| # taz.de -- Frauenrechte in Iran: Wut und Trauer | |
| > Nach dem Tod einer 22-Jährigen halten die Proteste im ganzen Land an. | |
| > Frauen werden vom iranischen Rechtssystem systematisch benachteiligt. | |
| Bild: Frauen fliehen vor der Polizei während eines Protestes gegen den Tod ein… | |
| Berlin taz | In Iran gehen Tausende – [1][vor allem Frauen] – auf die | |
| Straße, [2][um ihre Wut und Trauer] über den Tod von Mahsa Amini | |
| auszudrücken. Die 22-Jährige aus der Stadt Saqqez in der Provinz Kurdistan | |
| war am Dienstag vergangener Woche in Teheran von der Sittenpolizei | |
| festgenommen worden, weil sie ihr Kopftuch nicht gemäß der strikten Regeln | |
| des Regimes trug. Daraufhin brachte die Polizei sie auf die Wache. | |
| Nach Polizeiangaben war sie dort wegen Herzversagens zunächst in Ohnmacht | |
| und danach ins Koma gefallen. Nach drei Tagen soll sie im Krankenhaus | |
| gestorben sein. Aminis Vater sagte dem kurdischen Medium Rudaw jedoch, dass | |
| die Polizei lüge. Zeug*innen hätten gesehen, wie die Polizei den Kopf | |
| seiner Tochter gegen die Scheibe des Polizeiautos geschlagen habe, was zu | |
| einer Hirnblutung führte. Die Klinik, die Amini behandelt hatte, schrieb | |
| nach ihrem Tod auf Instagram, die junge Frau sei bereits bei der Aufnahme | |
| in die Klinik hirntot gewesen – das Krankenhaus hat den Post inzwischen | |
| gelöscht. | |
| Aus Solidarität mit Amini nahmen Frauen landesweit ihre Kopftücher ab oder | |
| schnitten sich Haarsträhnen ab, wie Videos in den Sozialen Medien zeigen. | |
| Frauen werden vom iranischen Rechtssystem systematisch benachteiligt. Im | |
| Erbrecht, bei Entschädigungszahlungen oder Aussagen von Zeug*innen vor | |
| Gericht zählen ihre Stimmen nur halb so viel wie die der Männer. Das | |
| iranische Zivil- und Strafrecht basiert auf schiitisch-islamischen | |
| Gesetzen. Im öffentlichen Raum müssen Frauen nicht nur Kopftücher, sondern | |
| auch lange Überwürfe tragen, die Knöchel sollen bedeckt sein. | |
| Amini war Kurdin. In ihrer Heimatprovinz Kurdistan gingen etliche Menschen | |
| auf die Straße. In der Stadt Diwandareh sollen die Sicherheitskräfte | |
| [3][nicht unabhängig bestätigten Berichten zufolge] scharf geschossen | |
| haben. Kurdische Parteien und zivilgesellschaftliche Organisationen haben | |
| zu einem Generalstreik in den kurdischen Gebieten des Iran aufgerufen. | |
| ## Kurd*innen werden diskriminiert | |
| Die kurdischen Regionen in Iran werden seit Jahrzehnten diskriminiert. Rund | |
| 12 Millionen Kurd*innen machen etwa 20 Prozent der Bevölkerung aus. Sie | |
| haben ihre eigene Sprache und Kultur und sind größtenteils Sunnit*innen | |
| in einem Land mit schiitischen Regeln und Gesetzen. Zwar gibt es kein | |
| Gesetz, das kurdische Namen explizit verbietet, doch bei der | |
| Namensregistrierung genehmigen die Beamt*innen kurdische Namen häufig | |
| nicht – auch Mahsas Vorname ist wohl eigentlich Zhina. | |
| An mehreren Orten riefen die Protestierenden: „Tod der Diktatur“ oder: „W… | |
| fürchten uns nicht, wir sind alle zusammen“ – eine Parole, die vor allem | |
| während der Demonstrationen nach der umstrittenen Präsidentschaftswahl 2009 | |
| bekannt geworden war. Bereits damals entschieden iranische Behörden, vor | |
| geplanten Protesten der Opposition das Internet abzuschalten. | |
| So reagierte das Regime auch auf die derzeitigen Proteste. Daten der in | |
| London ansässigen Organisation [4][NetBlocks], die die Zugänglichkeit des | |
| Internets überwacht, zeigen, dass das Internet in Teheran und anderen | |
| Teilen Irans am Freitag, als die ersten Proteste ausbrachen, unterbrochen | |
| war. In Sanandaj, im Westen des Iran, war der Internetdienst am Montagabend | |
| über mehrere Stunden nahezu vollständig ausgeschaltet. | |
| Dennoch verbreiteten Menschen über die sozialen Medien Videos der Proteste. | |
| So zeigt ein Video ein 10-jähriges Mädchen, das von Staatskräften | |
| angeschossen wurde. Die iranisch-kurdische Menschenrechtsorganisation | |
| Hengaw hat versucht, die Videos und Fotos aus dem Iran auszuwerten. Sie | |
| zählte am Dienstag drei Tote und über 220 Verletze durch die Aggressionen | |
| des iranischen Sicherheitsapparats. | |
| ## 2021 gingen nur 37 Prozent der Bevölkerung zur Wahl | |
| Die Regierung unter dem erzkonservativen Ebrahim Raisi steht auch | |
| unabhängig der jüngsten Proteste unter Druck. Bei den | |
| Präsidentschaftswahlen 2021 boykottierten viele Menschen die Wahl, nur 37 | |
| Prozent gaben ihre Stimme ab. Hinzu kommt der Unmut über die starke | |
| Wirtschaftskrise. Die jährliche Inflationsrate lag im August bei 52 | |
| Prozent. Die Wirtschaft stagniert seit Jahren, unter anderem durch | |
| US-Wirtschaftssanktionen sowie die Coronapandemie. Der Klimawandel, | |
| Dürreperioden und Wassermangel beeinträchtigen auch die Landwirtschaft. | |
| Präsident Raisi hatte mit der Familie Aminis telefoniert und Aufklärung | |
| versprochen. Der Vater der toten Frau gab jedoch an, dass ihre Anfragen, | |
| den Leichnam pathologisch untersuchen zu lassen, unbeantwortet blieben. | |
| Raisi ist währenddessen nach New York geflogen. Dort wird er bei der | |
| UN-Generalversammlung sprechen sowie über die stockenden Verhandlungen zum | |
| Atomabkommen. | |
| 20 Sep 2022 | |
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| [3] https://twitter.com/SamRasoulpour/status/1571806929084612608?s=20&t=Ys5… | |
| [4] https://netblocks.org | |
| ## AUTOREN | |
| Julia Neumann | |
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