# taz.de -- Angriff auf Iraner in Berlin: Keine Angst vor den Mullahs | |
> Vom Angriff auf ihre Mahnwache lassen sich die Aktivist*innen von | |
> Feminista.Berlin nicht abschrecken. Aktionen zur Iran-Revolution gehen | |
> weiter. | |
Bild: Setayesh von Feminista.Berlin zeigt das beschädigte Protest-Schild vor d… | |
BERLIN taz | Zwei Tage nach dem Messerangriff auf iranische Regimegegner | |
an der Dauermahnwache vor der Grünen-Zentrale fordert die Gruppe | |
Feminista.Berlin mehr Polizeipräsenz. „Wir bitten den Senat um mehr Schutz. | |
Wir leben in einem freien Land und brauchen die Sicherheit, unsere Meinung | |
frei äußern zu können“, sagt Setayesh, Mitbegründerin der Gruppe | |
iranischstämmiger Studierender, die seit sechs Wochen auf dem Platz vor dem | |
Neuen Tor für eine entschiedenere Politik der „feministischen | |
Außenministerin“ Annalena Baerbock (Grüne) in Sachen Iran demonstriert. | |
Es ist Montagmittag, Setayesh geht zu dem Baum, an dem das Schild lehnt, um | |
das es bei dem Angriff ging. „Mord Terror Hinrichtung islamische Regierung“ | |
stand darauf, jedes Wort auf je einem Schild. Jetzt fehlt das Schild | |
„islamische“, es liegt in zwei Teilen auf dem Tisch im Pavillon, wo immer | |
ein paar „Feministas“ die Stellung halten. Setayesh holt es herbei und | |
erzählt: Samstagnacht gegen 23 Uhr seien vier Personen gekommen, zwei | |
Männer, zwei mit langen Hidschabs verschleierte Frauen. „Sie haben das | |
Schild abgerissen und zerbrochen.“ | |
Die 28-jährige Studentin, deren Familie sie gebeten hat, ihren Nachnamen | |
gegenüber Medien nicht zu nennen, war selbst nicht dabei – sie traf wenige | |
Minuten nach dem Überfall ein. Ihre Leute hätten die Zerstörung des | |
Schildes beobachtet und die Gruppe verfolgt. „Als einer von uns sie | |
ansprach, was das soll, hat der eine gefragt, was wir gegen den Islam | |
hätten. Dann hat er ein Messer gezogen“, berichtet sie. Der zweite Mann | |
habe eine zerbrochene Flasche gehabt. „Zum Glück war eine Polizeistreife in | |
der Nähe, ein paar von uns haben sie geholt.“ Die Beamten hätten die beiden | |
Männer festgehalten, doch die Frauen seien mit dem Messer weggelaufen. | |
Die Polizei nahm den 26-jährigen Mann mit dem Messer zur | |
erkennungsdienstlichen Behandlung mit, im Anschluss [1][wurde er auf freien | |
Fuß gesetzt]. Der zweite Mann wurde noch vor Ort entlassen. „Von ihnen | |
ginge ja keine Gefahr mehr aus, meinten die Polizisten“, erzählt Setayesh. | |
Sie findet das nicht richtig. „Die wussten genau, was sie taten.“ Einer der | |
beiden Männer sei schon am Vorabend da gewesen, habe Fotos gemacht. | |
## Merkwürdige Leute machen Fotos | |
Ob der iranische Geheimdienst dahintersteckt, von dem bekannt ist, dass er | |
Regimekritiker*innen bei Demonstrationen fotografiert, oder | |
irgendeine islamistische Gruppierung, wissen die Feministas nicht. „Immer | |
wieder kommen merkwürdige Leute hier vorbei, machen Fotos, reden nicht“, | |
erzählt Setayesh. | |
Tatsächlich war dies nicht der erste Angriff auf iranische Regimegegner in | |
Berlin. Vor zwei Wochen wurde die Mahnwache der „Organisation iranische | |
parlamentarische Monarchie“ gegenüber der iranischen Botschaft in Dahlem | |
überfallen, dabei wurden drei Teilnehmer der Mahnwache verletzt, die | |
[2][drei Täter konnten fliehen]. | |
Doch einschüchtern ließen sich die Aktivist*innen von Feminista.Berlin | |
von solchen Ereignissen nicht, betont Setayesh. „Jetzt bleiben wir erst | |
recht!“ Aber es wäre gut, wenn die Polizei nachts öfter vorbeikäme als | |
einmal die Stunde, wie bislang. Eine Polizeisprecherin erklärte auf | |
taz-Anfrage, zu Fragen der Sicherung äußere man sich grundsätzlich nicht. | |
Etwas „Gutes“ hatte der Überfall vielleicht: Aus Solidarität kamen der | |
grüne Bundestagsabgeordnete Omid Nouripour und einige andere Grüne am | |
Montagnachmittag vorbei, erzählt Setayesh später am Telefon. „Sie haben | |
gesagt, dass solche Angriffe nicht geduldet werden könnten, wir lebten | |
schließlich in einem freien Land.“ Zudem werde es am Dienstag ein | |
„offizielles“ Treffen geben, in dem die Feministas mit den Grünen über | |
ihre wichtigste Forderung reden könnten: endlich den iranischen Botschafter | |
auszuweisen. | |
## Botschafter soll ausgewiesen werden | |
„Deutschland ist weiterhin der wichtigste EU-Handelspartner von Iran. | |
Solange das so ist, werden Menschenrechtsgruppen wie wir nicht ausreichend | |
Gehör finden“, ist Setayesh überzeugt. Die Ausweisung des Botschafters sei | |
daher ein wichtiges Zeichen, dass Deutschland diese engen | |
Wirtschaftsbeziehungen lösen wolle. | |
In den vergangenen Wochen hat [3][Feminista.Berlin] immer wieder mit | |
künstlerischen Aktionen über die Proteste im Iran aufgeklärt. Zuletzt hatte | |
die Gruppe am 9. November zur East Side Gallery gerufen, wo der Künstler | |
Kani Alavi ein [4][Bild von Jina Mahsa Amini auf ein Transparent an die | |
Mauer] sprayte. Für Setayesh ist die wichtigste Aufgabe ihrer Gruppe, über | |
die Revolution im Iran und die Menschen, die sie tragen, zu reden – um sie | |
zu schützen. „Wenn wir die Stimme dieser mutigen Menschen sind, ist es für | |
das Regime schwieriger, sie zu töten“, glaubt sie. | |
Dass inzwischen sogar Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) vom „Mullah-Regime“ | |
spricht und die EU am Montag weitere Sanktionen gegen führende | |
Revolutionsgarden beschloss, sei schön, sagt Setayeh – aber längst nicht | |
genug. „Die soziale Revolution im Iran hat schon stattgefunden, denn es war | |
von Beginn an eine Frauen- und Menschenrechtsrevolution. Jetzt warten wir | |
auf die diplomatische Revolution.“ | |
14 Nov 2022 | |
## LINKS | |
[1] https://www.berlin.de/polizei/polizeimeldungen/2022/pressemitteilung.126411… | |
[2] https://www.berlin.de/polizei/polizeimeldungen/2022/pressemitteilung.125972… | |
[3] /Iran-Proteste-in-Berlin/!5885925 | |
[4] https://www.instagram.com/p/Ck28wpFtTXh/ | |
## AUTOREN | |
Susanne Memarnia | |
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