# taz.de -- Berliner Clubs nach zwei Jahren Corona: Zögerlicher Tanz aus der P… | |
> Ab 4. März kann in den Clubs wieder gefeiert werden. Aber ein schlichtes | |
> Zurück zur Normalität, zu einem Vor-Pandemie-Zustand, soll es nicht | |
> geben. | |
Bild: Impfzentrum statt Party: Im Sage Beach Club standen die Leute für die Sp… | |
BERLIN taz | Die Rückkehr zur Normalität. Das wünschen sich viele, wenn | |
[1][im März nach und nach die Coronamaßnahmen auslaufen]. Aus ganz anderen | |
Gründen als bis vor ein paar Tagen gedacht, wird man nun jedoch sein altes | |
Leben auch dann nicht zurückbekommen, wenn bald Abstandhalten und | |
Impfnachweis nicht mehr so die Rolle spielen. | |
Der Angriffskrieg des Autokraten aus dem Kreml ändert alles. Und wird sich | |
unweigerlich auch auf das Partyleben auswirken, das ab dem kommenden | |
Wochenende langsam wieder startet in Berlin. Denn sicherlich nicht jedem | |
wird nach ausgelassenem Feiern zumute sein, wenn gleichzeitig Ukrainer und | |
Ukrainerinnen auf der Flucht vor Putins Kriegsmaschine sind. | |
Marcel Weber, Geschäftsführer des queeren Clubs Schwuz, sagt, die Situation | |
in der Ukraine werde „dunkle Schatten“ auf das Berliner Nachtleben werfen | |
und findet: „Man muss schauen, wie man da als Club solidarisch sein kann.“ | |
Eli von dem Kollektiv, das das About Blank betreibt, gibt an: „Das ist eine | |
krasse Zäsur. Die wird uns stark beschäftigen, zusätzlich zu allen anderen | |
Krisen.“ Sie vermute aber, „dass die Leute trotzdem auch einfach wieder | |
feiern wollen.“ | |
Ab dem 4. März darf es also wieder losgehen in den Berliner Clubs. Der | |
Senat teilt mit, es werde dabei die 2G-Plus-Regelung gelten: Die Clubber | |
müssen einen Impf- oder Genesenennachweis vorlegen und sich zusätzlich | |
vorher testen lassen. Aber die endgültige Verordnung für den Clubbetrieb | |
liegt noch nicht vor, die soll erst am heutigen Dienstag herausgegeben | |
werden. | |
Was einer der Gründe dafür ist, dass nicht gleich ab Freitag in sämtlichen | |
Berliner Clubs voll durchgestartet wird und „Freedom Day“-artige | |
Verhältnisse eher die Ausnahme bleiben werden. Es wird zwar allgemein | |
erwartet, dass es keine Maskenpflicht geben wird, aber ganz sicher wird man | |
das erst heute wissen. | |
## Im Berghain ist noch tote Hose | |
Das Berghain etwa hat noch keinen Neustart angekündigt und teilt auf | |
Anfrage mit: „Es wäre interessant, die Coronaverordnung zu haben – ohne die | |
lassen sich keine Entscheidungen fällen.“ Dass die Clubs nun wieder so spät | |
endgültige Gewissheiten dargereicht bekommen, nennt Karo vom Kollektiv des | |
Clubs Mensch Meier „ein erneutes Versagen auf politischer Ebene.“ | |
Einer der Gründe, warum Clubs eine gewisse Vorlaufzeit bei der | |
Wiedereröffnung benötigen, ist, dass die Personalfrage rechtzeitig geklärt | |
werden muss. Vor allem Fachpersonal, etwa Licht- und Tontechniker, zu | |
finden, sei gerade nicht so leicht, so Pamela Schobeß, Vorstandsvorsitzende | |
der Berliner Clubcommission und Mitbetreiberin des Clubs Gretchen. | |
Denn viele aus der Veranstaltungsbranche seien in den letzten zwei | |
Coronajahren [2][inzwischen in andere Berufe gewechselt] und kämen auch | |
nicht mehr so schnell zurück. Aber insgesamt habe man die Lage mit dem | |
Personal einigermaßen im Griff, so Marcel Weber vom Schwuz. Die meisten der | |
Minijobber, tragende Säulen für jeden Clubbetrieb, habe man seit der | |
letzten coronabedingten Schließung halten können. | |
Die Rückkehr des Berliner Nachtlebens wird eine Rückkehr in Raten sein: Das | |
Gretchen wird am 7. März zur ersten Party laden, das About Blank einen Tag | |
später und im Mensch Meier wird vom 11. bis zum 13. März ein großes | |
Reopening stattfinden. Das Schwuz wiederum geht mit einem Dreistufenplan an | |
den Start. Ab Freitag wird die Bar wieder geöffnet sein, ab dem 19. März | |
kehren die samstäglichen Partys zurück und ab Mitte April ist Vollbetrieb | |
geplant. | |
Auch wenn irgendwann im April wieder in sämtlichen Berliner Clubs | |
Remmidemmi herrscht: Ein schlichtes Zurück zur Normalität, zu einem | |
Vor-Corona-Zustand der Berliner Clubkultur, soll es nicht geben. Und das | |
ganz unabhängig von der Situation in der Ukraine. | |
Das hat Lutz Leichsenring, Pressesprecher der Clubcommission, bereits | |
angekündigt. Und auch das About Blank verkündete letzten November in einer | |
Art Facebook-Manifest: „Nie wieder Normalität“. | |
Während der letzten zwei Jahre, als die Clubs mehr oder weniger geschlossen | |
waren, hat sich im Selbstverständnis so einiges geändert. Die Frage, ob | |
wirklich alles optimal läuft in der Berliner Clubkultur, wurde immer | |
vehementer gestellt. So schloss der Club Revier Südost Ende August eine | |
Zeit lang, ganz ohne Coronaverordnung, nach einem rassistischen Vorfall | |
seine Pforten und unterzog das Personal vor der Wiedereröffnung erst einmal | |
einer Awareness-Schulung. | |
## Studie der Clubcommission | |
Die Clubcommission [3][führt derzeit eine Studie durch], mit der | |
herausgefunden werden soll, welche Probleme es in der Berliner Clubkultur | |
gibt, vor allem hinsichtlich eventuell vergleichbarer Vorfälle wie im | |
Revier Südost. Zusätzlich soll eine frisch gegründete Awareness Akademie | |
dazu beitragen, Clubs als „Safe Spaces“ für Minderheiten aller Art zu | |
stärken. | |
Hinsichtlich Diversity, so Marcel Weber vom Schwuz, „haben auch wir als | |
Teil der queeren Community noch genug zu tun. Mit dem Thema Rassismus an | |
vorderster Front.“ Auch im Schwuz gab es vor fünf Jahren einen | |
rassistischen Vorfall. „Außerdem“, sagt er, „haben wir die Klimakrise. Da | |
ist nichts mit Normalität.“ Dazu also noch das Thema Klima und Umwelt, das | |
in den letzten zwei Jahren immer dringlicher diskutiert wird und dem sich | |
auch die Clubs nicht verschließen können. | |
Der Club hat im Herbst letzten Jahres einen „Code of Conduct“ | |
unterschrieben, eine Selbstverpflichtung für mehr Nachhaltigkeit. | |
Zertifizierten Ökostrom beziehe man inzwischen, achte auf Wasserreduktion | |
und LED-Beleuchtung. Außerdem interessiere man sich für ein Projekt, das | |
sich „Body Heat“ nennt. Dabei gehe es darum, „Wärme, die beim Tanzen | |
entsteht, in einer großen Wärmebatterie zwischenzuspeichern, um dann Wasser | |
und Räume im Club zu erhitzen“. | |
Hinsichtlich der Nachhaltigkeit, so Eli vom About Blank, stelle sich | |
verstärkt auch die Frage nach einem ökologisch vertretbaren Booking: „Muss | |
man wirklich ständig die fetten Headliner einmal um die halbe Welt fliegen | |
lassen, oder sollte man lieber den Anteil lokaler Künstler erhöhen?“ Gar | |
nicht so leicht zu beantworten. „Denn Clubkultur lebt auch von | |
internationalem Austausch. Und da möchte man auch nicht nur ein rein | |
deutsches Booking.“ | |
Auch das Mensch Meier, eigentlich schon lange ganz vorne dabei bei | |
Awareness und Diversity, hat sich Gedanken gemacht, wie man alles noch | |
etwas besser machen kann. Karo, die sagt, „Normalität gab es bei uns nie | |
und wird es auch nie geben“, gibt an, auch programmatisch werde man sich | |
noch vielgestaltiger als bislang aufstellen. So werde es eine neue | |
queerfeministische Partyreihe geben und man werde versuchen, noch mehr | |
Personen aus minoritären Communitys in die Gestaltung von Events | |
miteinzubeziehen. „Auch Leute, die sonst im Technobereich nicht so eine | |
gewichtige Stimme haben.“ | |
Für die Clubkultur insgesamt, die nun so langsam wieder zum Leben erwacht, | |
wünscht sie sich, dass „Feiern und Veranstalten von Partys wieder mehr | |
politischen Inhalt bekommt, weniger kommerzialisiert ist“. Und dass man | |
sich fragt: „Was wollen wir eigentlich von dem Moment, an dem wir uns alle | |
auf dem Dancefloor vereinigen?“ | |
1 Mar 2022 | |
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## AUTOREN | |
Andreas Hartmann | |
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