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# taz.de -- Proteste in Iran: Minoo, Ali, Nika, Danya …
> Seit Wochen demonstrieren Zehntausende gegen das Regime. Viele von ihnen
> kamen dabei ums Leben oder sind inhaftiert. Sieben Gesichter der Revolte.
Bild: Street Art in Paris
Sieben Gesichter der Revolte.
## Minoo Majidi
Am 20. September wurde Minoo Majidi, als sie in der Stadt Kermanschah, nahe
der Grenze zu Irak, protestierte, von bewaffneten Kräften des Regimes in
den Kopf geschossen. Das [1][berichtete die Menschenrechtsorganisation
Hengaw]. Am 22. September wurde die kurdische Iranerin und mehrfache Mutter
beerdigt. Bei der Zeremonie sangen die Trauernden den kurdischen Slogan
„Jin, Jiyan, Azadî“ (Frau, Leben, Freiheit), der weltweit zum Schlachtruf
der Proteste geworden ist, und riefen „Tod dem Diktator!“. Über der Menge …
so zeigt es [2][ein Video im sozialen Netzwerk Twitter] – schwenkten sie
Kopftücher. Symbolisch für die Proteste wurde auch [3][ein Bild einer der
Töchter Majidis]: Sie steht am Grab ihrer Mutter, in der Hand ihre
abgeschnittenen Haare, um den Hals einen weißen Schal. Unter dem Hashtag
[4][#whitewednesdays] teilen Frauen seit 2018 ihren Protest gegen die
Kopftuchpflicht in Iran mit der Welt – wer dagegen ist, trägt etwas Weißes
an sich.
## Ali Daei
„Freiheit für Ali Daei & alle Protestierenden im Iran“ stand am vergangenen
Samstag auf zwei Bannern im Berliner Olympiastadion. Die Hertha-Fans
solidarisierten sich beim Heimspiel gegen den SC Freiburg mit ihrem
ehemaligen Spieler. Teheran hatte dem 53-Jährigen den Pass entzogen,
nachdem sich Daei in den sozialen Medien auf die Seite der Protestierenden
gestellt hatte. Mittlerweile hat er nach eigenen Aussagen seine
Ausweispapiere zurückbekommen. Daei lief von 1999 bis 2002 für Hertha auf.
Davor war er in der Bundesliga für Bielefeld und die Bayern aktiv. In Iran
ist Daei sehr prominent und mit 109 Länderspieltoren eine Fußballikone.
Doch in der Bevölkerung ist er umstritten, teilweise sogar unbeliebt. Daei
galt lange als Nutznießer des Regimes und übte keine Kritik an den Mullahs.
Das hat sich nun geändert. Welchen Preis er dafür noch zahlen wird, ist
offen.
## Nika Shakarami
Am 20. September verschwand Nika Shakarami während der Proteste in Teheran
und wurde zehn Tage später tot von ihrer Familie identifiziert. Am 2.
Oktober wäre sie 17 Jahre alt geworden – es wurde der Tag ihrer Beerdigung.
Zu den Protesten soll Shakarami mit einem Handtuch und einer Flasche Wasser
losgezogen sein – vermutlich, um sich vor Pfefferspray zu schützen. Online
wurde ein Video von ihr tausendfach geteilt: Breitbeinig, die Harre offen,
singt sie in ein Mikro. Immer wieder dreht sie sich lachend zur Seite. Kurz
nach den [5][Protesten in Teheran am 20. September] sagte sie in ihrer
letzten Nachricht, dass Sicherheitskräfte sie verfolgen würden, wie ihre
Tante der BBC berichtete. Danach fehlte von Nika Shakarami jede Spur. Die
iranischen Behörden gaben an, sie sei von einem Haus gestürzt. [6][Ihre
Familie glaubt das nicht.] Um eine Beerdigungsfeier oder Pilgerstätte zu
verhindern, soll das Regime die Leiche gestohlen und weit weg ihrem
Heimatdorf vergraben haben.
## Danya Rad
Am 29. September wurde Danya Rad in Teheran festgenommen. Der Grund: Sie
war frühstücken gegangen, ohne Hidschab. Nach dem Tod Jîna Mahsa Aminis
ein Zeichen des Protests im Alltag. Ein Bild davon wurde in den sozialen
Medien geteilt. Rads Schwester Dina [7][teilte am Tag darauf auf Instagram]
mit, dass Danya festgenommen und ins berüchtigte Teheraner Evin-Gefängnis
gebracht worden war. Nicht nur das Bild, auf dem Rad – neben ihr eine
weitere junge Frau ohne Kopftuch – isst, wurde berühmt. Sondern auch eines,
welches dasselbe Lokal, dieselben Tische und Stühle zeigt – menschenleer.
Die Journalistin Golnaz Esfandiari, die für Radio Liberty über Iran
berichtet, [8][schrieb auf Twitter]: Ihr 54-jähriger Vater habe das Café im
Süden der Stadt aufgesucht, dokumentiert, wo Rad saß, und gesagt: „Wir
warten.“ Das Warten hat mittlerweile ein Ende: [9][Am 9. Oktober wurde
Danya Rad] auf Kaution freigelassen.
## Sarina Esmailzadeh
Am 23. September starb die 16-jährige Sarina Esmailzadeh. Polizisten sollen
sie bei Protesten in der Stadt Karadsch mit Schlagstöcken totgeprügelt
haben, wie Menschenrechtsorganisationen berichten. Esmailzadeh nutzte
schon [10][vor den Protesten soziale Medien, um in Videos] für Frauenrechte
zu sprechen, in denen sie sich auch gegen den verpflichtenden
[11][Hidschab] aussprach. Andere Videos zeigen, wie sie singt, tanzt oder
über Freiheit philosophiert. Außerdem war sie Fan des Fußballvereins
Borussia Dortmund. Bei dessen Spiel in der vergangenen Woche gedachten ihr
BVB-Fans mit einem Banner. Der Verein reagierte [12][auf Twitter]: „Wir
stehen an der Seite der mutigen Frauen im Iran.“ Die iranischen Behörden
geben an, Sarina Esmailzadeh sei von einem Haus in den Tod gesprungen. Laut
dem unabhängigen Fernsehsender [13][Iran International] mit Sitz in London
setzt die Islamische Republik Esmailzadehs Eltern unter Druck und versucht,
die Umstände des Todes zu verschleiern.
## Shervin Hajipour
Er schenkte den Sehnsüchten der Protestierenden seine Stimme. [14][In
seinem Lied] „baray-e azadii“ (Für die Freiheit) vertont Shervin Hajipour
die Tweets von Iranerinnen und Iranern, in denen sie schreiben, wofür sie
auf der Straße ihr Leben riskieren. „baray-e“ bedeutet im Persischen „f�…
oder „wegen“. Für das Tanzen auf der Straßen und wegen der Furcht, den
Geliebten in der Öffentlichkeit zu küssen, singt der junge Mann gefühlvoll
in sein Mikrofon, während die Kamera auf ihn gerichtet ist. Das Video zum
Song geht viral. Dass Teheran versucht, es zu zensieren, machte es nur noch
bekannter. [15][Mittlerweile hat sich der 25-jährige Sänger teilweise von
seinem Werk distanziert] – nachdem ihn das Regime festgenommen hatte und
nur gegen Kaution freiließ. In einer Stellungnahme auf Instagram bedauerte
Hajipour, dass sein Protestsong von „ausländischen Bewegungen (…) politisch
unangemessen“ genutzt werde. Das klingt nach einer Aussage unter Zwang.
Denn genau mit dieser propagandistischen These versuchen die Machthabenden,
die Proteste zu delegitimieren.
## Mahsa Jina Amini
Am 16. September starb die iranische Kurdin Mahsa Jina Amini in der
Teheran. Drei Tage vorher warf die Sittenpolizei ihr vor, sie trage ihren
Hidschab nicht richtig und nahm sie fest. Augenzeugen berichten, die
Polizisten haben sie bereits im Auto geschlagen, aber verifizieren lässt
sich das nicht. Unumstritten ist, [16][dass Amini ins Koma fiel].
Staatliche Behörden bestreiten, dass der [17][Staat schuld an ihrem Tod
sein könne]. Sie habe Vorerkrankungen gelitten und sei daran gestorben,
behaupten die Behörden. Ihre Eltern dementieren das: Die 22-Jährige war
gesund – bevor die Polizei sie aufgriff. Mahsa Jina Amini wurde 1999
geboren und wuchs in der Stadt Saqqez auf, die in der iranischen Provinz
Kurdistan liegt. Während in ihrem Pass der persische Name Mahsa stand,
nutzten ihre Eltern eher den kurdischen Namen Jina (auch Zhina
geschrieben). Obwohl sie selbst nicht politisch aktiv war, gilt ihr Tod
[18][als der Auslöser für die Proteste] gegen das Mullah-Regime.
16 Oct 2022
## LINKS
[1] https://hengaw.net/en/news/a-woman-was-killed-in-kermanshah-protests
[2] https://twitter.com/indypersian/status/1572892541053456384?s=20&t=2RUD2…
[3] https://twitter.com/JafiOmid/status/1577441499117064192?s=20&t=DqUNFJU_…
[4] /Nach-dem-Tod-von-Mahsa-Zhina-Amini/!5881370
[5] /Frauenrechte-in-Iran/!5879645
[6] https://www.bbc.com/news/world-middle-east-63170486
[7] http://www.instagram.com/p/CjG1EsQN_nb/
[8] https://twitter.com/GEsfandiari/status/1577900162223071233?s=20&t=qnVsf…
[9] https://twitter.com/DinaRad86/status/1579112744103870464?s=20&t=qnVsfM7…
[10] https://www.theguardian.com/world/video/2022/oct/07/iran-further-protests-…
[11] /Proteste-in-Iran/!5880182
[12] https://twitter.com/bvb/status/1578774641396842496
[13] https://www.iranintl.com/en/202210074997
[14] https://www.youtube.com/watch?v=XrvpRb2jY1M
[15] https://www.dw.com/de/iran-shervin-hajipour-distanziert-sich-von-seinem-pr…
[16] /Nach-dem-Tod-von-Mahsa-Zhina-Amini/!5881370
[17] https://www.tagesschau.de/ausland/asien/iran-proteste-amini-107.html
[18] /Proteste-in-Iran/!t5884344
## AUTOREN
Jannis Holl
David Muschenich
Lisa Schneider
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Kolumne La dolce Vita
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