# taz.de -- NetBlocks-Gründer über Internet im Iran: „Es kommt zum Informat… | |
> In Iran hat das Regime den Zugang zum Internet eingeschränkt. Alp Toker | |
> erklärt, wie das funktioniert und welche Alternativen die Menschen haben. | |
Bild: In Berlin solidarisieren sich Demonstrierende mit den Protesten in Iran | |
taz: Herr Toker, welche Möglichkeiten haben Staaten, [1][wie momentan | |
Iran], die das Internet blockieren wollen? | |
Alp Toker: Wichtig ist hier die Terminologie: In Iran sehen wir derzeit | |
keine Blockade, sondern Internetunterbrechungen. Es gibt mehrere Optionen: | |
Staaten können bestimme soziale Medien blockieren, etwa Whatsapp und | |
Instagram. Das erfolgt am Gateway in Iran. Wenn eine solche zentrale | |
Entscheidung getroffen wird, sind diese Plattformen bei keinem | |
Internetanbieter im Land mehr zugänglich. | |
Welche weiteren gibt es? | |
Regionale Internetunterbrechungen. Dabei wird die zur Übertragung benötigte | |
Technik, etwa Funkmasten, in bestimmten Regionen abgeschaltet. Iran hat | |
immer wieder auch die internationale Konnektivität unterbrochen, und seine | |
nationale Internetinfrastruktur aktiviert, wodurch nur noch inländische | |
Websites und Plattformen wie Banken verfügbar sind. Die iranischen | |
Plattformen werden aber stark zensiert und überwacht. | |
In welchen Staaten geht es Ihrer Einschätzung nach am härtesten zu in Bezug | |
auf Internetunterbrechungen? | |
Iran gehört zu den schlimmsten Übeltätern: Die anhaltenden Unterbrechungen | |
führen zu einem vollständigen Informationsvakuum. Dies ist vor allem auf | |
die permanente Zensur der wichtigsten Social-Media-Plattformen | |
zurückzuführen. Ein weiteres Land, das das Internet weitreichend | |
beschränkt, ist China. Internetsperren sind hier nicht in der gleichen | |
Weise nötig, wie im Iran, weil die Behörden die öffentliche | |
Meinungsäußerung fest im Griff haben. Auch viele Länder in Afrika | |
unterbrechen das Internet auf nationaler Ebene, etwa während Wahlen. | |
Zentralasien und Lateinamerika sind ebenfalls Brennpunkte. | |
Können diese verschiedenen Arten der Unterbrechung umgangen werden? | |
Wenn einzelne Seiten blockiert werden, können VPNs effektiv sein, obwohl | |
auch diese beschränkt werden können. Wenn die nationale | |
Internetinfrastruktur aktiv ist, ist es manchmal möglich, über ein | |
Zwischen-Gateway in die Außenwelt zu gelangen. Das ist jedoch technisch | |
sehr aufwendig und für die meisten Nutzer nicht individuell möglich. Bei | |
einer totalen oder nahezu totalen Abschaltung des Internets sind die | |
Möglichkeiten noch eingeschränkter, da gar keine Konnektivität, also | |
Verbindungsfähigkeit mehr vorhanden ist. | |
In den sozialen Medien [2][wird Elon Musk dazu aufgefordert, | |
Starlink-Satelliten für die protestierenden Menschen in Iran freizugeben.] | |
Könnte das eine Lösung sein? | |
Satellitentechnologie im erdnahen Orbit – wie Starlink – könnte es Menschen | |
ermöglichen, während einer Internetabschaltung eine Netzwerkverbindung über | |
einen Satellit herzustellen. Es gibt jedoch zahlreiche Herausforderungen: | |
Elon Musk hat zwar eine Ausnahmeregelung von den US-Ausfuhrbestimmungen für | |
Iran beantragt, doch die Einfuhr der Geräte könnte schwieriger werden, da | |
das iranische Regime die Einfuhr nichtregulierter Geräte in das Land kaum | |
zulassen wird. | |
Es besteht die Gefahr, dass diese Geräte als Schmuggelware angesehen werden | |
und ihr Besitz die Nutzer in Gefahr bringen könnte. Letztlich ist es eine | |
Risiko-Nutzen-Entscheidung, die jeder einzelne treffen muss, wenn er | |
glaubt, dass er diese Konnektivität braucht. Darüber hinaus besteht die | |
logistische Herausforderung, diese Geräte zu transportieren. | |
Starlink-Terminals werden in der Regel als Hotspots verwendet, sodass ein | |
Gerät eine Handvoll Internetnutzer unterstützen kann. Eine Ausweitung auf | |
eine breitere Bevölkerung ist im Moment unwahrscheinlich. | |
Welche Geräte braucht man denn, um sich mit Starlink verbinden zu können? | |
Man braucht eine Satellitenschüssel und einen WiFi-Router – wenn dieser | |
verbunden ist, wird er zu einem WiFi-Hotspot für andere. Aber das wird | |
nicht über ein Dutzend Benutzer hinausgehen. Es ist also eine Lösung für | |
bestimmte Nutzer oder Gruppen, etwa Journalisten oder | |
Menschenrechtsbeobachter. Eine Lösung für die breite Öffentlichkeit ist es | |
derzeit nicht. | |
Die Unterbrechung des Internets in Iran ist temporär – kann das Regime das | |
dauerhaft aufrechterhalten? | |
Es gibt eine Kosten-Nutzen-Kalkulation für jede Unterbrechung des | |
Internets. Die Lage der Wirtschaft, aber auch die öffentliche Wahrnehmung | |
sind Faktoren, die eine Rolle spielen. Iran hat versucht, den Effekt einer | |
Unterbrechung des Internets auf etwa den Handel durch die Förderung eines | |
unabhängigen inländischen Internets abzumildern. | |
Iran ist trotz der Zensur und der Beschränkungen ein gut vernetztes Land, | |
die Abschaltung des Internets auf nationaler Ebene auf lange Sicht keine | |
praktikable Politik. Eine Schätzung, die uns vorliegt, besagt, dass ein | |
einziger Tag einer hypothetischen Internetabschaltung in Iran das Land 40 | |
Millionen US-Dollar kosten könnte. Das Land ist also nach wie vor in hohem | |
Maße von dieser Konnektivität abhängig. | |
26 Sep 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Proteste-in-Iran/!5880016 | |
[2] /Anhaltende-Proteste-in-Iran/!5883516 | |
## AUTOREN | |
Lisa Schneider | |
## TAGS | |
Internet | |
Schwerpunkt Iran | |
Protest | |
Internetzugang | |
Proteste in Iran | |
Proteste in Iran | |
Schwerpunkt Überwachung | |
Proteste in Iran | |
Proteste in Iran | |
Schwerpunkt Iran | |
Proteste in Iran | |
Schwerpunkt Iran | |
Schwerpunkt Iran | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Journalist über Medien in Iran: „Besorgniserregende Berichte“ | |
Journalist*innen in Iran werden zensiert, verhaftet, gefoltert. Sherif | |
Mansour von der Presserechts-NGO CPJ fordert internationale Untersuchungen. | |
Iranische Tarnfirmen in Deutschland: Die Iran-Connection von Meerbusch | |
Eine iranische IT-Firma hilft in Iran bei der Internet-Abschottung. Ihr | |
Ableger in Deutschland hilft, die US-Sanktionen zu vermeiden. | |
„Freedom on the Net“-Report: Das Internet wird immer unfreier | |
Der Kampf um Informationsfreiheit wird international härter. Das stellt | |
der diesjährige „Freedom on the Net“-Report fest. | |
Iran-Expertin über Proteste: „Potenzial der Zivilgesellschaft“ | |
Die Reformer haben als liberale Kraft ausgedient, sagt Iran-Expertin Azadeh | |
Zamirirad. Doch in der Zivilgesellschaft könnte neue Solidarität wachsen. | |
#IranRevolution2022: „Wir sind einig wie nie“ | |
Viele halten die Proteste im Iran für den Anfang vom Ende des | |
Mullah-Regimes. Auch im Exil ist die Hoffnung groß: vier Berliner*innen | |
erzählen. | |
Proteste in Iran: Über 1.200 Menschen verhaftet | |
Das Regime verhaftet, tötet und verletzte Protestierende. Angesichts des | |
gewaltsamen Vorgehens bestellt die Bundesregierung Irans Botschafter ein. | |
Proteste in Iran: Aus für die Islamische Revolution | |
Die Hidschab-Proteste richten sich auch gegen die klerikale, korrupte | |
Führung. Es geht um die Abschaffung der Islamischen Republik. | |
Frauenrechte im Iran: Protest mit kurdischem Antlitz | |
Im gesamten Iran demonstrieren Menschen für mehr Frauenrechte. Dabei spielt | |
auch die Diskriminierung von Kurd:innen eine große Rolle. | |
Anhaltende Proteste in Iran: Aufstände im ganzen Land | |
Die Demonstrationen gegen die Regierung in Iran gehen unvermindert weiter. | |
Videos zeigen jubelnde Demonstrant:innen und schießende Polizei. |