# taz.de -- Fehlende muslimische Solidarität: Fadenscheinige Ausreden | |
> Das habe nichts mit dem Islam zu tun: So lautet die Ausrede für die | |
> Verbrechen des iranischen Regimes. | |
Bild: Menschen solidarisieren sich in Berlin mit Protestierenden im Iran | |
Es ist schon erstaunlich: In Ostkurdistan, Iran und Afghanistan gehen | |
Feminist*innen unter Lebensgefahr auf die Straße, und die Solidarität | |
vieler migrantischer Menschen und Organisationen hierzulande hält sich bei | |
denjenigen, die bei antimuslimischem Rassismus zu Recht lange laut sind und | |
dazu arbeiten, in Grenzen. | |
Das hat verschiedene und immer fadenscheinige Gründe. Einer ist, dass man | |
denkt, was dort passiert, habe ähnlich wie bei islamistischen Anschlägen | |
nichts mit dem Islam zu tun. Auch Außenministerin Annalena Baerbock | |
bedient diese These, etwa in der aktuellen Stunde im Bundestag zum Thema | |
Iran nach Jina (Mahsa) Aminis Tod. Wie man darauf kommt, einem Regime, das | |
jede einzelne Entscheidung mit dem Islam begründet, genau das abzusprechen, | |
bleibt ein Rätsel und [1][schwächt den Kampf gegen Islamismus.] | |
Auch bei einigen Muslim*innen ist diese These zu einem Abwehrreflex | |
geworden, den man bei Weißen, wenn es um ihren Rassismus geht, so oft | |
kritisiert. Baerbocks Worte im Bundestag und anderswo zu ihrer | |
feministischen Politik kann man so lange nicht ernst nehmen, wie ihre | |
unfeministischen Taten, wie das Durchwinken von Waffenexporten für | |
Saudi-Arabien, gegen sie sprechen. | |
An viele Muslim*innen muss man aber offenbar appellieren, sich endlich | |
mit allen Mitteln gegen Islamismus zu stellen und dieses Feld nicht Rechten | |
zu überlassen. Dafür muss man sich damit auseinandersetzen und kann nicht | |
einfach sagen, das hat mit mir nix zu tun. Damit bedient man auch keinen | |
antimuslimischen Rassismus, denn es geht um Systeme und Menschen, die den | |
Islam als Grundlage für die Unterdrückung von anderen benutzen, auf | |
politischer, gesellschaftlicher und kultureller Ebene, im privaten wie im | |
öffentlichen Leben, auch hier in Deutschland. So selbstbewusst muss man | |
schon sein, das zu durchschauen. | |
## An die eigene Nase fassen | |
Die feministischen Proteste in Ländern wie Iran, wo Frauen mit Hidschab | |
neben Frauen ohne Kopftuch demonstrieren, könnten hier zum Anlass genommen | |
werden, eigene islamisch-patriarchale Strukturen genauer zu untersuchen. Wo | |
bleibt die Soli mit denjenigen, die auch hier zu bestimmten Dingen | |
gezwungen werden, die ihren Mann um Erlaubnis fragen müssen, die ihren | |
Freund verheimlichen müssen, die nicht queer sein dürfen, die Gewalt | |
erfahren? Wo bleibt die Solidarität mit den Frauen und Queers in den | |
Heimatländern der Eltern, in denen man so gerne Urlaub macht und die auch | |
starke feministische Bewegungen haben? | |
Es kann doch nicht sein, dass Tausende Frauen und Queers in islamisch | |
geprägten Ländern ihr Leben für die Freiheit lassen, und hier entscheidet | |
man sich dafür, in einer Opferhaltung auszuharren, deren teils | |
islamistischen Ursprung man nicht hinterfragt. Handfeste Solidarität ist | |
nicht nur nötig, sondern auch eine Chance für das Erstarken feministischer | |
Bewegungen hier und überall, gegen Rechte und eben Islamist*innen. | |
5 Oct 2022 | |
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## AUTOREN | |
Amina Aziz | |
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