhafte Erkrankung der Vorsitzenden der zuständigen | |
Strafkammer. Es sei mit einer „Eröffnungsentscheidung und Terminierung in | |
dieser Sache, zumindest kurzfristig, nicht zu rechnen“. | |
25 Dec 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Angriff-auf-Fastfood-Lieferanten/!5883867 | |
[2] /Rassismus-beim-Rettungsdienst/!5879278 | |
[3] /Rechte-Retter-und-die-Folgen/!5887459 | |
[4] /Fuehrung-des-Umweltverbands-WWF/!5850257 | |
[5] /Brandes-verlaesst-Naturschutzorganisation/!5853426 | |
[6] /Polizeieinsatz-gegen-rechte-Verschwoerer/!5901826 | |
[7] /Ermittlungen-gegen-Terrorgruppe/!5903053 | |
[8] /Rechtsextreme-bei-der-Bundestagspolizei/!5777254 | |
[9] /Rechte-bei-der-Bundestagspolizei/!5827253 | |
[10] /Anthroposophisches-Krankenhaus-Havelhoehe/!5830435 | |
[11] /MeToo-bei-der-Linkspartei/!5846760 | |
[12] /Strafmassnahmen-gegen-Iran/!5894895 | |
[13] /Iranische-Tarnfirmen-in-Deutschland/!5885984 | |
[14] https://correctiv.org/aktuelles/2022/10/20/wie-der-iran-deutsche-verbindun… | |
[15] https://netzpolitik.org/2022/meerbusch-iran-connection-deutsche-firma-in-a… | |
[16] https://twitter.com/ArvanCloud/status/1592195257139359744?s=20&t=FPvka… | |
[17] /NetBlocks-Gruender-ueber-Internet-im-Iran/!5880188 | |
[18] /Reaktion-auf-Unterdrueckung-in-Iran/!5883510 | |
[19] /[email protected] | |
[20] https://snowflake.fiff.de | |
[21] /taz-Recherche-zu-rechtem-Netzwerk/!5557397 | |
[22] /Uniter-und-der-Verfassungsschutz/!5697547 | |
[23] /Nach-Razzia-bei-Reichsbuergern/!5901948 | |
[24] /Prozess-gegen-Franco-A/!5865056 | |
[25] /Rechtsextreme-Preppergruppe-Nordkreuz/!5829891 | |
[26] /Rechtsextreme-Preppergruppe-Nordkreuz/!5842500 | |
## AUTOREN | |
Kersten Augustin | |
Sebastian Erb | |
Jean-Philipp Baeck | |
Sophie Fichtner | |
Anne Fromm | |
## TAGS | |
Investigativer Journalismus | |
Lesestück Recherche und Reportage | |
Rechtsextremismus | |
Schwerpunkt Coronavirus | |
Schwerpunkt #metoo | |
GNS | |
Schwerpunkt Hannibals Schattennetzwerk | |
Rabbi | |
Proteste in Iran | |
Schwerpunkt Stadtland | |
Kolumne Das bisschen Haushalt | |
Proteste in Iran | |
Lesestück Recherche und Reportage | |
Deutsche Burschenschaft | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Große taz-Recherchen 2023: Was danach geschah | |
Journalismus deckt Missstände auf. Und dann? Ein Blick zurück auf einige | |
taz-Recherchen des zu Ende gehenden Jahres – und auf ihre Folgen. | |
Sanktionen gegen iranisches IT-Unternehmen: ArvanCloud auf der Blacklist | |
Das US-Finanzministerium sperrt Vermögen und verbietet Geschäfte mit der | |
iranischen Firma. Sie habe Verbindungen zum iranischen Geheimdienst. | |
78. Jahrestag der Befreiung: Und jährlich grüßt das Murmeltier | |
Am 8. Mai gedenkt man des Kriegsendes und der Opfer des deutschen | |
Faschismus. Beim Blick auf die Gegenwart fehlt es allerdings an | |
Achtsamkeit. | |
Journalismus und Haushalt: Dem Moloch geopfert | |
Eitel ist der Journalismus. Sehr eitel. Aber irgendwer muss die Bude | |
putzen, bevor wieder neuer Dreck entstehen kann. | |
Iranische Tarnfirmen in Deutschland: Die Iran-Connection von Meerbusch | |
Eine iranische IT-Firma hilft in Iran bei der Internet-Abschottung. Ihr | |
Ableger in Deutschland hilft, die US-Sanktionen zu vermeiden. | |
Rassismus beim Rettungsdienst: Rechte Retter | |
Hass auf Geflüchtete, Nazi-Geburtstage im Kalender, rassistische Chats: | |
Rettungskräfte haben ein Problem mit Rechtsextremismus in den eigenen | |
Reihen. | |
Rechte bei der Bundestagspolizei: Bursche und Bauernopfer | |
Nach einem Rechtsextremismus-Skandal wurde ein neuer Sicherheitschef im | |
Bundestag eingesetzt. Der steht politisch selbst rechts außen. |