# taz.de -- Nächster Schlag fürs Berliner Nachtleben: Partykiller Putin | |
> Die Öffnung der Clubs ist in Sicht. Aber wer will angesichts des Krieges | |
> in der Ukraine noch feiern gehen? | |
Bild: Statt clubben heißt es jetzt: für den Frieden demonstrieren | |
Der Winter ist fast vorbei, der Coronaschrecken lässt nach, die Lockerungen | |
nehmen zu, Berlins Kultursenator Klaus Lederer verspricht einen herrlichen | |
Kultursommer und die Clubs machen wieder auf. Aber nichts davon kommt | |
gerade so richtig bei mir an. Der [1][Wahnsinn in der Ukraine] brennt sich | |
einfach zu stark in mein Gehirn, saugt mir förmlich die Energie aus dem | |
ganzen Körper, raubt mir jegliche Vorfreude auf alles. | |
Eigentlich dachte ich, viel zu abgebrüht zu sein, um von derartigen | |
Ereignissen noch wirklich berührt zu werden. Krise ist schließlich immer | |
irgendwo auf der Welt. Aber jetzt bin ich doch nur noch fassungslos und | |
emotionalisiert bis zum Anschlag. Demnächst auf irgendeiner Party oder auf | |
einem noch so tollen Konzert Druck abzulassen, das kann ich mir gerade | |
überhaupt nicht vorstellen. Es käme mir so falsch und unangemessen vor. Du | |
meine Güte, ich komme mir gerade schon vor wie ein Sonntagsredner und | |
Frank-Walter Steinmeier-Klon, während ich diese Zeilen niederschreibe. | |
Aber ich bin glücklicherweise nicht nur enorm betroffen, sondern auch | |
wütend. Nicht nur auf den Gewaltherrscher im Kreml, sondern auch auf Teile | |
der eigenen Blase. All die linken Putin-Versteher, die mir schon immer auf | |
die Nerven gegangen sind, halten zwar jetzt weitgehend die Klappe, aber so | |
richtig verstanden haben viele von ihnen die Lage immer noch nicht. Keinem | |
anderen alten weißen Mann mit unermesslichen Privilegien haben sie so viel | |
durchgehen lassen wie Putin. | |
Und jetzt steht der mit seinen Panzern direkt vor Kiew, und sie murmeln | |
immer noch vor sich hin, man müsse doch auch weiterhin auf diesen zugehen | |
und seine Sorgen ernst nehmen. Und die blöde Nato habe doch auch so viel | |
falsch gemacht. Wahrscheinlich hört das auch dann nicht auf, wenn der | |
Zarenwiedergänger mit seinen imperialen Träumen die Ukraine längst unter | |
seine Knute gebracht hat und versucht, aus dem Land ein zweites Belarus zu | |
machen. Beim nächsten Kneipenbesuch sich nicht mehr irgendwelche | |
Spinnereien zu Corona anhören zu müssen, dafür aber realititätsferne | |
Theorien über die Ursachen der Gräuel in der Ukraine, das hat mir gerade | |
noch gefehlt. | |
Ich kann mich jetzt auch deswegen nicht wieder einfach so ins aufblühende | |
Nachtleben stürzen, weil ich viel zu sehr damit beschäftigt bin, darüber | |
nachzudenken, wie das ganze Drama nun weitergeht. | |
## Der Fernseher bleibt an! | |
Während Corona habe ich irre viel genetflixt, jetzt verfolge ich wie | |
elektrisiert eine abstrus wirkende Reality-Sendung mit echten Toten. Der | |
ganze Wahnsinn hat ja etwas ungemein Filmisches, auch wenn die | |
Figurenzeichnung ziemlich überdreht wirkt. | |
Nur zu gern würde ich jetzt endlich mal wieder den in den letzten zwei | |
Jahren ständig heiß gelaufenen Fernseher abschalten und die lange ersehnte | |
neue Freiheit da draußen genießen. Aber es geht einfach nicht, solange die | |
unbedingte Gefahr besteht, dass die Ukrainer und Ukrainerinnen womöglich | |
alle Freiheiten verlieren werden. | |
28 Feb 2022 | |
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## AUTOREN | |
Andreas Hartmann | |
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