# taz.de -- Proteste in Iran: Der Vollständigkeit halber | |
> Die Revolution auf ein singuläres Ereignis zu reduzieren, ist falsch. | |
> Fünf Punkte, um ein realistisches Gesamtbild Irans zu bekommen. | |
Bild: Berlin, 22. Oktober: Protest gegen die Regierung in Iran | |
1. Die Iran-Politik der Bundesregierung und der EU ist reaktionär. Sie ist | |
eine gestrige Auffassung von Sicherheitspolitik, statt der radikalen | |
Durchsetzung von Demokratie und der Beachtung von Menschenrechten. | |
Weder wird die Machtelite von Iran isoliert (selbst mit den | |
Revolutionsgarden auf einer Sanktionsliste), noch wird der Atomdeal beendet | |
oder werden wirtschaftliche Interessen zurückgestellt. Demokratische Kräfte | |
werden kaum unterstützt, etwa durch die Bereitstellung von Internet oder | |
die Forderung, politische Gefangene freizulassen. | |
Das Festhalten des Westens am iranischen Regime geht auf Kosten der | |
iranischen Bevölkerung. Wohlstandssicherung um jeden Preis aufgrund von | |
Eigeninteressen ist im Westen nichts Neues, aber verstaubt. Dabei kann man | |
davon ausgehen, dass ein demokratischer Iran kein Interesse an einer | |
Atombombe hätte, dafür aber an wirtschaftlichen Beziehungen. Solche | |
Einschätzungen als unrealistisch abzutun, zeugt von einer einfallslosen, | |
hängengebliebenen Politik. | |
2. [1][Revolutionen passieren nicht über Nacht]. Die Revolution von 1979 | |
hatte, je nachdem welche Vorfälle man dazu zählt, mindestens ein Jahr | |
Vorlauf. Im Grunde war der politische Iran des 20. Jahrhunderts geprägt von | |
Kämpfen zwischen Anhänger*innen der Monarchie und ihren Gegner*innen. | |
## Demokratische Politik ist möglich | |
3. Es ist keine Voraussetzung für eine Revolution, einen Plan fürs Danach | |
zu haben. Es wäre das Ideal. Tägliche Gewalt, kaum Internet und Telefonie | |
erschweren es erheblich, sich zu organisieren. Im Land selbst gibt es genug | |
Frauen und andere, die demokratische Politik gestalten können. Nur weil das | |
hierzulande nicht bekannt ist, heißt es nicht, dass es sie nicht gibt. | |
4. Anzunehmen, die Menschen in Iran wüssten nicht, wie stabil das | |
[2][Regime in seinen Machtstrukturen] ist, ist überheblich. Die Proteste | |
sind auch deswegen so radikal und kompromisslos, weil sie genau das | |
verstanden haben. Befürchtungen, spätestens nach dem Tod des Obersten | |
Führers Ali Chamenei könnte ein Nachfolger oder das Militär übernehmen, | |
rühren aus diesem Bewusstsein. | |
5. Es ist okay als Journalist*in, gegen eine Diktatur zu sein. Doch die | |
Frage muss erlaubt sein, ob man lediglich Stimmen aus Iran verstärken oder | |
auch über die reale Stabilität des Regimes, internationale Kontexte und | |
Hindernisse einer Revolution berichtet. Passiert das nicht, läuft man | |
Gefahr, zwar laut das Regime zu kritisieren und Menschen Hoffnung zu | |
machen, aber die Interessen anderer Länder, die Profiteure des Regimes | |
inner- und außerhalb Irans und Einschätzungen außenpolitischer | |
Expert*innen in den Hintergrund zu drängen. | |
So entsteht ein unvollständiges Bild, das auf die Aufzählung von | |
Geschehnissen im Rahmen eines singulären Ereignisses einer Revolution in | |
Iran reduziert ist. | |
2 Nov 2022 | |
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## AUTOREN | |
Amina Aziz | |
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