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# taz.de -- Techno und Black Music matters: Die Geburt der modernen Tanzmusik
> Plötzlich ist es wieder mal eine Frage, wo denn zuerst zu Techno getanzt
> wurde. Vielleicht ist das ein Versuch, schwarze Musik weiß zu waschen.
Bild: Hier in Detroit wurden Autos gebaut. Später mehrte eher Techno den Ruhm …
Frankfurt am Main hat jetzt ein Techno-Museum, das etwas umständlich
benannte [1][Museum of Modern Electronic Music], kurz: Momem. Kaum
eröffnet, ist der Ärger bereits gewaltig. Zur Eröffnungsveranstaltung hat
Frankfurts Bürgermeister seine Stadt einfach mal zu derjenigen erklärt, „wo
Techno seinen Ursprung hat“. Das wirkt schon ziemlich geschichtvergessen,
dachte man bislang doch, diese Musik käme [2][eher aus Detroit] oder
zumindest Chicago.
Aber für gutes Stadtmarketing muss man vielleicht auch mal ein paar
Tatsachen verdrehen, wenn’s der Sache dient. Und wer kann denn schon sicher
sagen, dass Franziska Giffey die Stadt der Loveparade nicht kurzerhand auch
zu dem Ort erklärt hätte, wo alles begonnen hat, wenn Berlin jetzt mit so
einem Museum daherkommen würde.
Das Netzwerk [3][Female Pressure], das sich schon seit Jahren für mehr
Sichtbarkeit von Frauen im großen Technobusiness einsetzt, hat sich auch
bereits in die Diskussionen um das Momen eingebracht. Lauter Typen würden
in dem Laden kuratieren, und passend dazu werde die erste Ausstellung auch
noch dem Techno-Opa Sven Väth gewidmet. Wo also sind die Frauen und
nichtbinären Personen in diesem Museum, das ja auch versucht, den
Technodiskurs zu prägen?
Zu der Frage nach den Frauen ist dem Momem bislang noch nichts Sinnvolles
eingefallen. Aber immerhin positioniert man sich zumindest halbherzig dazu,
ob die moderne Tanzmusik tatsächlich aus der hessischen Bankenmetropole
stammt und erklärt auf der eigenen Homepage kurzerhand den Afrobeat-Pionier
Fela Kuti zum Urvater der ganzen Bewegung. Und der stammt bekanntlich nicht
aus der Stadt, in der man Handkäs für eine Spezialität hält, sondern aus
Lagos.
“Black music matters!“, schreiben die Verantwortlichen für das Momem. Was
jedoch so wirkt, als wolle da jemand verzweifelt versuchen, doch noch
irgendwie die Kurve zu kriegen.
In diesem Zusammenhang ist es interessant zu erwähnen, dass Ende
vergangenen Jahres der Musiker und Aktivist DeForrest Brown Jr. im HKW zu
Gast war, der die Kampagne „[4][Make Techno Black Again]“ ins Leben gerufen
hat. Wenn man diesem so zuhört, merkt man, wie wütend er ist, und in
gewisser Weise warnt er schon seit Jahren vor der Umschreibung der
Techno-Historie, bei der die Posse in Frankfurt nur ein Kapitel unter
vielen zu sein scheint. Er sagt, Techno sei schwarze Musikkultur durch und
durch und für Weiße, die nie die Erniedrigungen erlebt haben, die man als
Afroamerikaner in den USA erdulden muss, eigentlich gar nicht verstehbar.
Für ihn ist sogar das ständige Rekurrieren auf Kraftwerk, die Roboter aus
Düsseldorf, nichts weiter als ein Versuch, schwarze Musik weiß zu waschen.
Bislang hielt ich seine Warnungen für einigermaßen übertrieben. Vor allem
in Berlin, wo man Detroit doch immer als Partnerstadt im Geiste begreift,
kann es doch niemals passieren, dass irgendwann gesagt wird: eigentlich hat
alles an der Spree begonnen. Doch wenn ich mir diese Dummdreistigkeit aus
Frankfurt so anschaue, bin ich mir da mittlerweile gar nicht mehr so
sicher.
Auch im Berliner Club Mensch Meier hat man die Gefahr erkannt und
vergangenes Jahr die [5][Reihe Emergent Bass] initiiert, die ein besonderes
Augenmerk auf die Beiträge Schwarzer und queerer Menschen bei der
Entwicklung der Berliner Clubkultur hat. Mitte Mai geht es endlich weiter
mit der Reihe. Sie wird ganz offensichtlich mehr gebraucht denn je.
25 Apr 2022
## LINKS
[1] https://momem.org/
[2] /Bildband-und-Musik-von-Jeff-Mills/!5077839
[3] https://www.femalepressure.net/
[4] /Elektronikproduzent-ueber-Lage-der-USA/!5739260
[5] /Rassismus-in-Berliner-Clubs/!5779694
## AUTOREN
Andreas Hartmann
## TAGS
Kolumne Durch die Nacht
Techno
Detroit
Berliner Nachtleben
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Elektronik
Club Commission
Black Lives Matter
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