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# taz.de -- Strafmaßnahmen gegen Iran: EU sanktioniert IT-Firma ArvanCloud
> Brüssel wirft dem Unternehmen vor, Teheran beim Aufbau eines nationalen
> Internets zu helfen. Die taz hatte Verbindungen nach NRW offengelegt.
Bild: Menschen machen ein Video bei der Eröffnung eines IT-Shops in Teheran
Berlin taz | Die [1][EU-Staaten sanktionieren] das iranische IT-Unternehmen
ArvanCloud. Das geht aus einer Liste neuer Strafmaßnahmen hervor, die am
Montag veröffentlicht wurde. Über [2][ArvanCloud hatte die taz] gemeinsam
mit [3][Correctiv], und [4][netzpolitik.org] vor rund drei Wochen eine
Recherche veröffentlicht.
ArvanCloud ist laut deutsch-iranischer Handelskammer der größte
Cloud-Service-Anbieter im Iran und sehr aktiv in der iranischen
Start-up-Szene. Die EU wirft dem Unternehmen vor, der iranischen Regierung
beim Aufbau eines nationalen Internets zu helfen. Ein solches nationales
Intranet mit Verbindungspunkten zum globalen Internet trage laut EU dazu
bei, „den Informationsfluss zwischen dem iranischen Intranet und dem
globalen Internet zu kontrollieren“.
ArvanCloud sei „an der Zensur und den Bemühungen der iranischen Regierung
beteiligt, das Internet als Reaktion auf die jüngsten Proteste im Iran
abzuschalten“, [5][heißt es in der Begründung der Sanktion]. Die Firma
werde auch mit Personen in Verbindung gebracht, die für schwerwiegende
Menschenrechtsverletzungen im Iran verantwortlich seien. Dazu zählt die EU
den iranischen Minister für Informations- und Kommunikationstechnologie,
der ebenfalls selbst auf der EU-Sanktionsliste steht. Verbindungen
bestünden auch zu den iranischen Revolutionsgarden.
Bauke Baumann, Nahost-Referent der Heinrich-Böll-Stiftung in Berlin,
erklärte: "Ich begrüße die neuen EU-Sanktionen gegen ArvanCloud. Gezielte
Sanktionen gegen Personen und Unternehmen, die an
Menschenrechtsverletzungen beteiligt sind, halte ich für richtig und
wichtig. Und die staatlich angeordnete Internetzensur des iranischen
Regimes ist eine Menschenrechtsverletzung."
Correctiv, netzpolitik.org und die taz hatten berichtet, dass Arvan Cloud
eng mit der Firma Softqloud in Meerbusch in Nordrhein-Westfalen
zusammenhängt, die als Brückenkopf nach Europa fungiert. Teilweise wurden
Zahlungen über internationale Zahldienstleister über die deutsche Firma
abgewickelt. Auf Servern der deutschen Firma wurden Webseiten des
iranischen Regimes gehostet, darunter die des iranischen Agrarministeriums
und mehrerer iranischer Botschaften, etwa der in Tunesien.
## Verbindungen zum iranischen Regime
In den Recherchen hatten wir Verbindungen von ArvanCloud und dem Regime
offengelegt. Unter anderem hatte die [6][staatliche iranische
Nachrichtenagentur Irna darüber berichtet], dass ArvanCloud an einer
nationalen Cloud-Struktur mitarbeitet, der sogenannten IranCloud. Die
staatliche Nachrichtenagentur Irna nennt dies ein „nationales Projekt“, das
„im Einklang mit der Entwicklung des nationalen Informationsnetzwerks“
betrieben werde.
Aus einem Vertrag zwischen ArvanCloud und dem iranischen
Kommunikationsministerium aus dem Jahr 2020 geht hervor, dass ArvanCloud
für das Projekt der iranischen Cloud-Infrastruktur dem Regime weitreichende
Kontrollbefugnisse einräumt. Die tatsächliche Herkunft des Dokuments lässt
sich nicht endgültig verifizieren, es soll aus einer iranischen
Informationsfreiheitsanfrage stammen. Auch die BBC bezieht sich in einem
Bericht auf diesen Vertrag.
Ein Investor bei ArvanCloud ist zudem die iranische Firma Fanap, die mit
der iranischen Pasargad Bank assoziiert ist. Das iranische Finanzinstitut
wurde wegen Verbindungen zu den Revolutionsgarden im Oktober 2020 von den
USA mit Sanktionen belegt.
## Firma weist Vorwürfe zurück
[7][ArvanCloud hat die Vorwürfe zurückgewiesen]. Weder sie selbst noch die
deutsche Firma Softqloud seien an Internetfiltern, Zensur oder dem Aufbau
oder Ausbau von nationalen Netzen beteiligt. Die Verträge mit der deutschen
Firma Softqloud seien zudem gekündigt worden. ArvanCloud sprach davon, seit
Jahren einem „Cyberbullying“ ausgesetzt zu sein.
Dieses Argument wiederholte die IT-Firma in einer Reaktion auf die jüngste
Sanktionsentscheidung der EU. Man habe sich in einem „Medienkrieg gegen
Gerüchte und Realitätsverfälschungen“ nicht verteidigen können,
[8][erklärte die Firma am Montag in einer Stellungnahme auf ihrer
Webseite].
Seit mehreren Monaten habe ArvanCloud falsche Anschuldigungen und haltlose
Behauptungen zurückgewiesen, an der Einschränkung oder Abschaltung des
Internets beteiligt zu sein. Die Entscheidung der EU sei „ungerecht“ und
„enttäuschend“. Die Firma kündigte an, gegen die Strafmaßnahme rechtlich
vorzugehen.
## Regimegegner*innen begrüßen Sanktionen
Gegner*innen des iranischen Regimes begrüßten die Entscheidung der EU.
Amin Sabeti, exiliranischer Experte für IT-Sicherheit, erklärte gegenüber
der taz: „Die EU-Sanktion zeigt endlich, dass die EU-Staaten wirklich an
ein freies und faires Internet glauben.“
Sabeti verspricht sich von der Sanktion eine deutliche Wirkung. Sie werde
großen Einfluss auf die Fähigkeit des iranischen Regimes haben, das
Internet abzuschalten. „ArvanCloud ist einer der Vermittler der
Internetabschaltung im Iran und diese neue Sanktion wird ihren Betrieb
stören.“
Für Ulrike Becker, Sprecherin der deutschen NGO „Stop the Bomb“, gehen die
Sanktionen nicht weit genug. "Bundesbehörden dürfen nicht weiter alle Augen
zudrücken, wenn von Deutschland aus mit der Unterdrückung der Iraner*innen
gute Geschäfte gemacht werden. Firmen der Revolutionsgarden, die den
iranischen Markt kontrollieren, haben in Deutschland ein Netz an Tarnfirmen
aufgebaut."
Das sei bekannt, aber von den Kontrollbehörden lange ignoriert worden. "All
diese Firmen müssen nun endlich auf die Sanktionslisten", sagte Becker. Die
Organisation "Stop the Bomb" war wegen ihres politischen Engagements vom
iranischen Regime ihrerseits Ende Oktober auf eine Sanktionsliste gesetzt
worden.
Hintergrund der EU-Sanktionen gegen iranische Organisationen und
Einzelpersonen ist die Unterdrückung von Protesten nach dem Tod der
22-jährigen Iranerin Mahsa Amini. Die Sittenpolizei hatte sie festgenommen,
weil sie ihr Kopftuch angeblich nicht richtig trug. In Gewahrsam wurde sie
laut Zeugen geschlagen und misshandelt. Sie starb am 16. September. Im
ganzen Land kommt es seitdem zu Demonstrationen gegen das islamistische
Regime. Sicherheitskräfte gehen brutal gegen Kritiker*innen vor. Es
gibt zahlreiche Tote.
Bundeskanzler Scholz hatte am Wochenende von „mehr als 300 Toten –
reihenweise Todesurteilen, mehr als 14.000 Festnahmen“ gesprochen. Unter
anderem befindet sich der bekannte Menschenrechtler und Blogger Hossein
Ronaghi in Gewahrsam. Der 37-Jährige befindet sich seit mehr als einem
Monat im Hungerstreik und wurde deshalb nun in ein Krankenhaus
eingeliefert. Sein Bruder erklärte am Wochenende, dass sein Leben in Gefahr
sei.
Ronaghi hatte als einer der Ersten kritisch über ArvanCloud berichtet. Der
deutsche Journalist Bamdad Ismaili schrieb am Montag dazu auf Twitter, man
solle ihm ausrichten, dass ArvanCloud nun auf der EU-Liste steht: „Damit es
ihm bald besser geht.“
15 Nov 2022
## LINKS
[1] /Proteste-in-Iran/!5892093
[2] /Iranische-Tarnfirmen-in-Deutschland/!5885984
[3] https://correctiv.org/aktuelles/2022/10/20/wie-der-iran-deutsche-verbindung…
[4] https://netzpolitik.org/2022/meerbusch-iran-connection-deutsche-firma-in-au…
[5] https://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/TXT/PDF/?uri=OJ%3AL%3A2022%3A293…
[6] https://www.irna.ir/news/84184822/پ&%23x631;&%23x648;&%23x698;&%23x64…
[7] https://news.arvancloud.com/en/arvancloud-response-to-three-german-news-out…
[8] https://news.arvancloud.com/fa/و&%23x627;&%23x6a9;&%23x646;&%23x634;-…
## AUTOREN
Jean-Philipp Baeck
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